Afrika: Ein Jahr Freihandel zeigt wenig Wirkung
1. Januar 2022Die afrikanische Freihandelszone feiert seinen ersten Geburtstag - später als geplant, denn die Corona-Pandemie verzögerte im Jahr 2020 den Start: Am 1. Januar 2021 setzten 54 Mitgliedstaaten ihr Vorhaben in die Praxis um, der Auftakt der "African Continental Free Trade Area (AfCFTA)" war geschafft.
Bis auf Eritrea sind alle afrikanischen Länder dabei. Die Staats- und Regierungschefs setzen große Hoffnungen in das Bündnis: Freier Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen allen afrikanischen Staaten sollen den Menschen mehr Wohlstand und soziale Gleichberechtigung bringen.
Pandemie unterbricht Lieferketten
Die praktischen Auswirkungen des Abkommens seien so kurz nach dem Auftakt noch gering, sagt Matthias Boddenberg, Leiter der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika in Johannesburg. Corona und der Lockdown im Jahr 2020 habe vieles durcheinandergebracht, insbesondere in den Lieferketten.
Ein Beispiel: "Hersteller im benachbarten Botsuana konnten keine Kabelbäume für die Autoindustrie in Südafrika liefern, weil die Grenzen geschlossen waren", sagte Boddenberg im DW-Interview. Das Rohmaterial stammt aus Südafrika und konnte zum Teil erst gar nicht dorthin exportiert werden. Ähnliche Hürden habe es auch in anderen Ländern und Industriebereichen gegeben. So konnten laut Boddenberg Land- und Erntemaschinen aus Sambia nicht zur Reparatur nach Südafrika transportiert werden.
Boddenberg kritisiert auch, dass Unternehmen nicht ausreichend genug informiert werden, welche Öffnungen es in der Handelszone, besonders in kleineren Ländern, gibt. Wenn die Afrikanische Union Marketing-Kampagnen an Firmen richten würde, könne das dem innerafrikanischen Handel Aufschwung geben, glaubt er.
Für ein konkretes Zwischenfazit ist es für Heiko Schwiderowski, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Afrika-Stiftung, noch sehr früh. Ob es Fortschritte gibt, hängt für ihn davon ab, ob nicht nur Zölle abgebaut wurden und werden, sondern auch die teils marode Infrastruktur verbessert wird. Nur dann könnten Güter schneller und damit preiswerter von Land zu Land transportiert werden.
Er ist allerdings zuversichtlich, was die Zukunft betrifft: Die afrikanische Freihandelszone biete mit ihren 1,3 Milliarden Menschen ein großes Potential auch für deutsche Unternehmen. Die Hoffnungen sind laut Schwiderowski groß, dass die 54 Länder zu einem Binnenmarkt zusammenwachsen.
Digitalschub verbessert Projektarbeit
Obwohl COVID-19 den Start der Freihandelszone verzögert hatte, brachte die Pandemie laut Schwiderowski auch einen Vorteil: Treffen waren wegen der Lockdowns nicht möglich, was zu einem Digitalschub führte. Nun gelinge der Informationsfluss besser und Projekte können schneller umgesetzt werden. Inwieweit Unternehmen über die Ländergrenzen hinaus durch Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze profitieren - das werde erst später sichtbar.
Alastair Tempest, Geschäftsführer des südafrikanischen Branchenverbands "Ecommerce Forum Africa" zieht Bilanz: "Die Unterzeichnerstaaten verhandelten im Januar 2021 über eine 90-prozentige Senkung der Zölle in allen Bereichen und haben auch damit begonnen, nicht-tarifäre Hemmnisse zu ermitteln, die den Handel weitaus stärker beeinträchtigen als Zölle."
Zu derartigen Hemmnissen zählen Vorschriften, die keine Zölle sind, aber den internationalen Handel behindern können. Zum Beispiel Vorgaben, wie ein Produkt hergestellt oder gehandhabt werden darf oder Mengenbeschränkungen. Auch lange Wartezeiten an Grenzübergängen, Korruption und bürokratische Hürden bremsen den innerafrikanischen Handel bisher stark aus.
Doch diese Verhandlungen zur Ausgestaltung des Abkommens fanden hinter verschlossenen Türen statt und für nichtstaatliche Akteure wie den südafrikanischen Branchenverband sei es unmöglich zu sagen, was in den zwölf Monaten erreicht wurde, sagt Tempest. Eines der großen Probleme ist ihm zufolge auch, das nur wenige Daten über den Handel in Afrika zur Verfügung stehe.
Regionalgemeinschaften als Vorreiter
Für den panafrikanischen Handel - also quer über den Kontinent - erwartet der Verband erst einmal keinen großen Wandel, betont Tempest im DW-Interview. "Sicher ist, dass einige der regionalen Wirtschaftsgemeinschaften die Entwicklung des Handels innerhalb ihrer eigenen Grenzen mit neuen regionalen Wertschöpfungsketten vorantreiben werden."
Zu den Vorreitern dieser Gemeinschaften gehören laut Tempest die Ostafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (EAC), die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) und der Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA). "Wir gehen davon aus, dass in diesen Gruppen sehr bald die Vorteile des Freihandelsabkommens sichtbar werden."
Gefördert werde dieser innerafrikanische Handel durch neue digitale Instrumente, die Logistik und Zollverfahren verbessert hätten, betont Tempest.
Regelwerk konkreter ausarbeiten
Auch für Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft, zeigt sich, dass der Startpunkt im vergangenen Januar vor allem ein symbolischer Akt gewesen sei. Die Regeln des Handelsabkommen müssten noch weiter ausgehandelt werden. Und das geschieht auch. Wie Verbandschef Tempest sagt, sind inzwischen eine Reihe von Schlüsselthemen identifiziert worden - etwa Investitions- und Wettbewerbspolitik sowie Fragen des geistigen Eigentums - über die 2022 verhandelt wird.