Sahel: Militärregierungen unter Erfolgsdruck
14. Oktober 2023Aufatmen in Bamako: Das Leben in der malischen Hauptstadt ging an diesem Freitag seinen gewohnten Gang. Bis auf die Präsenz der Soldaten, die auf der Avenue de l'Indépendance verstärkt patrouillierten. Denn hinter der Fassade brodelt es. Schließlich hätte alles ganz anders kommen können: Die Organisation des einflussreichen Imams Mahmoud Dicko, CMAS, hatte zu einem "friedlichen Protestzug" aufgerufen, eine regimenahe Gruppe hatte dagegengehalten - ein perfektes Szenario für Zusammenstöße also.
Streitpunkt ist für Dicko der Umgang der Militärregierung mit den Wahlen, die sie für kommenden Februar angekündigt hatte. "Die Verantwortlichen haben eine leichte Verschiebung der Wahlen beschlossen. Das ist de facto eine Ausdehnung der Übergangsphase", sagte Youssouf Daba Diawara, Koordinator der CMAS (Koordination der Bewegungen, Vereine und Sympathisanten), im Vorfeld der geplanten Proteste. Einen neuen Zeitplan für die Wahlen gibt es nicht. "Wir für unseren Teil wünschen uns, dass ein ziviler Übergang organisiert wird."
Doch kurz nach der CMAS hatte auch die Gruppe CDM (Kollektiv für die Verteidigung der Militärs) einen Protest angemeldet - zeitgleich und auf der gleichen Route. Der Gouverneur von Bamako hatte daraufhin die Aktionen untersagt, die CMAS hat ihrerseits angekündigt, den Marsch zu verschieben.
Gegenwind für Goïta und Co.
Eine Episode, die zeigt: Die Putschistenregierung von Assimi Goïta, jetzt in ihrem dritten Jahr, hat Probleme mit der Langstrecke. "Im Vergleich zu den ersten Stunden der militärischen Übergangsregierung lässt sich sagen, dass die Unterstützung, die die Militärregierung erhält, weniger geschlossen ist", beschreibt Ornella Moderan, Forscherin beim Clingendael Institute für internationale Beziehungen in Den Haag, die Lage. Viel sei seither passiert, interne Konflikte seien zutage getreten.
Auch in den Nachbarländern haben sich die Verhältnisse seit Goïtas Machtübernahme im Mai 2021 verändert: Im darauffolgenden Januar riss das Militär in Burkina Faso die Macht an sich. Niger, das unter Präsident Mohamed Bazoum bis zuletzt gute Beziehungen zu den westlichen Partnern pflegte, steht seit Juli unter der Führung des Putschisten Abdourahamane Tiani.
Die Ohnmacht gegenüber dem Terror
Noch, betont Moderan, deren Forschungsschwerpunkt auf dem Konflikt im Sahel liegt, hätten die Militärregierungen in bestimmten Bevölkerungsschichten weiterhin hohe Beliebtheitswerte. Doch die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, sind groß. Keines der drei Länder steht unter voller Regierungskontrolle. "Die Sicherheitslage ist fragil", sagt in Burkina Faso Lompo Alassane, Koordinator der Zivilgesellschaft in der Provinzhauptstadt Fada N'Gourma im Osten des Landes. "Es gibt Gegenden, die nicht zugänglich sind. Wir können uns nicht über einen bestimmten Radius hinaus von den großen Städten entfernen."
Unterdessen gibt es punktuelle Erfolgsmeldungen. Rund 30 Kilometer nördlich von Fada N'Gourma ist am Mittwochmorgen laut dem nationalen Sender RTB TV ein Angriff von 500 bewaffneten Kämpfern abgewehrt worden. Gleichzeitig meldete der Sender, dass Regierungssoldaten gemeinsam mit freiwilligen Kämpfern "eine große Zahl von Terroristen" getötet hätten, nachdem diese einen militärischen Vorposten ganz im Westen des Landes, an der Grenze zu Mali, angegriffen hätten.
