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Siemens sieht sich in der Krim-Affäre als Opfer

Mikhail Bushuev
11. Juli 2017

Der Streit um die Lieferung von Siemens-Gasturbinen auf die Krim weitet sich aus. Der Konzern leitet nun in Moskau rechtliche Schritte ein. Inwiefern hat das deutsche Unternehmen gegen EU-Sanktionen verstoßen?

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Gasturbinen bei der Siemens AG in Berlin
Bild: picture alliance/dpa/U. Baumgarten

Eine offizielle Bestätigung steht noch aus. Aber klar ist: Es gibt einen ersten Verstoß gegen die EU-Sanktionen auf der Krim. Nun geht der deutsche Siemens-Konzern in die Offensive. Er hat in Moskau Strafanzeige gegen das russische Partnerunternehmen erstattet.

Der deutsche Siemens-Konzern musste dieser Tage viel Kritik hinnehmen. Am 5. Juli hatte Reuters gemeldet, dass zwei Turbinen aus der Produktion des Siemens-Konzerns illegal nach Sewastopol auf die Krim verschifft und dort ausgeladen worden seien - für ein dortiges Gasturbinenkraftwerk. Die EU erkennt die Krim nicht als Teil Russlands an. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland im Jahr 2014 verhängte Brüssel ein weitreichendes Embargo auf Lieferungen von Waren und Dienstleistungen auf die Krim.

Eigentlich geht es um vier Gasturbinen vom Typ SGT5-2000E, die von einem deutsch-russischen Joint-Venture, an dem Siemens 65 Prozent hält, ursprünglich für ein Kraftwerk im russischen Taman am Schwarzen Meer hergestellt wurden. Sie durften laut einem Vertrag mit einem Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Rostec nur dort verbaut werden.

Wie gelangten die Turbinen auf die Krim?

Der Verdacht, die Russen würden die Sanktionen umgehen wollen, wurde aber schon Mitte 2015 laut. So berichtete die russische Wirtschaftszeitung Wedomosti, die Bestellung für das Taman-Kraftwerk sei ein Täuschungsmanöver. Die Turbinen würde man später heimlich nach Sewastopol bringen.

Auf der Krim herrscht seit der Annexion Strommangel, da Lieferungen vom ukrainischen Festland ausbleiben. Eines der Versprechen der russischen Regierung war, den Mangel schnell zu beheben. Doch in Russland kann heute niemand Gasturbinen in dieser Größe bauen. Alternativen für Siemens-Turbinen gibt es kaum. Angeblich hatte Rostec nach ähnlichen Turbinen bei einem iranischen Produzenten, übrigens mit Siemens-Lizenz, angefragt. Doch das Geschäft platzte, weil man sich "in mehreren technischen und kommerziellen Fragen nicht einigen konnte", so Rostec. 

Streit zwischen Siemens und Rostec

Die Geschichte mit den Gasturbinen liest sich beim russischen Endkunden und beim deutschen Produzenten sehr unterschiedlich. In einer Pressemitteilung von November 2016 wirft der russische Partner, ein Rostec-Tochterunternehmen, Siemens vor, die Lieferung einzelner Teile für die Turbinen hinauszuzögern. Rostec, geführt vom alten Putin-Freund Sergej Tschemesow, drohte zugleich, Siemens könnte aus dem russischen Markt geworfen werden.

Siemens betont heute, ab September 2016 habe es erste belastbare Erkenntnisse gegeben, dass die russische Seite Vertragsbruch erwäge. "Als wir gesehen haben, dass der Bau des Kraftwerks in Taman auf Eis liegt, haben wir alle Lieferungen eingestellt", hieß es gegenüber der DW seitens der Siemens-Zentrale in München.

München Siemens Zentrale
Siemens-Zentrale in München: "Wir hatten alle Lieferung nach Taman eingestellt"Bild: Getty Images/AFP/C. Stache

Betrieb auf eigenes Risiko       

Höchstwahrscheinlich werden nun die Siemens-Gasturbinen auf der Krim mit zum Teil russischen Komponenten in das Kraftwerk eingebaut, ohne Garantieleistung seitens des Herstellers. "Normalerweise gewährleistet Siemens eine eigene Expertise zur Installation und Wartung, aber das werden wir dieses Mal nicht tun", so Siemens. Auf die Frage, ob die Turbinen trotzdem funktionieren würden, hieß es: Das sei wie über die Zukunft eines Autos zu rätseln, wenn man nichts außer einem Motor habe.

Mit dem Einbau und der Wartung der Gasturbinen auf der Krim wurde von russischer Seite nun ein anderes Joint-Venture mit Siemens-Beteiligung beauftragt. Doch Siemens versichert, man wolle dies verhindern.

Was droht Siemens?

Die Turbinen-Affäre hat mittlerweile auch die politische Ebene erreicht: "Auf der Krim sind Gasturbinen aus russischer Produktion", behauptete am Montag etwa der Pressesprecher von Präsident Wladimir Putin. Und der Staatskonzern Rostec verbreitet die These, man habe die Turbinen, die sich jetzt auf der Halbinsel befinden, "aus zweiter Hand gekauft" und in "russischen Fachbetrieben modernisiert". Bei Siemens bezweifelt man allerdings, dass es überhaupt einen Markt für gebrauchte Anlagen dieser Art gibt.

Siemens wehrt sich unterdessen gegen den Eindruck, schlampig oder naiv gewesen zu sein. "Wir haben das Risiko, dass unsere Produkte auf die Krim gelangen, nicht ignoriert, sondern haben aktiv dagegen gehalten", sagte ein Konzern-Vertreter der DW. Daher glaubt Siemens eher nicht, dass der mögliche indirekte Verstoß gegen das EU-Embargo dem Münchner Konzern Ärger bringen wird. Der Vertrag falle nicht unter die Bestimmungen der Sanktionen und Siemens stehe wegen der Affäre in einem engen Kontakt mit den deutschen Behörden, sagte ein Siemens-Vertreter der DW. Auf die Frage, ob die Münchner nun fürchten, beim Kreml in Ungnade zu fallen, hieß es nur: "Müssen wir abwarten."