Stellvertreterkriege in Syrien und Irak
31. Mai 2015Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) hat in der Mitte Mai eroberten antiken Wüstenstadt Palmyra mit Sprengungen begonnen. In die Luft gejagt hat sie allerdings keine der antiken Monumente, sondern ein Hochsicherheitsgefängnis des Assad-Regimes. Aufnahmen der Sprengung zeigen dichte Staubwolken über dem Bau.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte den Bau in einem Report aus dem Jahr 2001 als Ort beschrieben, in dem "den Gefangenen das größte Leid, die größten Erniedrigungen und die größten Ängste" zugefügt werden sollte. Dass der IS nun ausgerechnet diesen Ort des Schreckens sprengt, dürfte kein Zufall sein: Auf diese Weise kann er sich den Syrern als eine der Oppositionskräfte gegen das Assad-Regime empfehlen. Damit könnte er durchaus auf Sympathien stoßen.
Denn die rücksichtlose Brutalität des Assad-Regimes hat sich dieser Tage einmal mehr gezeigt: Bei einem Angriff auf die ebenfalls vom IS gehaltene nordsyrische Stadt Al-Bab setzte das Regime einem Bericht der international als glaubwürdig erachteten "Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte" zufolge Fassbomben ein, die mindestens 59 Zivilisten töteten.
Militärische und politische Schwierigkeiten
Der Vormarsch der Islamisten und das rücksichtslose Vorgehen des Assad-Regimes bezeugen, wie verfahren die Lage in Syrien ist. Zwar flogen die Vereinigten Staaten auch an diesem Wochenende wieder Lufteinsätze gegen die Stellungen des IS in Syrien wie auch im Irak. Aber der Kampf gegen den IS blieb bislang vergleichsweise erfolglos. Das hat militärische wie politische Gründe.
Militärisch liegen sie vor allem in der Taktik des IS begründet. In Syrien wie auch dem Irak verfolgen die Dschihadisten eine Guerilla-Taktik. Die Kämpfer teilen sich in kleinere Gruppen auf, die aus der Luft schwer zu bekämpfen sind. Werden Einheiten getroffen, stirbt immer nur eine geringe Zahl von Terrorristen. Die gesamte Feuerkraft der Luftwaffe läuft ins Leere. Oder sie trifft, wie zuletzt in Al-Bab, Zivilisten - und treibt Teile der Überlebenden in die Arme des IS.
Zersplitterte Fronten
Ebenso schwer wie die militärischen wiegen die politischen Schwierigkeiten. Längst sind Syrien und der Irak zu Schauplätzen von Stellvertreterkriegen geworden. In beiden Ländern stehen sich die beiden führenden schiitischen und sunnitischen Regionalmächte - Iran und Saudi-Arabien - gegenüber. Iran setzt auf eigene Truppen, mehr aber noch auf die Hisbollah. Saudi-Arabien und andere Golfstaaten hingegen rüsten jene Gruppen aus, die sowohl gegen den IS wie auch gegen das Assad-Regime kämpfen.
So ist eine höchst zersplitterte Front entstanden, in denen Sieg und Niederlage oft nur ein paar Tage währen. "Das syrische Regime zerstört das Land, das es zu schützen vorgibt", heißt es in einem Kommentar auf der Webseite von Al-Jazeera. "Die Oppositionsgruppen hingegen sind entweder die glücklosen Partner jener, die ihre jeweilige regionale Agenda durchsetzen. Oder aber sie sind jenen, die einen wild wuchernden Extremismus vorantreiben." Die unkoordinierten Fronten zerreiben das Land in einem Konflikt, in dem die Interessen der syrischen Bevölkerung die geringste Rolle spielen. "Syrien", schreibt Al-Jazeera, "ist zum Schlachtfeld eines enthemmten selbstsüchtigen Kalküls geworden."
Sunniten fürchten wachsenden Einfluss Teherans
So zerfahren die Fronten sind, so sehr verstehen es die einzelnen Gruppen doch, sich langfristig zu behaupten. Iran, schreibt die von einem saudische Finanzier betriebene Tageszeitung "Al Hayat", wolle seinen Einfluss in der Region vergrößern. Dies zeige sich derzeit vor allem in vier Ländern: dem Libanon, dem Jemen, im Irak und in Syrien. Dabei komme die Präsenz des IS in Syrien und im Irak Teheran durchaus entgegen. Auf diese Weise könne es sich nämlich als die einzige Regionalmacht präsentieren, die es mit den Dschihadisten aufnehmen könne.
Das wiederum werde in Washington aufmerksam registriert. "Teheran will sich den USA als der einzige tatsächliche Verbündete präsentieren, der den Kampf gegen den IS zur obersten Priorität erhoben hat. Teheran will Washington zu verstehen geben, dass es sich nicht gegen die iranische Präsenz in Syrien und dem Irak anzugehen braucht - und zwar ganz unabhängig davon, wie diese Präsenz aussieht. Ob Iran also direkt in den Ländern vertreten ist oder über schiitische Milizen im Irak und die Hisbollah in Syrien und dem Libanon."
Fragwürdige Rolle der schiitischen Milizen
Ähnlich verfahren wie in Syrien ist auch die Lage im Irak. Dort sind Regierungstruppen auf die Stadt Ramadi vorgerückt, um sie den IS-Truppen zu entreißen, die sie vor einigen Wochen in ihre Gewalt gebracht hatten. Begleitet wird das irakische Militär von schiitischen Milizen - aus eigener Kraft, so die Sorge, würde die Armee der Dschihadisten nicht Herr. Mit den Milizen lässt sie sich aber auf einen Partner ein, der für seine ideologische Entschlossenheit ebenso wie seine Brutalität auch gegenüber (sunnitischen) Zivilisten bekannt ist. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat das Vorgehen der schiitischen Milizen wiederholt kritisiert.
Die Milizen seien darum ein fragwürdiger Partner, schreibt die Tageszeitung Al-arabi al-jadeed. "Obwohl ihre Unterstützung in der Provinz Anbar unverzichtbar ist, sind diese vom Iran unterstützen Milizen doch zahlreicher Grausamkeiten beschuldigt worden - vor allem gegenüber den Sunniten." Darum schlägt die Zeitung vor, dass sie arabische Truppen mehrerer Länder, dem Beispiel der Operation "Sturm der Geschlossenheit" im Jemen folgend, zusammenschlössen und dann gemeinsam gegen den IS vorgingen.
Doch all dies sind bislang Gedankenspiele. Der Kampf gegen den IS, erklärte an diesem Wochenende der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gegenüber der BILD-Zeitung, sei eine langwierige Angelegenheit. Der IS sei nicht gestoppt, sondern "eine tödliche Gefahr für die muslimische Welt und auch für uns eine reale Bedrohung."