Frankreichs Abzug zur Unzeit
Ständige Konflikte also - und eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht. Auch zahlreiche internationale Truppen, die in der Region präsent waren, seitdem Islamisten vor zehn Jahren auf die Hauptstadt Malis vorrückten, haben im Kampf gegen den Terrorismus keinen Durchbruch gebracht - was in allen drei Ländern zu Protesten führte. Auch der Putsch im Niger im Juli wurde auf den Straßen von anti-französischen Parolen begleitet. Hier hatte sich auch Moussa Tchangari von der Bürgerrechtsorganisation Alternative Espaces Citoyens mehrfach gegen die französische Präsenz zu Wort gemeldet. In diesen Tagen nun hat Frankreich begonnen, seine Truppen aus dem Niger abzuziehen - nachdem schon 2022 der Abzug aus Mali erfolgt war, ebenfalls auf Druck des Regimes.
"Natürlich wird das viele Menschen erleichtern", sagt Tchangari im DW-Gespräch. Doch viele Beobachter fürchten: Nach dem Abzug der französischen Soldaten werde sich die Lage noch verschärfen. Auch Tchangari zeigt sich besorgt angesichts einer neuen Welle von Angriffen im westlichen Niger mit vielen Toten. "Seit die Militärs hier und da die Macht ergriffen haben, hat sich die Lage nicht verbessert. Die Lösung ist also nicht militärisch, es braucht auch eine politische Lösung."
Tchangari betont: "Es geht hier nicht um die Frage, wer unsere Verbündeten sind, mit wem wir zusammenarbeiten." Auch in Mali habe sich schließlich seit dem Abzug der Franzosen die Lage nicht verbessert. Genau das hätten aber die neuen Machthaber versprochen: "Ich habe nirgendwo beobachten können, dass sich die Lage mit der Übernahme der Militärs verbessert hat. Im Gegenteil: Die Sicherheitslage verschlechtert sich in Mali, im Niger, in Burkina Faso!"
Heldensagen und Repression
Und dennoch: Mit seiner Kritik sticht Tchangari aus der allgemeinen Wahrnehmung im Niger heraus. Für Expertin Moderan erklärt sich das durch die Tatsache, dass der Putsch hier noch nicht lange zurückliege: Die Militärregierung profitiere gleichsam noch von einem Vertrauensvorschuss - in Mali hingegen habe die Führung diesen Bonus bereits aufgebraucht.
Doch die Gründe, dass die Putschisten sich noch weitgehend unbeschwert vortasten, gehen für Moderan noch weiter: "Die Übergangsregierungen in den drei Ländern zeichnen sich durch wesentliche Einschränkungen der zivilen Freiheiten aus. Wir konnten viele Fälle beobachten, wo Journalisten festgenommen wurden, kritische Medien verboten wurden." Alle Personen, die die öffentliche Darstellung hinterfragten, müssten damit rechnen, öffentlich an Pranger gestellt, des "Anti-Patriotismus" beschuldigt oder gar juristisch belangt zu werden. In Mali sorgte gerade der Fall von Adama Ben Diarra für Aufsehen. Der Anführer der Bewegung "Yerewolo" wurde erst vor Kurzem zu zwei Jahren Haft verurteilt, davon eines auf Bewährung. Er hatte zuvor die Rückkehr zu einer zivilen Regierung gefordert.
Die Informationen, die in der Region verbreitet würden, entsprächen daher meist der positiven Lesart der Regierungen. In Mali würden militärische Erfolge verkündet, die an "Heldensagen" erinnerten, sagt die Expertin. Daneben attestiert sie in den drei Ländern eine weitere Strategie: "Das ist eine Verschwörungstheorie, die besagt, dass die ehemaligen Partnerländer, insbesondere Frankreich, die bestehenden Gruppen bewaffnen würden, um ein Scheitern der Übergangsregierungen herbeizuführen und so zu beweisen, dass Frankreich und seine Partner unabkömmlich seien." Zurzeit lasse sich diese Verschwörungstheorie in den offiziellen Diskursen im Niger beobachten. Mali habe sich mit solchen Argumenten schon an den UN-Sicherheitsrat gewandt. Beweise seien indes nie geliefert worden.
Mitarbeit: Mahamadou Kane (Bamako)