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Lektionen einer Landtagswahl

Nina Werkhäuser, Berlin5. September 2016

Berlin am Tag nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Die CDU verteidigt ihre Flüchtlingspolitik, die SPD genießt den Wahlerfolg und die AfD sieht sich als die neue Volkspartei in Deutschland.

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Im fernen China äußerte sich die Kanzlerin zur CDU-Schlappe bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/E. Oliveau

In Berlin war es schon früher Nachmittag, als die Kanzlerin sich aus dem chinesischen Hangzhou zum Wahlgeschehen in der Heimat meldete. Sie sei "sehr unzufrieden" mit dem Ausgang der Landtagswahlen, erklärte sie am Rande des G20-Gipfels. Die CDU habe in der Landesregierung in Schwerin gute Arbeit geleistet, habe aber die Früchte dieser Arbeit nicht ernten können - wegen des Flüchtlingsthemas, das den Wahlkampf im Nordosten Deutschlands "überlagert" habe.

Merkel: "Ich bin verantwortlich"

Bei diesem Thema fehle den Menschen, so Merkels Analyse, das Vertrauen in die "Lösungskompetenz" der CDU und folglich auch in ihre eigene Lösungskompetenz. "Ich bin Parteivorsitzende, ich bin Bundeskanzlerin, und in den Augen der Menschen kann man das nicht trennen. Und deshalb bin ich natürlich auch verantwortlich", sagte sie. Die CDU müsse jetzt darüber nachdenken, wie sie dieses Vertrauen wieder zurückgewinnen könne - "und vorneweg natürlich ich", betonte Merkel. Für sie ist es eine Frage des Vertrauens, aber keine Frage der Sachpolitik: "Ich halte die grundlegenden Entscheidungen, so wie sie in den vergangenen Monaten getroffen wurden, für richtig."

Infografik Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern

Nun ist Mecklenburg-Vorpommern ein dünn besiedeltes Bundesland mit vielen Dörfern, vergleichsweise wenigen Flüchtlingen und nur 1,3 Millionen Wählern. Aber es ist Angela Merkels politische Heimat, hier hat sie ihren Wahlkreis. Dass die CDU ausgerechnet hier nur magere 19 Prozent der Stimmen holen konnte, ist ein schwerer Schlag. Dass sie dabei auch noch vom Newcomer, der rechtskonservativen AfD (Alternative für Deutschland) überholt worden ist, löst eine veritable Katerstimmung bei den Christdemokraten aus.

Enttäuschung bei der CDU

CDU-Generalsekretär Peter Tauber verteidigte erneut die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel (Foto: dpa)
CDU-Generalsekretär TauberBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Bitter sei das, sagte Peter Tauber, der Generalsekretär der CDU, im Berliner Konrad-Adenauer-Haus. Die Parteispitze hält das Thema Flüchtlinge für wahlentscheidend, sieht für Selbstkritik jedoch keinen Anlass: Tauber verteidigt die Flüchtlings- und Integrationspolitik der CDU, zählt auf, was alles schon in die Wege geleitet worden sei, aber: "Es braucht Zeit, bis all diese Maßnahmen wirken." Die CSU wiederum nutzt die Gunst der Stunde, um erneut Obergrenzen für Flüchtlinge und eine Begrenzung der Zuwanderung zu fordern - ein Dauerstreit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU.

Tauber weist das zurück, er macht lieber den Koalitionspartner SPD dafür verantwortlich, dass es in der Flüchtingspolitik teilweise nicht vorangehe, etwa bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer. Außerdem sei die AfD "mit sehr einfachen, auch rechtsextremen Parolen auf Stimmenfang" gegangen, kritisiert der CDU-Generalsekretär, und habe auf diese Weise allen Parteien Stimmen abgejagt. Sogar den Grünen, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und aus dem Landtag in Schwerin geflogen sind. Nach Ansicht von Grünen-Chef Cem Özdemir hat der Streit unter den Regierungsparteien über den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik die AfD gestärkt. Für Grünen-Spitzenkandidatin Silke Gajek ist das Wahlergebnis Ausdruck einer "Demokratiekrise".

SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, feiert den Wahlsieg mit der SPD-Spitze, Foto: dpa
Applaus der SPD-Spitze für Erwin Sellering, den alten und neuen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-VorpommernBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Die SPD kann weiter regieren

Während die CDU die Meinung vertritt, die Landespolitik habe bei dieser Wahl nur eine untergeordnete Rolle gespielt, hält die SPD das Gegenteil für richtig: Sie schreibt es der erfolgreichen Politik von Ministerpräsident Erwin Sellering zu, dass die SPD der Gewinner dieser Wahl ist. Sellering, mit einem Strauß roter Blumen in der Hand, wird im Berliner Willy-Brandt-Haus gefeiert. Die Stimmung ist ausgelassen.

Parteichef Sigmar Gabriel strahlt und lobt das "super Ergebnis", das bei 30,6 Prozent liegt. Das sind zwar fünf Prozentpunkte weniger als 2011. Aber, auf diese Feststellung legt Gabriel wert, dank der gestiegenen Wahlbeteiligung habe die SPD in absoluten Zahlen sogar Stimmen hinzugewonnen.

Zu verdanken sei das nicht nur der erfolgreichen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik der SPD-geführten Landesregierung, sondern auch der Haltung Sellerings. Der nehme die Sorgen und Ängste der Menschen ernst, eben auch in punkto Flüchtlinge. Hiervon könne sich die Kanzlerin noch eine Scheibe abschneiden, meint Gabriel. "Nur zu sagen: wir schaffen das und andere sollen es dann machen, geht eben nicht."

Die SPD will nun sowohl mit der CDU als auch mit der Linkspartei Gespräche über eine Regierungskoalition in Mecklenburg-Vorpommern führen. Ein Bündnis mit der Linken wäre rechnerisch möglich - trotz der Verluste der Partei, die bei nur noch gut 13 Prozent der Stimmen liegt.

Leif-Erik Holm, AfD-Spitzenkandidat, zwischen den Parteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen, Foto: Michael Kappeler/dpa
Aus dem Stand auf über 20 Prozent: Leif-Erik Holm, AfD-Spitzenkandidat, zwischen der Parteileitung von Frauke Petry und Jörg MeuthenBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

AfD: "Ein riesiger Erfolg"

Mit vor Stolz geschwellter Brust absolvierte die AfD-Parteiführung ihre Pressekonferenz nach der Wahl. Das Ergebnis von knapp 21 Prozent sei "ein riesiger Erfolg", erklärte Spitzenkandidat Leif-Erik Holm. "Das i-Tüpfelchen ist natürlich, dass wir die CDU von Platz zwei verdrängt haben." Das sei ein Signal an Angela Merkel, ihre Migrationspolitik der "offenen Scheunentore" zu überdenken.

Außerdem habe die AfD "die Demokratie gestärkt", da auch dank ihr die Wahlbeteiligung um zehn Prozentpunkte gestiegen sei. Die Wähler schätzten es, wenn sie Alternativen hätten und es eine Vielfalt an Meinungen gebe, sagte Holm. 55.000 bisherige Nicht-Wähler hätten der AfD ihre Stimme gegeben.

"Unser Land befindet sich in einem politischen Umbruch, der eine historische Dimension hat", sagte Parteichef Jörg Meuthen zu den anhaltenden Wahlerfolgen der AfD. Bei der nunmehr neunten Landtagswahl in Folge sei die AfD erfolgreich gewesen und erziele immer bessere Ergebnisse. Damit sei sie in ganz Deutschland zu einer Volkspartei geworden, die 2017 den Einzug in den Bundestag anstrebe, erklärte Meuthen."Wir wollen langfristig in diesem Land regieren."