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Kommentar: Minimal-Konsens beim Spionage-Gipfel

Bernd Riegert25. Oktober 2013

Spionage unter Freunden ist nicht ungewöhnlich, nur beim Regierungschef hört der Spaß auf. Dank europäischer Uneinigkeit müssen die USA keine Konsequenzen fürchten, meint Bernd Riegert.

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Das ist der Stoff aus dem Agententhriller gemacht werden: Merkel und Hollande in geheimer Mission in der Hauptstadt des mächtigsten Mannes der Welt. Was wusste Obama? Wann wusste er es? Und warum hat er es getan? Die abgehörte Kanzlerin und ihr Gehilfe ringen den eigentlich befreundeten Bösewichten in Amerika ein Abkommen über gesittete Umgangsformen der Geheimdienste ab. Dieses Szenario wird wohl Fiktion bleiben.

Riegert, Bernd Deutschland/Chefredaktion REGIONEN, Hintergrund Deutschland. Bernd Riegert war am 11. September 2001 DW-Korrespondent in Washington, D.C., USA. DW3_8228. Foto DW/Per Henriksen 19.04.2013
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Was kommt wirklich? Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident werden bei den auf dem EU-Gipfel beschlossenen Gesprächen mit Washington versuchen, ein wenig Transparenz zu erreichen. Öffentlich ausgehandelte Abkommen, was Geheimdienste auf beiden Seiten des Atlantiks dürfen, wird es nicht geben. Das widerspräche der Natur der Sache. Der Sinn eines Geheimdienstes ist es ja, dass er Dinge tun kann, die im Zielland illegal sind. Ausdrücklich sprechen die beiden Aufklärer nicht für die Europäische Union. Eine gemeinsame Haltung aller Europäer gibt es nicht, trotz einer wolkigen Erklärung, um die auf dem EU-Gipfel stundenlang gerungen wurde. Dort heißt es nur, die Amerikaner seien gute Freunde und man sei besorgt. Kritik oder gar eine Schuldzuweisung sucht man vergebens.

Europa ist nicht zuständig für Merkels Handy

Das liegt vor allem daran, dass die europäischen Geheimdienste und damit auch viele Regierungen von der Späharbeit von NSA und CIA profitieren. Die Zusammenarbeit der Dienste zum Zwecke der Gefahrenabwehr will man nicht gefährden, nur weil vielleicht das ungesicherte Privathandy der Bundeskanzlerin abgehört wurde. Der britische Premier Cameron, dessen Geheimdienste besonders eng mit den USA kooperieren, hat eine härtere Sprache der EU verhindert. James Bond, der Prototyp des britischen Agenten, lässt grüßen. Geheimdienstarbeit wird von den EU-Mitgliedsstaaten als nationale souveräne Angelegenheit angesehen. Die EU hat da keine Kompetenzen. Jeder kämpft für sich allein.

Die Aufregung in Brüssel ist zudem ein wenig scheinheilig. Nur weil jetzt eine Spitzenpolitikerin persönlich betroffen ist, werden Missionen in Freundesland entsandt. Seit Monaten ist klar, dass die US-Geheimdienste millionenfach Daten von europäischen Bürgern, in Deutschland, Frankreich und anderswo anzapfen. Viel zu lange hat die Bundeskanzlerin das Problem ignoriert, bis es endlich in ihrer eigenen Handtasche angekommen ist.

Keiner kann wirklich überrascht sein

Dabei ist allen Geheimdienstexperten klar, dass auch die europäischen Dienste im befreundeten und feindlichen Ausland aufklären, ausspähen, abhören. Unter den amerikanischen und europäischen Schlapphüten werden diese Erkenntnisse zur Terrorabwehr dann ausgetauscht. Dafür ist nach den Terroranschlägen in den USA und Europa bei Paris extra ein Verbindungsbüro geschaffen worden. Durch den Austausch umgehen die Dienste elegant die gesetzlichen Beschränkungen, denen sie im eigenen Land unterliegen.

Verlorenes Vertrauen müsse jetzt wieder hergestellt werden, so tönten die Bundeskanzlerin und viele EU-Spitzen in Brüssel. Freunde dürften nicht ausspioniert werden. Das ist eine relativ naive Auffassung, denn dass die Dienste auch in befreundeten Staaten aktiv sind, ist ein seit Jahrzehnten bekannter Vorgang. Viel mehr sollten sich die europäischen Spitzenpolitiker sorgen, was denn potenzielle Gegner, wie China, Iran oder Russland in Europa alles ausspähen. Dort kann wirklich Schaden entstehen. Welche Erkenntnisse sollten die USA durch das Abhören von Merkels Parteigeplauder auf ihrem CDU-Handy gewinnen? Da stimmt wohl eher, was US-Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Deutschland gesagt hat: Wenn er wissen wolle, was Angela Merkel denke, dann werde er sie einfach anrufen und nicht die NSA fragen.

Merkels Mission wird Beziehungen nicht stören

Die Europäische Union wird weder das Swift-Abkommen zum Austausch von Bankdaten kündigen noch die Gespräche über Freihandel aussetzen. Das ist auch richtig so, denn erst diese drastischen Reaktionen würden die Beziehungen zu den USA wirklich nachhaltig schädigen. Merkel und Hollande sollten bei ihrer "Mission impossible" in Washington darauf drängen, dass die Aktivitäten der NSA auf ein vernünftiges Maß reduziert werden. Das Abhören von Angela Merkel, wenn es denn stattgefunden hat, ist überflüssig. Es ist wahrscheinlich mit dem sportlichen Ehrgeiz von Agenten zu erklären. Nach dem Motto "Yes, we can" haben sie versucht, das Handy der mächtigsten Frau der Welt zu knacken, einfach weil sie technisch dazu in der Lage waren. Viel empörender ist die massenhafte Auswertung von Millionen von Daten normaler europäischer Bürger ohne wirklichen Anlass.