Gegen die NSA kann man sich nicht wehren
25. Oktober 2013DW: Was kann die NSA - oder vielmehr: Was kann sie nicht?
Erich Schmidt-Eenboom: Das Bundesamt zur Sicherheit der Informationstechnik in Bonn versucht, die Regierungskommunikation zu schützen: Sie ist zuständig für die Verschlüsselungstechnologie nicht nur für die Kanzlerin, sondern auch für die Minister, Staatssekretäre, alle Regierungsbehörden. Aber alle IT-Experten in der Bundesrepublik sind sich einig, dass man sich gegen die gigantischen Kapazitäten der NSA und ihre Spitzentechnologie so gut wie nicht wehren kann. Wenn sie sich vorgenommen haben, dass sie an einem bestimmten Punkt Verschlüsselungen knacken wollen, dann gelingt ihnen das auch. Die Aufträge dazu kommen aus dem Weißen Haus: Der Präsident entscheidet, welche nachrichtendienstlichen Ziele verfolgt werden sollen. Insofern ist das Ganze kein NSA-Skandal, sondern ein Obama-Skandal.
Wer ist zuständig für Spionageabwehr in Deutschland?
Für die Spionageabwehr, das heißt für die Beobachtung der Tätigkeit ausländischer Nachrichtendienste in der Bundesrepublik, ist natürlich in erster Linie das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig. Die technische Absicherung für Regierungskommunikation ist Aufgabe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, das versucht, durch entsprechende Verschlüsselungsverfahren die Kommunikation zu schützen. Und wir erleben ja eigentlich seit Beginn des vorigen Jahrhunderts einen ständigen Wettlauf zwischen Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsexperten. Und der geht bei der NSA meistens zu Gunsten derjenigen aus, die an Daten herankommen wollen.
Würden Sie sagen, der Verfassungsschutz und das Bundesamt machen ihre Sache gut?
Von technischer Seite ist das Bundesamt sicherlich Weltspitze. Was den Verfassungsschutz betrifft, gibt es natürlich auch politische Vorgaben. Und da hat es bisher keine Anweisung gegeben, sich nach allen Seiten zu verteidigen. Spionageabwehr muss wieder deutlich aktiver werden, in alle Richtungen - auch in die westliche, mit dem Schwerpunkt auf Amerika und Großbritannien.
Warum wird das bisher nicht gemacht?
Das ist bündnispolitische Rücksichtnahme gewesen. Die Regierung hat immer gewusst, dass sie im Visier der amerikanischen Nachrichtendienste steht, hat das aber nie thematisiert. Erst durch die Snowden-Enthüllungen ist ein Handlungsdruck entstanden. Die Politik hat versucht, das Thema wegzudrücken: möglicherweise, um hinter den Kulissen Klarheit zu schaffen. Aber durch die neuerlichen Entwicklungen und die persönliche Betroffenheit der Kanzlerin gewinnt das natürlich ein neues politisches Gewicht.
Wie sicher verschlüsselt ist denn das Handy von Kanzlerin Merkel?
Der Hersteller dieser Verschlüsselungstechnologie schwört Stein und Bein, sein System sei nicht zu knacken. Aber wenn Sie die führenden Verschlüsselungsexperten an deutschen Universitäten fragen, dann sagen die, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die NSA auch darauf Zugriff hat - wenn man es politisch nicht einschränkt. Rein technische Spionageabwehr funktioniert nur sehr schwer.
Kann sich Deutschland dann überhaupt irgendwie vor der NSA-Spionage schützen?
Nur durch völkerrechtlich verbindliche Verträge mit den Vereinigten Staaten, die gegenseitige Spionage auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet ausschließen. So etwas ist 2010 schon einmal versucht worden, zwischen Franzosen und Amerikanern. Damals hatten der französische Auslandsnachrichtendienst und die CIA ein Abkommen fertig ausgehandelt. Es ist dann am persönlichen Widerstand von Obama im Weißen Haus gescheitert. Das heißt aber, dass es politisch möglich ist und auf der politischen Agenda stehen kann.
Wann wäre ein guter Zeitpunkt, so ein Abkommen auszuhandeln?
Dazu gibt es jetzt eine historische Chance. Viele fordern, das an die Verhandlungen über dasFreihandelsabkommen zu koppeln. Das ist ein Druckmittel, weil die Amerikaner dieses Freihandelsabkommen unbedingt haben wollen. Außerdem gibt es im Augenblick ein besonders günstiges Umfeld, weil die NSA-Affäre mittlerweile auch in Frankreich Wellen der Empörung hervorruft. Und das stärkt natürlich die Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Europäischen Union.
Wären auch deutsche Geheimdienste in der Lage, fremde Staatschefs abzuhören?
Die Frage zielt auf die Möglichkeiten des BND [Bundesnachrichtendienst]. Der BND ist ein technisch sehr guter Nachrichtendienst, weil er eine entsprechende technologische Basis in der Bundesrepublik Deutschland hat. Es gibt viele deutsche Spitzenfirmen, die in der Abhörtechnologie Hervorragendes leisten. Er hat jedoch eine ganz stramme politische Vorgabe, die das gar nicht erlaubt. Der BND konzentriert sich auf die Kernaufgaben: Bekämpfung des internationalen Terrorismus, Unterstützung von militärischen Operationen der Bundeswehr, Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Aber er spioniert nicht verbündeten Regierungen hinterher.
Der Publizist Erich Schmidt-Eenboom ist als Geheimdienstexperte bekannt und wurde von der Wochenzeitung "Die Zeit" als "Überwacher der Überwacher" bezeichnet. Er ist Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Bayern.
Das Gespräch führte Carla Bleiker.