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EU tut sich schwer mit Sanktionen

Bernd Riegert, Brüssel24. Juli 2014

Gedroht hatte die EU-Außenbeauftragte Ashton mit härteren wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Doch diese Entscheidung wurde wieder vertagt. Die EU geht weiter den Weg der kleinen Sanktionsschritte.

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Catherine Ashton
Catherine Ashton: Sanktionen vertagtBild: Reuters

Die komplizierte Entscheidungsfindung der Europäischen Union bei der Verschärfung von Sanktionen gegen Russland zu erläutern und zu verstehen wird immer schwieriger. Selbst die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten hatte bei der täglichen Pressekonferenz in Brüssel ihre liebe Mühe damit. Am Dienstag (22.07.2014) hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton noch entschlossen angekündigt, dass am Donnerstag über härtere wirtschaftliche Sanktionen von den EU-Mitgliedsstaaten entschieden werden solle.

Sie hatte außerdem davon gesprochen, dass der EU-Ratspräsident ebenfalls am Donnerstag verkünden werde, ob ein weiterer EU-Sondergipfel zur Ukraine-Krise nötig sei. Als der Tag gekommen war, wollte die Pressesprecherin von Lady Ashton all das dann so doch nicht gehört haben. Es gehe lediglich um die Diskussion von Vorschlägen für Sanktionen. Von einer Entscheidung sei nicht die Rede gewesen, so Maja Kocijancic, bemüht ihre Chefin zu interpretieren. Die äußerte sich nicht.

Entscheidungen nächste Woche, vielleicht

Die Drohungen vom Dienstag an die Adresse Moskaus sind erst einmal verpufft - beziehungsweise vertagt. "Diese Diskussion wird nächste Woche weitergehen", sagte Jonathan Todd, der Sprecher der EU-Kommission. Das heißt im Klartext: Die EU-Botschafter, die in dieser Woche diskutieren, werden auch nächste Woche weiter diskutieren. Erst nach einer Abstimmung mit den 28 Hauptstädten der Mitgliedsstaaten soll es dann konkreter werden, aber nicht so schnell, meinte Jonathan Todd: "Sobald die Mitgliedsstaaten im Rat entschieden haben, wie sie weiter vorgehen wollen und was sie machen wollen, wird die EU-Kommission Gesetzesvorschläge unterbreiten. Diese rechtlichen Vorschriften würden dann von den Mitgliedsstaaten im vorgesehenen Verfahren erlassen werden."

Symbolbild Beziehungen Russland EU
Drohungen der EU an Moskau - erstmal verpufftBild: picture-alliance/dpa

Ob zu dieser Rechtssetzung, also dem Erlass von neuen Sanktionen gegen Russland, ein erneutes Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel notwendig ist, müssten diese selbst entscheiden, teilten die Sprechern der EU-Kommission mit. Das höre sich so an, als könne es noch ein, zwei Wochen dauern bis es konkreter werde, meinten EU-Diplomaten. So habe Russland Zeit, vielleicht doch noch einzulenken und die Forderungen des Westens, etwa nach einer Schließung der Grenze zu den Separatistengebieten in der Ukraine, zu erfüllen.

Finanzmärkte, Hochtechnologie, Waffen

Über was diskutieren die EU-Botschafter, also die Vertreter der Mitgliedsstaaten, jetzt? Die EU-Kommission hat eine Liste mit Sanktionen vorgelegt, die verschiedene Bereiche der russischen Wirtschaft hart treffen könnten. Dazu zählen ein Waffenembargo, Beschränkungen des Zugangs zum internationalen Kapitalmarkt, Exportbeschränkungen für Technologie im Energiebereich und das Verbot von Exporten aus Europa für sogenannte Dual-Use-Güter. Das sind Maschinen und Waren, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Dazu zählen zum Beispiel normale Lastwagen, die auf dem Bau, aber auch zum Transport von Geschützen verwendet werden könnten. Der genaue Umfang der Liste wird nicht veröffentlicht. Die EU-Mitgliedsstaaten sind jetzt vor allem darum bemüht, den wirtschaftlichen Schaden, der für die europäischen Unternehmen entsteht, möglichst fair zu verteilen und mögliche russische Gegenmaßnahmen abzuschätzen.

