Russen demonstrieren wieder für Nawalny
14. Februar 2021Mit abendlichen Lichter-Spaziergängen haben Menschen in Russland ihre Solidarität mit dem inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny zum Ausdruck gebracht. Die ersten Bilder, die Nawalnys Team in den sozialen Netzwerken veröffentlichte, zeigten Protestierende im äußersten Osten des Landes, wo es aufgrund der Zeitverschiebung schon mehrere Stunden früher dunkel war als in der Hauptstadt Moskau. In der sibirischen Stadt Irkutsk formten Menschen mit Leuchten das Wort "Freiheit", andernorts legten sie mit Teelichtern Herzen in den Schnee oder hielten einfach Taschenlampen in die Höhe.
Liebe ist stärker als Angst
Nach den Massenprotesten mit mehr als 11.000 Festnahmen in den vergangenen Wochen hatte sich Nawalnys Team dieses Mal bewusst für eine dezentrale und ungefährlichere Form des Protests entschieden. "Liebe ist stärker als Angst" lautete - passend zum Valentinstag - das Motto. In Tomsk, wo Nawalny im August Opfer eines Giftanschlags geworden war, projizierte jemand diese Worte groß an die Wand eines Hochhauses. In Wladiwostok sagte ein Mann sie zu seiner Partnerin - und machte ihr dann einen Heiratsantrag.
In der Stadt Kasan an der Wolga nahmen Polizisten laut der Bürgerrechtsorganisation OWD-Info nach einer genehmigten Kundgebung gegen politische Repressionen neun Menschen fest.
Frauen solidarisieren sich mit Julia Nawalnaja
In Moskau und St. Petersburg hatten Hunderte Russinnen bereits am Nachmittag Menschenketten gebildet, um ihre Solidarität mit Nawalnys Frau Julia zum Ausdruck zu bringen, die nun voraussichtlich jahrelang von ihrem Mann getrennt sein wird. Die Aktion, bei der Teilnehmerinnen unter anderem Schilder mit Herzen hochhielten, war auch allen politischen Gefangenen gewidmet. Auf dem Arbat, der Flaniermeile in Moskaus historischem Zentrum, stellten sich rund 300 Frauen zu einer langen Menschenkette auf. In den Händen hielten sie ein langes weißes Band.
Nawalny selbst sendete seiner Frau auf Instagram einen Valentinstagsgruß. "Ich liebe dich", stand dort unter einem Bild, das die beiden gemeinsam zeigt. Julia Nawalnaja reagierte prompt und postete ein Foto, auf dem sie und Alexej mit einigem Abstand voneinander auf einer Bank sitzen und die Hände nacheinander ausstrecken. "Ich bin nicht traurig, ich weiß, dass alles gut werden wird", schrieb sie dazu.
Der Oppositionsführer war vor knapp zwei Wochen in einem im Westen heftig kritisierten Prozess zu einer dreieinhalbjährigen Straflagerhaft verurteilt worden. Er soll gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von dem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, so dass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten im Straflager ausgehen.
Nawalnys Inhaftierung hatte russlandweite Proteste mit Zehntausenden Teilnehmern ausgelöst. Außerdem wollen die EU-Außenminister am 22. Februar über weitere Sanktionen gegen Russland beraten.
Putin: Westen instrumentalisiert Nawalny
Präsident Wladimir Putin sieht in den Solidaritätsbekundungen mit Nawalny einen Versuch von Russlands Gegnern, Unzufriedenheit in der Bevölkerung auszunutzen. "Diesen Statisten benutzen sie ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet dann, wenn in allen Ländern der Welt - auch bei uns - Müdigkeit bei den Menschen aufkommt, angestauter Ärger, Unzufriedenheit (...)", sagte Putin bei einem Treffen mit Medienvertretern, das bereits in der vergangenen Woche stattfand und aus dem das Staatsfernsehen nun Ausschnitte zeigte. "Unsere Opponenten oder potenziellen Gegner haben sich seit jeher (...) auf sehr ambitionierte, machthungrige Menschen gestützt und sie immer benutzt", sagte Putin.
Anders als die großen Proteste Ende Januar waren die Taschenlampen-Aktionen nicht offiziell verboten. Dennoch berichteten Nawalnys Mitarbeiter in den Tagen zuvor von Durchsuchungen in mehreren Büroräumen.
as/haz (dpa, afp)