Russland-Geschäft läuft trotz EU-Sanktionen
3. Juli 2017Seit Jahresbeginn eröffneten zahlreiche Investoren neue Werke in dem Riesenreich, und auch der deutsch-russische Handel belebt sich kräftig. Gleichzeitig rollt die russische Regierung deutschen Firmen den roten Teppich aus und lockt mit besonderen Anreizen. "Es ist jetzt nicht so, dass es einen richtigen Boom gibt, die alten Rekordzahlen sind längst nicht erreicht", sagt der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms. "Die relevanten Firmen haben ihr Engagement aber nur vorübergehend zurückgeschraubt, Personal abgebaut, ein bisschen überwintert. Jetzt geht's wieder los."
Beim Handel rechnet der Ost-Ausschuss in diesem Jahr mit einem Ausfuhrplus nach Russland von mindestens zehn Prozent. Bereits im ersten Quartal kletterten die deutschen Exporte nach Russland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast ein Drittel auf 1,5 Milliarden Euro. Während der Gesamtbestand deutscher Direktinvestitionen vor Verhängung der Sanktionen noch bei mehr als 24 Milliarden Euro lag, sackte er schon im Jahr darauf auf knapp 16 Milliarden ab. Danach stagnierte er. Jetzt ziehen die Investitionen wieder an.
Deutsche Autokonzerne produzieren in Russland
Eines der prominentesten Beispiele ist Daimler. Der Autobauer legte im Juni den Grundstein für ein neues Pkw-Werk bei Moskau. Mehr als 250 Millionen Euro sollen investiert werden – in einer Zeit, in der sich andere internationale Unternehmen wie etwa der US-Autobauer General Motors aus Russland zurückgezogen haben. "Wir sind überzeugt vom langfristigen Potenzial Russlands", sagt Markus Schäfer, Vorstandsmitglied bei Mercedes-Benz Cars. Die Entscheidung für die neue Fertigungsstätte sei nach "einem sehr, sehr erfolgreichen Gespräch mit der russischen Regierung" gefallen. Präsident Wladimir Putin habe den Vertrag persönlich unterschrieben, bestätigt Moskaus Regional-Gouverneur Andrej Worobjow.
Der russische Automarkt war wegen der Rezession und der Sanktionen nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim eingebrochen. In den letzten Monaten ging es aber wieder bergauf, die Nachfrage nach deutschen Modellen steigt.
Deswegen setzt auch Volkswagen auf eine Stärkung seiner Russland-Präsenz. Im Juni verlängerten die Wolfsburger ihre Zusammenarbeit mit der russischen GAZ-Gruppe beim Bau von VW- und Skoda-Modellen. Zudem prüfen sie eine intensivere Kooperation in der Nutzfahrzeugsparte.
Spezielle Bedingungen für Investoren wurden eingeführt
Daimler profitiert von einem speziell für ausgewählte große und wichtige Investoren geschaffenen Förderinstrument, dem Sonderinvestitionsvertrag, der nach Verhängung der Sanktionen eingeführt wurde. Die russische Regierung gewährt damit ausländischen Unternehmen den gleichen Status wie einem einheimischen Unternehmen inklusive Steuererleichterungen, Subventionen und einen stabilen rechtlichen Rahmen. Voraussetzung ist, dass das geförderte Unternehmen in Russland produziert. Dann kann es sich auch an staatlichen Ausschreibungen beteiligen, wie etwa im Falle von Daimler am Flottengeschäft für die Regierung, die nur in Russland gefertigte Autos kauft.
"Da muss ich die russische Regierung sehr loben, Sanktionen hin oder her, sie hat die Rahmenbedingungen für Investitionen permanent verbessert", befindet Ost-Ausschuss-Mann Harms. Auf Kosten der Deutschen gehe aber weiterhin der von Russland im Gegenzug zu den Sanktionen verhängte Einfuhrstopp für westliche Güter und das Vorantreiben der eigenen Produktion mit protektionistischen Maßnahmen.
Deutscher Mittelstand geht gern nach Russland
Hauptsächlich sind es die deutschen Mittelständler, die sich stark in Russland engagieren. Ob der hessische Heizsystem-Hersteller Viessmann, der schwäbische Baumaschinen-Hersteller Liebherr oder die ostwestfälische Elektronikfirma Phoenix Contact, alle eröffneten in diesem Jahr neue Fertigungsstätten. In den Startlöchern stehen weitere – wie etwa der bayerische Molkereibetrieb Ehrmann oder der oberpfälzische Arzneimittel-Hersteller Bionorica.
Investitionschancen sieht Harms auch für Branchen, die nicht so stark mit Russland in Zusammenhang gebracht würden, wie etwa die Windenergie. So wollten etwa die beiden Staatskonzerne Rosatom und Rusnano verstärkt in die Windenergie einsteigen und suchten dafür ausländische Partner. Dabei hätten sie unter anderem Siemens im Visier.
Im Gegensatz zu Olympia in Sotschi, wo sich vor drei Jahren viele deutsche Unternehmen Aufträge unter anderem beim Bau der Wettkampfstätten gesichert hätten, biete die im nächsten Jahr anstehende Fußball-WM aber kaum Potenzial für deutsche Investoren, sagt Harms. "In Sotschi musste einfach mehr gebaut werden, es war auch mehr Geld da. Bei der WM werden im Wesentlichen nur die Stadien gebaut und die sind größtenteils an russische Firmen gegangen."
iw/ tko (rtr)