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Schwierige Sahel-Mission für Kanzler Scholz

21. Mai 2022

Auf seiner ersten Afrikareise muss Bundeskanzler Scholz mit sich verschiebenden Kräfteverhältnissen im Sahel jonglieren. Nach Stationen im Senegal und im Niger wird Scholz in Südafrika erwartet.

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Vorbericht Afrika-Reise Kanzler Scholz | Regierungsflieger in Accra
Gelandet in Westafrika - ein Regierungsjet, hier 2017 in Accra bei einer Reise von Bundespräsident SteinmeierBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Es ist ein Antrittsbesuch, der in turbulenten Zeiten so etwas wie Kontinuität vermitteln soll: Erst im Februar zwang der russische Angriffskrieg in der Ukraine Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Afrikareise im Senegal vorzeitig abzubrechen - und genau hier nimmt nun Bundeskanzler Olaf Scholz den Faden wieder auf, gefolgt von Besuchen in den wichtigen Partnerländern Niger und Südafrika. Russland ist seither unterschwellig Thema bei allen außenpolitischen Unternehmungen der Bundesrepublik.

Zunächst reist der seit knapp sechs Monaten amtierende Bundeskanzler in zwei Staaten, die als Stabilitätsanker im krisengeplagten Westafrika eine wichtige Rolle spielen: Senegal, das zurzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, ist neues Partnerland der G7. Niger ist als militärischer Partner und Transitland für die Migration nach Europa schon länger wichtiges Schlüsselland in den Afrikastrategien Europas. Beide Länder grenzen an das von Putschisten regierte Mali, das sich mit seinen jüngsten Entscheidungen immer mehr von seinen europäischen und afrikanischen Partnern entfernt hat.

Belgien Brüssel | EU-Afrika-Gipfel | Olaf Scholz
Kanzler Olaf Scholz auf dem EU-Afrika-Gipfel in Brüssel im Februar - hier wurden Milliardeninvestitionen verhandeltBild: Yves Herman/AFP/Getty Images

Ein militärischer Partner und die Angst vor Nebenwirkungen

Im Kampf gegen den Terror im Sahel hatte die EU unter französischer Führung bis vor einem Jahr auf die Zusammenarbeit mit Mali gesetzt. Dann beendete Paris die französische Militärmission Barkhane nach Diskrepanzen mit Juntaführer und Übergangspräsident Assimi Goita. Die EU hat ihre Ausbildungsmission suspendiert. Niger, das bereits Soldaten aus mehreren westlichen Ländern beherbergt - darunter aus Mali verlegte französische Truppen -, könnte diesen oder nachfolgenden Missionen eine neue Basis bieten. Die Regierung in Niamey sendet bislang positive Signale.

Auch wenn die Sicherheit der Einsatzkräfte durch den Rückzugs Frankreichs ungeklärt ist, hat der Deutsche Bundestag jüngst die Beteiligung der Bundeswehr am UN-Einsatz in Mali für ein weiteres Jahr gebilligt. "Deutschland trägt im Sahel nicht das gleiche Gepäck mit sich wie Frankreich", sagt der Sicherheitsexperte Priyal Singh von der südafrikanischen Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS). Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich stand bis zuletzt immer wieder in der Kritik, eine eigene Agenda in Westafrika zu verfolgen. "Deutschland dürfte ein etwas neutralerer Partner als Frankreich sein, auch, weil es den Fokus bisher auf Wirtschaftsbeziehungen gelegt hat", so Singh im DW-Interview.

Vorbericht Afrika-Reise Kanzler Scholz | Bundeswehr in Nigeria
Auf dem Stützpunkt Tillia im Niger bilden deutsche Soldaten lokale Spezialkräfte ausBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die nigrische Bevölkerung ist sehr zurückhaltend, was eine weitere militärische Präsenz internationaler Truppen im Land angeht. Das betont Olaf Bernau, der dem Steuerkreis des deutschen zivilgesellschaftlichen Netzwerks Fokus Sahel angehört. In Gesprächen seines Netzwerks mit Menschen im Niger überwiege die Angst, internationale Truppen könnten auch den Konflikt mit dschihadistischen Gruppen weiter in den Sahel-Staat hineintragen, sagt Bernau der DW. Die Botschaft der Bevölkerung an Bundeskanzler Scholz könne demnach nur die Bitte sein, Frankreich von einer weiteren Verlegung seiner Truppen nach Niger abzubringen.

