Häme für #Merkelphone
25. Oktober 2013"Ach… Sobald es ums eigene Handy geht, kann #Merkel auch Empörung?" twittert @tshirtfisch. Es finden sich viele solche Kommentare gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Internet. In Foren von Onlinemedien, auf Twitter, Facebook und diversen Blogs wird die CDU-Politikerin mit Spott und Häme überzogen. Gegen sie tobt ein Sturm der Entrüstung im Internet. Der Grund: Merkels große Empörung darüber, dass der US-Geheimdienst möglicherweise ihr Handy ausspioniert hat.
Die ungewohnt deutliche Reaktion der Bundeskanzlerin kam in der deutschen Netzgemeinde gar nicht gut an, weil Merkel zuvor die Ausspähung deutscher Bürger vergleichsweise zurückhaltend zur Kenntnis genommen hatte. So twittert @ChristophStoltz: "Wenn die #nsa uns Deutsche ausspioniert ist das ok. Sobald es um #Merkels Handy geht, ist das völlig inakzeptabel!?"
Blogger erstaunt über Merkels Reaktion
Der Blogger Nico Lumma kann die Aufregung nachvollziehen: "Die Bundesregierung misst mit zweierlei Maß: Die systematische Überwachung aller Bürger ist völlig egal. Aber jetzt, wo der Verdacht da ist, dass Merkels Handy abgehört wird, werden sofort alle Register gezogen", sagt er im Gespräch mit der DW. Die Einbestellung des Botschafters und die öffentliche Missbilligung, die Merkel jetzt zeigt, hätte er schon viel früher erwartet. "Das ist auch unverständlich, dass eine Affäre erst durch den Kanzleramtschef für beendet erklärt wird und dann auf einmal Aktionismus ausbricht. Das wird natürlich im Netz entsprechend kommentiert."
Ähnlich äußert sich auch Journalist und Blogger Holger Schmidt: "Es war schon erstaunlich, wie sehr Angela Merkel das heruntergespielt hat. Umso erstaunlicher ist jetzt die große Welle, die gemacht wird. Es scheint so, dass wenn es sie persönlich betrifft, ist es auf einmal doch ein wichtiges Thema."
Affäre schon für beendet erklärt
Noch im Juli hatte die Bundeskanzlerin gesagt: "Mir ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde". Das war kurz nach den ersten Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Und einen Monat später hatten Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den NSA-Spähskandel für beendet erklärt. Es habe "viel Lärm um falsche Behauptungen gegeben", sagte Friedrich damals.
Aber jetzt - Monate nach den ersten Enthüllungen Snowdens - sieht das anders aus: Merkel hat die NSA-Affäre zur Chefsache erklärt. Denn inzwischen ist bekannt, dass der US-Geheimdienst möglicherweise nicht nur normale deutsche Bürger, sondern auch das Kanzlerhandy mehrere Jahre lang abgehört hat. Merkel hat sich deswegen schon bei US-Präsident Barack Obama beschwert.
Tweets mal ironisch, mal empört
Auf Facebook und einigen Blogs beliebt ist derzeit eine Fotomontage, die einen laut lachenden Obama zeigt. Darunter stehen die Worte: "Und die Merkel hat echt geglaubt, dass sie die einzige Deutsche ist, die wir nicht überwachen …"
Auf Twitter hat sich längst ein Hashtag für das Thema durchgesetzt. Unter #merkelphone kommentiert die Twittergemeinde das aktuelle Geschehen. Mal ironisch, mal empört, aber immer voll Häme sind die Tweets. So schreibt @Der_Postillon, der für seine satirisch-bissigen Kommentare bekannt ist: "Angela Merkel empört, dass sie von USA behandelt wird, als wäre sie ein deutscher Bürger ...". Und Blogger Sascha Lobo twittert: "Wieso die Aufregung? Obama hatte doch nach acht Jahren Bush versprochen, den internationalen Partnern wieder mehr zuzuhören.“
Warum reagiert die Kanzlerin erst jetzt?
Verständnis für die Empörung Angela Merkels sucht man in den sozialen Medien vergeblich. Auch in Foren journalistischer Onlinemedien und auf Facebook ähneln die Meinungsäußerungen denen auf Twitter. Der Tenor: Warum reagiert die Kanzlerin erst jetzt?
Trotz aller Häme: Für Journalist Holger Schmidt hat die Wiederbelebung der NSA-Affäre auch seine gute Seite: "Das Thema schien im Sand zu verlaufen. Aber jetzt hat es noch den Stellenwert bekommen, den es verdient hat."