Rheingau Musik Festival zieht positive Bilanz
6. September 2021Spanische Melodien in einer lauen Sommernacht: Mit einem solchen Konzert konnten die Veranstalter zum Abschluss des Rheingau Musik Festivals nichts verkehrt machen. Die junge spanische Sologeigerin María Dueñas begeisterte das Publikum bei Pablo de Sarasates "Carmen Fantasie" mit rasantem und präzisem Spiel. Bei ihrem Temperament verlor sogar der Geigenbogen einige Rosshaare. Begleitet wurde sie von der "Deutschen Radio Philharmonie" unter der Leitung des finnischen Dirigenten Pietari Inkinen.
Das Rheingau Musik Festival, dessen Medienpartner die DW ist, ist mit Klassik, Pop und Jazz-Musik über mehrere Wochen hinweg eins der größten Festivals dieser Art in Europa. Erleichtert waren die Veranstalter, dass trotz Corona insgesamt mehr als 100.000 Gäste und 2800 Musiker aus dem In- und Ausland gekommen waren. "Das hätten wir uns nicht erträumt", sagt der Geschäftsführer des Festivals, Marsilius von Ingelheim, im Gespräch mit der DW. Mit einer Auslastung von 86 Prozent sei das Festival deutlich besser gelaufen als erwartet.
Rührende Momente
Viele Musiker hatten wegen Corona eine lange Zwangspause hinter sich und waren froh wieder auf der Bühne zu sein. "Es gab ergreifende Momente. Da waren Künstler und Orchester dabei, die eineinhalb Jahre nicht aufgetreten sind", sagte Intendant Michael Herrmann bei seiner Ansprache vor dem Konzert im Klosterhof des berühmten Kloster Eberbach.
Die meisten Interpreten waren zweimal an einem Tag vor halbem Publikum aufgetreten. Die Zuschauer saßen im Schachbrettmuster und viele der Konzerte fanden im Freien statt. Auf diese Weise konnten die Künstler überhaupt unter Corona-Bedingungen musizieren. "Was hier geleistet wurde bei 209 Konzerten, die vielen Hygienekonzepte, die erarbeitet wurden, das war eine riesige Aufgabe", sagte Michael Herrmann und bedankte sich bei seinen Mitarbeitern.
Nachdem das Festival im vergangenen Jahr ausfallen musste, hatte sich das Festival-Team verschiedene Konzepte ausgedacht, um Corona zu trotzen. Dazu gehörte auch ein eigens gebauter mobiler Konzertsaal, der mit beweglichen Bühnenelementen einen ausgezeichneten Klang ermöglicht. "Es ist nicht nur eine Alternative für die Coronazeit, sondern ein wirklich stattlicher extra Konzertsaal mit einer optimalen Akustik, der uns auch bei den nächsten Festivals noch begleiten wird", sagt Geschäftsführer Marsilius von Ingelheim.
Musiker und Orchester trotzten Corona
Das Rheingau Musik Festival, 1987 von Michael Herrmann gegründet, bietet eine Mischung aus hochkarätigen Musikern und Nachwuchstalenten. Zu bekannten Künstlern des Festivals zählten dieses Mal etwa Daniel Barenboim am Klavier oder Dirigent Paavo Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, aber auch der Jazzpianist Chilly Gonzales. Die georgisch-französische Pianistin Khatia Buniatishvili war als Artistin in Residenz bei mehreren Konzerten zu hören.
Froh war Geschäftsführer Marius von Ingelheim über die Anreise des "Royal Philharmonic Orchestra". Wegen der verschärften Quarantäneauflagen in Großbritannien sei es nicht einfach gewesen, die Musiker aus Großbritannien nach Deutschland zu holen. Aus Argentinien war das "Astor Piazzolla Quintett" angereist, um den 100. Geburtstag des 1992 verstorbenen Bandoneon-Spieler und Begründer des "Nuevo Tango", Astor Piazzolla, zu feiern. Seit mehr als zwanzig Jahren ist das Quintett das einzige von der Witwe Laura Escalada Piazzolla autorisierte Projekt, das Zugriff auf den riesigen Nachlass des Altmeisters hat.
"Keine Konzerte von der Stange"
Zu den talentierten Nachwuchskünstlern zählt die Solistin des Abschlussabends, die Geigerin María Dueñas. Die 18-jährige Spanierin gewann 2021 den "Menuhin Wettbewerb" und ist bereits weltweit gefragt. Als Solist trat an diesem Abend auch der spanische Gitarrist Pablo Sáinz-Villegas auf. Er spielt mit vielen renommierten Orchestern und hat bereits einige Alben herausgebracht. Mit dem "Concierto de Aranjuez" von Joaquín Rodrigo, das er griffsicher und eindrucksvoll präsentierte, debütierte er auch unlängst bei den Berliner Philharmonikern unter Kirill Petrenko. Er war der erste Gitarrist, mit dem das Orchester nach fast 40 Jahren zusammenspielte.
"Wir haben in diesem Jahr auch viele Höhepunkte im kammermusikalischen Bereich erlebt", sagt Marsilius von Ingelheim. Der Tenebrae Choir aus Großbritannien habe mit Konzerten im Kloster Eberbach "absolute Gänsehautmomente" geboten und werde auch im nächsten Jahr wieder dabei sein. Auch der Cellist Jan Vogler, der vier Beethovensonaten jeweils mit einem anderen Nachwuchspianisten beziehungsweise einer jungen Pianistin spielte, begeisterte das Publikum. "Da haben die Gäste wirklich erlebt, was für eine Spielfreude gerade bei den jungen Musikern wieder erweckt wurde nach dem Jahr der Unterbrechung". Genau das seien die Momente, die das Festival ausmachten, meint von Ingelheim: "Konzerte, die nicht von der Stange sind, sondern bei uns ausgedacht wurden."