Perspektive: Militärausbildung und Stärkung der zivilen Mechanismen

Deutschland selbst bildet seit 2018 Deutschland in der "Operation Gazelle" nigrische Spezialkräfte aus. Die Operation, die nach bisherigen Planungen zum Jahresende auslaufen soll, wird vom Verteidigungsministerium als erfolgreicher Prototyp der internationalen Sicherheitszusammenarbeit gefeiert. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sprach bei ihrem Truppenbesuch im April von einem "Vorzeigeprojekt" - und nährte damit Spekulationen, Niger könne Standort einer Nachfolgemission für EUTM werden.

Vorbericht Afrika-Reise Kanzler Scholz | Ausbildung Soldaten in Nigeria
Vorzeigesoldaten: Diese nigrischen Spezialkräfte wurden von der Bundeswehr ausgebildetBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Doch mit militärischer Kooperation allein, darüber sind sich Experten einig, wird sich die Sicherheitskrise im Sahel nicht lösen lassen. "Der folgerichtige Schritt wären lokale Frieden schaffende Maßnahmen unter deutscher Führung", sagt Sicherheitsexperte Priyal Singh. Deutschland habe in diesem Bereich einschlägige Erfahrung. "Es könnte so Vertrauen aufbauen und Graswurzelbewegungen neuen Auftrieb geben", schätzt Singh.

Win-Win: Wege aus der Abhängigkeit im Energiesektor

Auch Wirtschaftsvertreter legen große Hoffnungen in die Antrittsreise des Bundeskanzlers. Sie komme genau zur richtigen Zeit, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, im DW-Gespräch. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, aber auch der anhaltende Lockdown in Shanghai hätten einseitige Abhängigkeiten, etwa im Energiesektor, verdeutlicht. "Wir müssen uns mit vielen Ländern in anderer Art und Weise austauschen, Rahmenabkommen für Energie und auch in sicherheitspolitischen Fragen schließen", betont Treier.

Vorbericht Afrika-Reise Kanzler Scholz | Solaranlage in Kenia
Afrika hat gigantisches Potenzial für Solarstrom - hier in Kenia -, der etwa zur Produktion grünen Wasserstoffs dienen kannBild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

In diesen Bereichen bietet Afrika Deutschland wichtige Ansätze - und das nicht nur mit Blick auf die fossilen Energien wie Flüssiggas. Senegal hat in den letzten Jahren viel in Solarenergie investiert und könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

Energie-Investitionen erwünscht

Auch auf Scholz letzter Station, in Südafrika, spielt die Energiewende eine große Rolle. Das Land sei stark auf Kohleimporte angewiesen und habe einen großen Bedarf, seinen Energiesektor zu diversifizieren, sagt Sicherheitsexperte Singh: "Südafrika steckt mindestens seit 2008 in einer Energiekrise. Die Versorgung kommt unseren Anforderungen nicht nach. Es gibt hier unglaubliches Potenzial für eine Partnerschaft zwischen Südafrika und Deutschland, was Investitionen oder auch die Vermittlung von technischem Knowhow angeht."

Vorbericht Afrika-Reise Kanzler Scholz |  Merkel und Südafrika-Präsident Ramaphosa
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa war einer der Gastgeber auf Angela Merkels letzter Kanzlerinnen-Reise nach Afrika - und empfängt nun ihren Nachfolger ScholzBild: Themba Hadebe/AP/picture alliance

Eine positive Entwicklung auf dem Kontinent spielt dem laut DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier in die Hände: Das Anfang 2021 in Kraft getretene Afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA könne ein ähnliches Potenzial entfalten wie der europäische Binnenmarkt, sagt er voraus. Damit gebe es eine bessere Grundlage für deutsche Unternehmen, in Afrika zu investieren und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Neben Rohstoffen könnten dann auch verstärkt afrikanische Produkte in den internationalen Lieferketten eine Rolle spielen.

Korrektur am 21.05.2022: In einer früheren Version dieses Artikels war der Name eines Interviewpartners falsch geschrieben. Dies wurde korrigiert. Die Redaktion bittet den Fehler zu entschuldigen.