Russlands Wirtschaft leidet, deutsche Unternehmen auch
9. September 2014Wie wirken sich die Wirtschaftssanktionen auf das Geschäftsklima in Russland aus? Diese Frage hat die deutsch-russische Auslandshandelskammer ihren Mitgliedsunternehmen in einer repräsentativen Umfrage gestellt. Obwohl nur 38 Prozent der Unternehmen antworteten, dass sie von den beiderseitigen Sanktionen direkt betroffen sind, gaben mehr als die Hälfte der Firmen, nämlich 58 Prozent an, dass sich der Konflikt in der Ukraine direkt auf ihre Geschäfte auswirkt.
Für Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag ist das ein deutliches Ergebnis. So lange seien die Strafmaßnahmen bekanntlich noch nicht in Kraft. "Die Sanktionen werden erst über die Wegstrecke ihre volle Wirkung – die wir ja auch beklagen – entfalten, so dass es nicht bei diesen 58 Prozent bleiben wird." Laut DIHK ist der zumeist mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau besonders stark betroffen. Und zwar nicht nur durch die verhängten Sanktionen, sondern auch durch die offensichtlich nicht sehr genau formulierte Anwendung der verschärften Ausfuhrbestimmungen.
Es herrsche eine große Unsicherheit darüber, was nun genau durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigt werden müsse und was nicht. "Eigentlich wollte man gewisse Produkte in der Erdölexploration sanktionieren, hat dann aber ganze Warengruppen unter die Sanktionierung gestellt. Dadurch müssen heute etliche Pumpenhersteller oder Automobilproduzenten, die nach Russland liefern wollten und diese Pumpen in ihren Produkten haben, zum BAFA rennen, obwohl diese Pumpen nun wirklich nichts mit dieser Erdölexploration zu tun haben." Das Amt unternehme aber erhebliche Anstrengungen, um die Genehmigungspflichten mit möglichst wenig Bürokratie durchzuführen, nimmt Treier die Behörde in Schutz.
Sanktionen sind schlecht fürs Geschäftsklima
Grundsätzlich habe die Wirtschaft sogar Verständnis für die politischen Strafmaßnahmen, wenn auch eine große Mehrheit sie nicht nur für geschäftsschädigend, sondern auch für ungeeignet hält. Lediglich ein Fünftel der von der deutsch-russischen Auslandshandelskammer Befragten geht davon aus, dass Russland aufgrund der Sanktionen politisch einlenken wird. 78 Prozent gehen nicht davon aus und erwarten stattdessen, dass sich das Land von Europa abwenden und auch wirtschaftlich stärker auf China, Korea und Japan konzentrieren wird.
Anzeichen dafür gebe es bereits, stellt der Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer, Rainer Seele, fest. "Wir erleben sehr deutlich in Russland, dass Aufträge an unsere Firmen entweder nur verzögert erteilt werden, oder mit einem höheren bürokratischen Aufwand. Teilweise werden sie auch auf Eis gelegt und wir beobachten, dass ein hohes Auftragsvolumen nicht mehr nach Deutschland, sondern an unsere Wettbewerber insbesondere aus Asien geht."
Exportwirtschaft leidet
Das ist bitter für die deutschen Unternehmen, denn bislang war Deutschland im industriellen Bereich der wichtigste russische Handelspartner in Europa. Der DIHK rechnet damit, dass die Exporte nach Russland in diesem Jahr um 20 Prozent einbrechen werden. Den sich daraus ergebenden Verlust beziffert DIHK-Geschäftsführer Volker Treier auf sieben Milliarden Euro. Wenn man den Ukraine-Handel dazu nehme, werde der Rückgang Ende des Jahres sogar bei rund zehn Milliarden Euro liegen und die Exportwirtschaft rund ein Prozent Wachstum kosten.
Hoffnungen setzt die Wirtschaft in die politische Zusage, die Sanktionen seien befristet und man wolle die Tür offen halten, um zu einer gemeinsamen Lösung zu finden. "Eine Zukunft ohne deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen ist aus unserer Sicht kaum vorstellbar und das ist im Übrigen auch ein Ergebnis der Befragung", betont Treier. So sind dreiviertel der Unternehmen trotz aller Probleme nach wie vor überzeugt, dass der russische Markt perspektivisch sehr attraktiv ist. Wer nicht von den Sanktionen betroffen ist, erwartet in diesem Jahr sogar ein gleichbleibend gutes oder besseres Russland-Geschäft.
Wie sich das tatsächlich entwickeln wird, bleibt aber abzuwarten. Beim DIHK ist man sich sicher, dass die Sanktionen zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin durch die Rubel-Abwertung und die konjunkturelle Schwäche angespannten wirtschaftlichen Situation führen werden. Sollte Russland in eine Rezession rutschen, dann sähen sich auch viele deutsche Unternehmen gezwungen, Projekte zu stornieren, Kurzarbeit einzuführen und Mitarbeiter zu entlassen. Russland den Rücken kehren, das könnten sich allerdings gerade einmal acht Prozent der befragten Unternehmen vorstellen.