Der Export von Waren und Dienstleistungen der gesamten EU nach Russland beträgt rund 120 Milliarden Euro jährlich. Davon entfallen auf Deutschland 36 Milliarden Euro. 250.000 bis 300.000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben von Wirtschaftsverbänden direkt am Russland-Geschäft.

Geschäfte mit Russland gehen bereits zurück

Die deutsche Wirtschaft werde allein durch die bereits wirksamen Sanktionen gegen Einzelpersonen und einzelne Unternehmen einen Rückgang der Geschäfte mit Russland um vier Milliarden Euro verzeichnen, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, in Brüssel. Auftragseingänge aus Russland gingen bereits zurück. Neue Sanktionen im Finanzsektor würden Russland am härtesten treffen, glaubt Treier: "Der Versuch über den Kapitalmarkt zu gehen und den notwendigen Zufluss von Finanzkapital in die russische Wirtschaft zu stoppen, ist ein gangbarer Weg. Wenn man glaubt, dass Sanktionen stark sein müssen, viel treffen müssen, damit sie dann politische Reaktionen auslösen." Wirtschaftsfunktionär Treier hat aber erhebliche Zweifel daran, dass wirtschaftliche Sanktionen die russische Führung um Präsident Wladimir Putin dazu bringen würden einzulenken. Die Europäische Union hatte nach dem Abschuss einer Passagiermaschine mit 298 Opfern über der Ost-Ukraine mehrfach betont, Russland tue nicht genug, um den Konflikt zu entschärfen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schien in den letzten Tagen ihre Geduld mit Russland zu verlieren.

Portrait Volker Treier (Foto: DW)
Volker Treier: Welche Sanktionen wirken?Bild: DW/B.Riegert

Nach unbestätigten Medienberichten sollen nicht nur zwei halbstaatliche russische Banken, sondern eine ganze Reihe von Kredithäusern auf der Liste stehen. Ihnen soll verboten werden auf europäischen Finanzmärkten, also in London oder Frankfurt am Main, frisches Geld zu besorgen. Ob russische Vermögen, die auf den britischen Jungferninseln (62 Mrd. Euro) oder auf Zypern (11 Mrd. Euro) lagern, eingezogen werden sollen, ist ungewiss.

Symbolbild Steueroasen British Virgin Islands (Foto: dpa)
Britische Jungfern-Inseln: Hier sollen die russischen Milliarden auf den Konten arbeitenBild: picture-alliance/dpa/Jost Van Dyke

Gezielte Sanktionen gegen Personen werden ausgedehnt

Parallel zur Diskussion um härtere Wirtschaftssanktionen, die von der EU im März so definierten "Stufe 3" haben die EU-Botschafter die Sanktionen der "Stufe 2" ausgeweitet. Personen und Unternehmen, die für den Konflikt in der Ukraine verantwortlich sind oder die pro-russischen Separatisten finanzieren, werden mit weitreichenden Kontosperren und Reisebeschränkungen belegt. Außerdem soll es europäischen Unternehmen verboten werden, mit solchen Firmen oder Personen weiter Geschäfte zu machen. Ob von diesen ausgeweiteten Sanktionen auch der engere Führungskreis um den russischen Präsident Putin anvisiert wird, ist noch unklar.

Die EU ist bemüht ihre Sanktionen mit denen der USA zu synchronisieren, um geschlossen aufzutreten und rechtliche Schwierigkeiten für europäische Unternehmen zu vermeiden. Die könnten nämlich entstehen, wenn die Sanktionen für Geschäfte mit Russland in den USA und der EU unterschiedlich wären.