Seehofer verlangt rasche Kurskorrektur
6. September 2016"Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich", die Menschen wollten "diese Berliner Politik nicht", sagte Horst Seehofer der "Süddeutschen Zeitung" vom Dienstag. "Die Menschen wollen ernstgenommen werden, das werden sie aber nicht." Das Land sei "zerrissen wie selten, das Vertrauen schwindet rasant", betonte der CSU-Vorsitzende. "Die Menschen verstehen einfach nicht mehr, wie Politik gemacht wird in Deutschland. Sie fühlen sich nicht mehr mitgenommen."
Der bayerische Ministerpräsident bilanzierte: "Wir hatten eine erste gute Halbzeit der großen Koalition." Dieser Weg sei bekanntlich im Spätsommer 2015 durch eine andere Definition der Zuwanderungspolitik verlassen worden. Die CSU sei darüber weder informiert worden noch sei sie daran beteiligt gewesen. Seehofer fügte hinzu: "Ich muss mich nicht korrigieren, ich muss nicht mal ein Wort meiner damaligen Äußerungen umstellen."
Desaströses Wahlergebnis
Seine mehrfache Aufforderung zur Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik sei nicht aufgenommen worden, sagte der CSU-Chef. Das desaströse Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern sei eine Folge davon. Bei der Wahl am Sonntag war die CDU nur auf 19 Prozent gekommen und damit erstmals hinter die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) zurückgefallen, die 20,8 Prozent erreichte.
Das Schweriner Wahlresultat sei die Fortsetzung von schlechten Wahlergebnissen der CDU, unterstrich der bayerische Ministerpräsident. Die CDU-Spitze und damit auch der Vorsitzenden Angela Merkel warf er vor, den Ausgang der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom Frühjahr falsch analysiert zu haben. Dies sei der "Keim der Ursachen für das jetzige Ergebnis". Die Flüchtlingspolitik sei dabei nur ein Ventil, die Problematik liege wesentlich tiefer. Er sei überzeugt, "dass dahinter eine Systemkritik steckt".
In dem Interview forderte Seehofer: "Wir brauchen inhaltlich eine klare Orientierung: Steuern, innere Sicherheit, Rente, Zuwanderung - spätestens September, Oktober muss eine Klärung her." Die CSU wolle diese bereits bei ihrer Vorstandsklausur am Wochenende geben. Dann müsse man sehen, "ob wir uns einigen können mit der CDU".
Vorrang für Innenpolitik
Seehofer verlangte von Merkel zudem eine stärkere Konzentration auf die Innenpolitik. Es gehe nun darum, "den Menschen eine klare inhaltliche Orientierung zu geben". Deshalb werde er auch seine für Oktober geplante Russlandreise zu Präsident Wladimir Putin um zwei, drei Monate verschieben. "Die innenpolitische Klärung der Dinge ist das Gebot der Stunde", sagte Seehofer.
Nach Angaben von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer will Seehofer bei einem Spitzentreffen der Parteichefs von Union und SPD am Sonntag einen umfassenden Forderungskatalog zur Flüchtlingspolitik vorlegen. "Wir müssen uns möglichst rasch auf eine Obergrenze, auf die Reduzierung der Zuwanderung verständigen", sagte Scheuer der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagsausgabe).
kle/wa (rtr, afp, dpa)