Schein oder Sein, das ist hier die Frage
1. Februar 2016So richtig versteht auch in den USA kaum jemand, wie ein Caucus abläuft, was der Unterschied ist zu den Primaries, und worin sich die Regeln der Republikaner von denen der Demokraten bei den Vorwahlen unterscheiden. Jeder Amerikaner aber weiß, dass es die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire sind, von denen die Zukunft der Männer und Frauen abhängt, die darum kämpfen, von ihrer jeweiligen Partei zum Präsidentschaftskandidaten gemacht zu werden.
Für jemanden, der nicht mit diesem System groß geworden ist, ist es kaum zu verstehen, warum ausgerechnet Iowa eine solche weltweite Bedeutung zukommt. Diesem kleinen Bundesstaat, in dem nur ein Prozent der Gesamtbevölkerung der USA leben, es vier Mal so viele Schweine wie Menschen gibt und jeder fünfte amerikanische Maiskolben gezüchtet wird. Dort wird am 1. Februar der offizielle Kampf um die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten eröffnet.
Kleine Vorwahlen mit großer Bedeutung
Es ist eine nahezu philosophische Frage, warum diese ersten Vorwahlen eine solche Rolle spielen. Sind sie so wichtig, weil sie schon so oft den Trend des gesamten Vorwahlkampfes vorweggenommen haben? Oder sind sie so wichtig, weil die Entscheidungen der Menschen, die sich beteiligen, so wichtig genommen werden und deshalb den Trend der nächsten Monate bestimmen?
Für die Spitzenkandidaten ist klar: Wer in diesem bizarren Wahlkampf 2016 nicht von Anfang an bei den Bürgerabstimmungen punktet, wird das später kaum mehr aufholen können. Und wenn in keinem der beiden Staaten eine Nominierung gewonnen wird, kann das auch für einen der Top-Kandidaten ein jähes Ende bedeuten. Warum ist das so?
Den Wähler gewinnen
In diesen Vorwahlen müssen die Kandidaten zeigen, dass sie auch tatsächlich wählbar sind. Dass sie nicht nur in der Lage sind, Millionen Dollar zu sammeln und gewichtige Unterstützer auf ihre Seite zu bringen, sondern letztlich die Wählerinnen und Wähler auch gewinnen können. Dass sie eben nicht nur bei den Umfragen siegen können, sondern bei den Menschen. Sie müssen also zeigen, dass sie die Erwartungen, die sie geweckt haben, auch tatsächlich erfüllen können: Nicht nur Schein eben, sondern Sein. Das spielt in diesem großen Medientheater womöglich die größte Rolle.
Die Trump-Show kommt nicht überall an
Diese Erwartungen sehen bei jedem Kandidaten naturgemäß ein wenig anders aus. Fangen wir mit Donald Trump an: Seit über einem halben Jahr bestimmt er die mediale Wahrnehmung der Republikaner. Allen Kommentatoren zum Trotz und unabhängig von seinen verstörenden Auftritten: Er beherrscht die Schlagzeilen. Glaubt man den Umfragen, lieben ihn die Menschen, weil er es verstanden hat, sich als unabhängigen Außenseiter zu positionieren. Als einer, der nicht korrumpierbar ist. Dem man glauben will. Und der vor allen Dingen ein Mann ist, der weiß, wie man gewinnt.
Und genau das könnte ihm in Iowa zum Verhängnis werden. Iowa ist klein, sehr weiß, sehr religiös. Die Menschen sind Farmer und glauben an Gott und nicht so sehr an selbstgefällige, schlüpfrige Witze. Gut möglich, dass sie der Trump-Show nicht verfallen. Und dass auch Sarah Palin, die der Multi-Millionär aus New York jüngst aus dem Hut gezaubert hat, um die religiöse Arbeiterklasse zu gewinnen, nicht verfängt.
Was dann? Was macht einer, der allein auf seinen Gewinnerstatus setzt, wenn er verliert? Wirft er hin? Zuzutrauen ist ihm das. Auch werden seine parteiinternen Gegner diese Wunde zu nutzen wissen. Das republikanische Establishment hasst ihn so sehr, dass sogar der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg eine mögliche Kandidatur öffentlich in Erwägung zieht, wenn Donald Trump die Nominierung der Republikaner gewinnt und Bernie Sanders die der Demokraten.
Und die Demokraten?
Sanders ist die Provokation auf der anderen Seite des Spektrums. Noch vor wenigen Wochen schien es undenkbar, dass dieser unbekannte, selbsternannte Sozialist tatsächlich eine ernsthafte Chance haben könnte gegen das Imperium Clinton, jetzt mit Hillary an der Spitze. Glaubt man den Umfragen, scheint aber genau das möglich.
Was würde das für Clinton bedeuten, wenn tatsächlich Sanders in Iowa gewinnt? Ihm also genau das gelingt, was Barack Obama 2008 geschafft hat. Dessen Berater später selbst sagten, dass dieser Sieg die Grundlage war für seine spätere Nominierung. Weil eben der Gewinner all die Aufmerksamkeit und positive Berichterstattung bekommt. Und für den Verlierer eben nur Häme bleibt und die große Frage: Kann er oder sie es am Ende wirklich schaffen, wenn es darauf ankommt, wenn also die Wähler selber wählen und nicht der Apparat?
Diese Zweifel sind Gift für die Geldgeber, für die Unterstützer und letztlich auch die Unentschiedenen. Die Geschichte ist voller Beispiele mit Menschen, die im Zweifel ihre Gesinnung opfern, um an der Seite des Gewinners zu stehen.
Selten war der Auftakt eines Wahlkampfes so aufgeladen und spannend. Und noch nie war das moderne Amerika so gespalten. Bernie Sanders auf der einen und Donald Trump auf der anderen Seite sind die Gesichter dieser Extreme.