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Spanien setzt auf grünen Wasserstoff

Stefanie Claudia Müller Madrid
4. Juli 2020

Deutschland steckt Milliarden aus dem Corona-Hilfspaket in eine Wasserstoff-Strategie. Ähnlich ambitionierte Pläne hat Spanien: Mit guten Absichten und grünen Technologien möchte das Land die Nummer Eins werden.

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Solaranlage nahe Lucainena de las Torres in Andalusien
Bild: picture-alliance/Global Warming Images/A. Cooper

Es ist erst ein halbes Jahr her, dass Madrid wegen der sozialen und politischen Ausschreitungen in Chile mit extrem kurzer Vorbereitungszeit die Umweltkonferenz COP25 ausrichten musste. Damals war der Klimawandel das dringendste Problem der globalen Wirtschaft. 

Die Spanier wurden für ihr Organisationstalent gelobt, aber Greta Thunberg war mit dem Ausgang der Konferenz nicht zufrieden. Die Aktivistin beschuldigte die Politiker des "Greenwashings". Premier Pedro Sánchez meint es jedoch ernst. 

Er braucht die grünen Technologien wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der geringen Diversifizierung der Wirtschaft wie kein anderes Land der EU. Gerade wurde deswegen der "Plan Nacional Integrado de Energía y Clima" (PNIEC) verabschiedet.

Kein Greenwashing

Er sieht vor, dass bis 2030 die umweltschädlichen Emissionen um 23 Prozent im Vergleich zum Stand 1990 gesenkt werden und der Anteil der Erneuerbaren am Konsum auf 42 Prozent verdoppelt wird. Ihre Quote soll so in zehn Jahren bei der Stromproduktion 74 Prozent erreichen. Die Energieeffizienz soll nach den Plänen der Regierung bis 2030 um 39,5 Prozent verbessert werden. 

Für María-Tomé Gil, Energie-Expertin bei der spanischen Gewerkschaft CCOO, darf der PNIEC auch aus anderen Gründen kein "Greenwashing" sein: "Spanien leidet nicht nur unter den zunehmenden Klimaturbulenzen, sondern auch unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die vor allem den Tourismus verändern werden." 

Infografik: Tourismus-abhängige Länder

Die Sparkassenstiftung Funcas rechnet damit, dass die Arbeitslosigkeit in Spanien in diesem Jahr von derzeit 14,5 Prozent auf 20 Prozent steigen und das BIP um 9,5 Prozent schrumpfen wird. Gil glaubt, dass mit den 125 Mrd. Euro, die im Rahmen des PNIEC mobilisiert werden sollen, in den kommenden Jahren Tausende von neuen Arbeitsplätzen entstehen können: "Unser Ziel muss es sein, dass grüne Technologien in den kommenden Jahren 20 Prozent des BIP ausmachen, wie es bereits seit langem geplant war." 

EU-Hilfen sollen in den Umbau der Wirtschaft flieβen

Um das zu erreichen, spielt der grüne Wasserstoff eine zentrale Rolle. Er soll als wichtige Alternative zur elektrischen Mobilität eingeführt werden. 

"Nützlich ist er für uns vor allem beim Luftverkehr", glaubt der italienische Spezialist für nachhaltige Finanzierung, Fabrizio Ferraro von der spanischen Business-Schule IESE. "Der Plan der Regierung ist ambitiös. Angesichts unserer natürlichen Ressourcen hätten wir sogar noch weiter gehen können. Er beinhaltet viele gute Aspekte wie den Nachweis von Klimarisiken in der Unternehmensbilanz." 

In den Umbau der Wirtschaft nach den Vorgaben des PNIEC soll auch ein Groβteil der 140 Mrd. Euro, die Spanien als Teil des Plans "Next Generation" von der EU zu erwarten hat, investiert werden. Bisher habe das Land unter der starken Lobby der Stromversorger gelitten, welche ihre Marktanteile nicht verlieren wollten. 

