Rettung des Atom-Deals zunehmend zweifelhaft
27. August 2021Mit großer Mehrheit wurde Hossein Amir Abdollahian diese Woche als Außenminister im Kabinett des neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi vom Parlament bestätigt. 270 von 286 Abgeordnete stimmten für ihn, die Hardliner, die die Mehrheit im Parlament stellen, sind begeistert von ihm. Abdollahian werden enge Verbindungen zu den Revolutionsgarden nachgesagt. Er vertritt die Haltung, der Dialog mit den USA sei nur aus einer Machtposition heraus zu führen. Was der Iran im "Meidan" erreicht habe, bestimme die Verhandlungen mit den Westen, betonte er in seiner Vorstellungsrede im Parlament. "Meidan", auf Deutsch „Schlachtfeld", bezeichnet im politischen Diskurs des Irans das militärische und diplomatische Operationsfeld der Revolutionsgarden und ihrer Verbündeten in der Region. Im Übrigen wolle er sich vorrangig um die Nachbarländer und die Annährung an asiatische Großmächte kümmern, kündigte Abdollahian im Parlament an.
Machtfülle der Revolutionsgarden
Dabei besteht die größte außenpolitische Baustelle Irans in den Verhandlungen um eine mögliche Rückkehr zum Atomabkommen (JCPoA). Bidens Vorgänger Donald Trump wollte 2018 mit dem einseitigen Ausstieg der USA und erneuten Sanktionen ein "besseres" Abkommen erreichen. Dadurch sollten nicht nur das iranische Atomprogramm noch stärker einschränkt, sondern auch Irans "destruktive" regionale Aktivitäten und sein Raketenprogramm ins Visier genommen werden. Für Irans Einflusssphäre im Nahen Osten und sein Raketenprogramm sind allerdings die unnachgiebigen Revolutionsgarden unter den Hardlinern im Iran zuständig. Die haben nun alle Machtzentren im Iran unter Kontrolle.
Teheran vertritt den Standpunkt, dass zuerst die US-Sanktionen aufgehoben werden müssten, bevor der Iran wieder seine Verpflichtungen aus dem Abkommen erfüllt. Als Reaktion auf Trumps Ausstieg hatte der Iran nach einem Jahr begonnen, schrittweise gegen seine Auflagen aus dem Atom-Deal zu verstoßen. Inzwischen produziert er auf 60 Prozent angereichertes Uran. Von diesem Niveau aus ist der Iran nur noch einen kleinen Schritt von der Produktion von waffenfähigem Uran entfernt.
Forderungen und Gegenforderungen
"Das ist beunruhigend", sagte der US-Sonderbeauftragte für den Iran, Robert Malley, am Donnerstag in einem Gespräch mit dem US-Sender Radio Farda, der in Prag ein persischsprachiges Programm für den Iran produziert. "Was uns beunruhigt, ist, dass der Iran wahrscheinlich wegen einer Fehleinschätzung glaubt, durch die Weiterentwicklung seines Nuklearprogramms und die Steigerung seiner Nuklearaktivitäten von den USA mehr als nur die Rückkehr zum Atomabkommen verlangen zu können. Das wird nicht passieren", betont Malley.
Der Iran verlangt unter anderem die Entfernung der Revolutionsgarden von der US-Terrorliste. 2019 hatten die Regierung Trump die Revolutionsgarden als Terrorgruppe eingestuft. Weiter fordert Teheran, 500 Iraner, die unter anderem wegen ihrer Verbindungen zu den Revolutionsgarden auf der US-Sanktionsliste stehen, müssten von dieser Liste entfernt werden. "Das haben die USA abgelehnt", teilte der iranische Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Kazem Gharib Abadi, Ende Juli mit. In einem Interview auf der Webseite des Büros des religiösen Führers erläuterte Abadi die Vorbedingungen der USA für die Aufhebung der Sanktionen: weitere Gespräche über das Raketenprogramm und die regionalen Aktivitäten des Irans. "Wir haben das abgelehnt. Unser Einfluss in der Region und unser Raketenprogramm sind nicht verhandelbar", fügte Abadi hinzu.
Risiko des Scheiterns
"Sollten die JCPoA-Gespräche scheitern, wird eine regionale Eskalation sehr viel wahrscheinlicher", schreibt die Nahost-Experti Sanam Vakil von der britischen Denkfabrik Chatham House auf Nachfrage der DW. "Wenn die Gespräche in Wien scheitern, wird Israel wahrscheinlich proaktiver werden, und Teheran wird sein Stellvertreternetzwerk verstärkt für Angriffe nutzen, entsprechendfrüheren Mustern."
Die Hardliner gehen davon aus, dass Präsident Biden dringend einen außenpolitischen Erfolg braucht. Gleichzeitig spielen sie auf Zeit und arbeiten weiter intensiv am Ausbau ihres militärischen Atomprogramms. Ist also der mühsam ausgehandelte Atom-Deal von 2015 zum Scheitern verurteilt? Dazu sei es noch zu früh, sagt Iranexperte Trita Parsi vom Washingtoner Quincy-Institut gegenüber der DW. Allerdings: "Je länger die Gespräche dauern, desto schwieriger werden sie. Nicht nur wegen des tiefen Misstrauens auf beiden Seiten: Die USA halten den maximalen Druck der Trump-Regierung aufrecht; und der Iran eskaliert weiter mit seinen nuklearen Aktivitäten." Parsi hält es für denkbar, dass von einem bestimmten Punkt an die Wiederbelebung des JCPoA für das Ziel der Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen als nicht mehr entscheidend angesehen wird. "Doch von einem solchen Punkt sind wir noch weit entfernt. Beide Seiten haben noch Zeit und es ist für alle Beteiligten immer noch strategisch sinnvoll, das Abkommen wiederzubeleben."
Iranexperte Parsi bezweifelt, dass für die schwierigen Atom-Verhandlungen das Außenministerium unter Amir Hossein Abdollahi zuständig bleibt. "So wie es aussieht, wird die Zuständigkeit für das Atomabkommen an den iranischen Nationalen Sicherheitsrat weitergegeben. Aber ob Außenministerium oder Nationaler Sicherheitsrat, die grundlegende Herausforderung bleibt bestehen: beide Seiten fordern zuerst Garantien von der jeweils anderen Seite."
Im Nationalen Sicherheitsrat ist die Regierung nur ein Akteur. Vertreten sind auch jene Teile der islamischen Republik, die unabhängig von Wahlen zentrale Machtfaktoren sind: der religiöse Führer und die Revolutionsgarden.