Hass & Gitarren
15. Dezember 2006Rechtsrock: Seit Jahren ist er ein beliebtes Medium rechter Propagandisten. Eingängige Lieder über Trinkgelage und Schlägereien kennzeichnen diese brutale Spielart des Rock 'n' Roll - vor allem aber rassistisches, antisemitisches und nationalistisches Gedankengut, teils subtil, teils offen geäußert.
Was sich in den Zwischenwelten zwischen Jugendkultur und Rechtsextremismus abspielt, gibt Grund zur Sorge. Öffentliche Aufmerksamkeit genießt das Thema aber selten. Zu Unrecht: Laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) fanden alleine im Jahr 2005 in Deutschland 193 Skinhead-Konzerte statt. Das ist eine Zunahme um rund 40 Prozent im Vergleich zu 2004. In 22 Fällen konnten dem Verfassungsschutzbericht 2005 zufolge die Veranstaltungen im Vorfeld verhindert werden.
Auch die Ergebnisse für 2006 werden kaum besser ausfallen. Auf Anfrage der Fraktion "Die Linke" teilte die Bundesregierung am 20.11.2006 mit, dass 50 rechsextremistische Skinheadkonzerte im zweiten Quartal 2006 stattfanden, von denen die Polizei 14 aufgelöst hat. 11 Konzerte wurden im Vorfeld verboten.
Die Teilnehmerzahl auf solchen Konzerten sei jedoch gering, glaubt Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen in Berlin. "Was Konzerte angeht ist der Markt winzig. Großkonzerte wie in den 90er-Jahren gibt es so gut wie gar nicht mehr." Die Rechten wichen verstärkt nach Skandinavien oder Osteuropa aus, weil man dort einfacher Konzerte organisieren könnte und es weniger Auflagen gäbe, berichtet Farin.
Verfassungsschutz: Alleine in Deutschland 142 Bands
Alleine in Deutschland stehen den Organisatoren dieser Konzerte 142 Bands zur Verfügung. Laut BfV hat sich die Zahl der rechtsextremistischen Skinhead-Musikgruppen, die bei Konzerten auftraten oder einschlägige Tonträger veröffentlichten, 2005 erneut erhöht. Sie liegt bei 142 Bands, 2004 waren es noch 106.
Um die 25 Labels in Deutschland und 75 Vertriebshändler versorgen die rechte Gemeinde mit musikalischem Futter. Wie viele Tonträger alle Nazi-Bands insgesamt produzieren, lässt sich allerdings nicht genau bestimmen. Nach Ansicht von Klaus Farin ist der Markt in den vergangenen Jahren aber stark eingebrochen, weil Rechtsrock übers Internet illegal zu bekommen sei. Da die rechten Bands oftmals wegen verbotener Inhalte nicht klagen könnten, leideten sie noch mehr als alle anderen am Tauschgeschäft im Internet. "Der Markt funktioniert nicht mehr gut. Gleichzeitig ist die Musik aber erfolgreicher als je zuvor", sagt Farin.
Internationale Netzwerke
Internationale Netzwerke sichern und vergrößern den Einfluss des Rechtsrock. Das wichtigste Netzwerk knüpfte der 1993 gestorbenen Sänger der britischen Band "Skrewdriver", Ian Stuart mit der neonazistisches Organisation "Blood & Honour". Ziel der Skinhead-Vereinigung: Vertrieb und Organisation von rechtsextremer Musik verbessern.
Die nationalen Ableger der Organisation, die "Divisionen", organisieren Konzerte und beliefern über ihre Musik-Labels Kunden in aller Welt mit rechter Musik. Mittlerweile gibt es Ableger von "Blood & Honour" in vielen europäischen Ländern sowie den USA und Australien. Die Internetpräsenz der Gruppe verzeichnet alleine 17 solcher "Divisionen" mit Namen und Anschrift, unter anderem in Argentinien, Polen, Russland, den Niederlanden und Serbien. Mit "Combat 18" unterhält die Gruppe auch einen bewaffneten Arm, der in England bereits für mehrere Anschläge verantwortlich gemacht wird.
"Blood & Honour": Musik ist zweitrangig
Dass es "Blood & Honour" nicht nur um um Musik, sondern ganz besonders auch um Ideologie geht, zeigt die Website der "englischen Division": Hier ist sogar "Mein Kampf" in kompletter Übersetzung veröffentlicht, zudem das "Handbuch für den politischen Soldaten". Die Ziele der Organisation werden klar benannt in Kapitel 1 des als "Field Manual" bezeichneten Programms: "National Socialism is the ideology of the national revolutionary movement which Blood & Honour represents. There should be neither doubt nor discussion about it."
Auch in Deutschland agierte die seit dem Jahr 2000 verbotene Gruppe auf vielen Feldern, unterhielt ein Clubhaus, trat zum Beispiel geschlossen bei Demonstrationen in Erscheinung und nutzte eigene Fanzines nicht nur zu Werbe- und Vertriebszwecken, sondern auch zur ideologischen Schulung. Auch wenn sie hierzulande verboten ist, ist davon auszugehen, dass die alten Strukturen immer noch intakt sind. So nannte sich beispielsweise ein "Blood & Honour" - Clubhaus in Berlin Marzahn nach dem Verbot der Gruppe einfach um: in "Bert & Holger".