Schlag gegen Irans "Soft Power"
25. Juni 2021Mitten in die Wiener Gespräche über die Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran platzte die Mitteilung des US-Justizministeriums: Die US-Regierung hat die Webseiten von 33 staatlichen iranischen Medien beschlagnahmt, außerdem drei Webseiten der mit Iran verbundenen irakischen Miliz Kataib Hisbollah.
Da die iranischen Webseiten bei Domains in US-Besitz angemeldet gewesen seien, seien US-Sanktionen verletzt worden, hieß es zur Begründung in Washington. Unter den betroffen iranischen Medien ist der wichtigste arabischsprachige Nachrichtensender Al-Alam sowie der ebenfalls reichweitenstarke englischsprachige Sender Press TV.
Alle 33 Webseiten gehören zur Iranischen Islamischen Radio- und Fernsehunion (IRTVU), die wiederum von den Al-Kuds-Brigaden der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) kontrolliert werden. Sowohl IRTVU als auch die Revolutionsgarden stehen auf der US-Sanktionsliste. Das bedeutet: US-Bürger und US-Unternehmen sowie ausländische Firmen mit US-Interessen dürfen keine Geschäfte mit ihnen machen.
Signal aus Washington an Teheran
"Schon lange wird in den USA über die Sperrung der Propagandamedien des Iran diskutiert", sagt der an der New York University forschende Nahost-Experte Arash Azizi gegenüber der DW. Er beobachtet arabisch-sprachige Nachrichtenportale, die von der islamischen Republik gesteuert werden. "Der Iran hat Hunderte, wenn nicht Tausende kleiner und großer Nachrichtenportale in verschiedenen Formaten. Warum ausgerechnet jetzt diese 33 Websites gesperrt wurden, kann meiner Meinung nach zwei Gründe haben: Erstens, die US-Regierung brauchte bis jetzt Zeit, um rechtliche Schritte wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen einzuleiten. Zweitens, sie will zeigen, dass sie im Umgang mit dem Iran unabhängig von den Atom-Verhandlungen einen klaren Kurs fährt und eine destruktive Rolle Irans in der Region nicht duldet."
Die vom Iran gesteuerte Portale unterstützten vor allem die sogenannte "Achse des Widerstands" in der arabischen Welt, welche die Zerstörung Israels anstrebe, fügt Azizi hinzu. Er ist der Autor des Buchs "The Shadow Commander" über den iranischen General Kassem Soleimani und die regionalen Ambitionen Irans. Soleimei, der im Januar 2020 bei einem US-Raketenangriff in Bagdad getötet wurde, war der Kommandeur der Al-Kuds-Brigaden.
Letztere sind für die Umsetzung der militärischen und politischen Interessen des Irans in den arabischen Nachbarländern zuständig. Soleimani konnte dort bei Bedarf rasch schiitische Milizen mobilisieren, auch dank der medialen Arbeit im Hintergrund. Wie viel Geld die Al-Kuds-Brigaden für ihre Propagandamedien zu Verfügung hat, ist schwer herauszufinden. Sie unterstehen direkt dem religiösen Führer und haben Zugang zu den iranischen Öleinahmen.
Vielfältige Propaganda-Aktivitäten
Nach Azizis Einschätzung hat die Popularität einiger iranischer Nachrichtenportale in den letzten Jahren abgenommen: "Zum Beispiel in Libanon, wegen der dortigen Proteste der Bevölkerung gegen die (vom Iran unterstützte) Hisbollah, oder im Irak nach dem Volksaufstand oder in Syrien wegen der iranischen Militäroperationen. Aber sie spielen immer noch ihre Rolle und sind sehr produktiv", hat Azizi beobachtet.
"`Al-Alam´ zum Beispiel veröffentlichte täglich Hunderte von Nachrichten, an einem Tag manchmal fünfzig nur über den Irak oder den Libanon. Dort erhalten Statements von politischen Persönlichkeiten und Gruppen, die dem Iran nahestehen, prominenten Raum. Gleichzeitig versuchen die iranischen Portale solche Medien, die nicht von Teheran gesteuert werden, aber mit der politischen Linie Teherans sympathisieren, zu beeinflussen, zum Beispiel die Zeitung `Al-Akhbar´ die in Beirut erscheint. Weiteres Beispiel sind Medien der kommunistischen Gruppe `Volksfront zur Befreiung Palästinas‘ oder anderer nicht-religiöser Gruppen, die sich als antiimperialistisch definieren."
Frühere Sperrungen durch Google und Facebook
Es ist nicht das erste Mal, dass iranische Webseiten von den USA gesperrt wurden. Im Oktober 2020 hatten die USA 92 Domains iranischer Webseiten wegen der Verbreitung von Falschinformationen beschlagnahmt. Auch sie hatten Verbindungen zu den iranischen Revolutionsgarden.
Der Internetkonzern Google hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Maßnahmen gegen iranische Medien ergriffen. Ende März 2021 wurde zum wiederholten Mal der Zugang des englischsprachigen Senders "Press TV" zu seinem offiziellen YouTube-Kanal ohne vorherige Ankündigung blockiert. Kurz vorher hatte Facebook vorläufig den "Press TV"-Account gesperrt.
Diesmal sind die Domainnamen mit den Endungen ".net", ".com" und ".tv" betroffen. Die Webseite von „Press TV" mit Sitz im Iran, PressTV.ir, ist nicht betroffen. Die iranische Regierung verurteilte die Sperrung der Webseiten und warnte vor negativen Auswirkungen auf die Atomverhandlungen. In Teheran überlegt man sich seit langem, Server zu verwenden, die außerhalb der rechtlichen Kontrolle der USA liegen.