Spanies Premier Pedro Sanchez bei COP25
Grüne Pläne: Premier Pedro Sanchez meint es ernstBild: picture-alliance/Photoshot

"Die jetzige Regierung setzt sich jedoch gegen Firmen wie Iberdrola durch, schlieβt Kohlekraftwerke und reaktiviert die hierzulande bereits vor 20 Jahren entwickelte Wasserstoff-Technologie", erklärt José Ignacio Linares, Mechanik-Dozent an der Ingenieur-Eliteschmiede Icade in Madrid. 

Kohle soll nach dem Willen von Premier Sánchez bis 2025 und nicht erst wie in Deutschland 2038 aus der spanischen Energieproduktion verschwinden, was ihm auch im Ausland Respekt verschafft. Gerade erst hat das Land sieben auf Kohlekraftwerke vom Netz genommen. Die restlichen Acht sollen schon bald folgen. 

Mit einem Anteil von 1,4 Prozent an der Stromproduktion sind sie inzwischen unbedeutend. Die Quote der erneuerbaren - inzwischen wesentlich billigeren - Energien ist dagegen konstant gestiegen. Lobbyist Brey schätzt, dass die Kosten für die derzeit noch teurere Wasserstoffproduktion in den nächsten zehn Jahren um etwa 40 Prozent sinken werden.

Marokko, ein starker Konkurrent für Spanien

Für Ferrero ist wichtig, "dass das gerade beschlossene spanische Klimaschutzgesetz sehr stark an den europäischen Zielen orientiert ist und dass im Prinzip viele der Vereinbarungen auch durch Nachfolgeregierungen in Spanien nicht mehr rückgängig gemacht werden können". 

Der Finanzexperte kritisiert aber auch, dass dies alles nicht genau durchdacht sei, auch nicht auf europäischer Ebene. "Zu wenig Details über Technik und Logistik", so Ferrero.

Hanno Schoklitsch, Geschäftsführer des Umweltunternehmens Kaiserwetter, glaubt in jedem Fall, dass Spanien genügend Fläche habe, für die Herstellung von grünem Wasserstoff mit heimischen Solar- und Windenergieanlagen. Aber Analyst Gonzalo Escribano vom Madrider Think Tank Real Instituto Elcano erinnert auch daran, dass die spanischen Strom- und Gas-Verbindungen selbst mit Frankreich nicht ordentlich funktionieren. "Ein Export von Wasserstoff halte ich für schwierig, es sei denn er erfolgt in Form von Flüssiggas über Schiffe", so Escribano.

Marokko steht im engen Wettbewerb mit Spanien beim Ausbau von erneuerbaren Energien. Nordafrika sei aber kein Konkurrent, auch wenn die Regierungen von Marokko und Deutschland gerade ein Abkommen über die Erzeugung von grünem Wasserstoff unterzeichnet haben, glaubt Schoklitsch: "Betrachtet man die höheren Kapital- und Transportkosten, dann dürfte der importierte Wasserstoff teurer sein als europäischer. Zudem dürfen die rechtlichen und politischen Einflussfaktoren nicht unterschätzt werden". 

Hanno Schocklitsch, CEO Kaiserwetter
Hanno Schocklitsch ist optimistisch, was Spaniens grüne Pläne angehtBild: Kaiserwetter

Aber Schoklitsch glaubt auch, dass die Energiebilanz bei Wasserstoff wegen der hohen Wirkungsverluste problematisch sei. Er sollte deswegen da eingesetzt werden, wo man mit einer Elektrifizierung nicht weiterkommt - "als Langfristspeicher für die Überbrückung von Zeiten, in denen weder Solar- noch Windstrom produziert werden kann oder als Kraftstoff für den Güterschwer- und den Luftverkehr oder als Brennstoff für industrielle Anwendungen", schlägt er vor.

Spanien will Wasserstoff aber auch im Automobilsektor einsetzen, der in diesem Jahr mit Hilfen von 3,75 Mrd. Euro wiederbelebt wird. Der Plan "Renove" soll den Kauf eins neuen Autos reizvoller machen. Nach Branchenangaben sind 73 Prozent der Fahrzeuge bereits über ein Jahrzehnt alt.

Allerdings zieht der Verbraucher noch nicht mit. Nach einer Umfrage des Vergleichsportals acierto.com denken 40 Prozent der spanischen Verbraucher nicht einmal daran, ein Elektroauto zu kaufen.