Wie werde ich Punk? - Mit Musik gegen Rechts
17. Juli 2006In Ostdeutschland sind Skinheads und rechtsorientierte Jugendliche nicht in der Minderheit. Bei den Landtagswahlen in Sachsen 2004 beispielsweise wählte fast jeder vierte Erstwähler die NPD. Ein Grund für das gute Abschneiden ist die kontinuierliche Jugendarbeit, die die rechtsextreme Partei betreibt.
Alles ist cooler als rechts zu sein
Das Archiv der Jugendkulturen e.V. setzt mit dem Projekt "Culture on the Road" die Vielfalt der unterschiedlichen Jugendkulturen entgegen. Egal ob Punk, Hip Hop oder Black Metal - alles ist besser und cooler als rechts zu sein.
Culture on the Road führt seit 2002 bundesweit mobile Projekttage und Fortbildungen durch. Unterstützt vom entimon-Programm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet es in Kooperation mit lokalen Initiativen, Schulen, Ausbildungsstätten, Gemeindezentren und Jugendklubs.
DJ-Schulung an der Förderschule Blankenhain im ostdeutschen Thüringen. Statt über Mathematikaufgaben gebeugt sitzen die Schüler gespannt vor zwei Plattentellern. Peer Wiechmann zeigt Schülern, wie man auflegt und den richtigen Beat findet. "Du nimmst deine Hand, das ist deine Arbeitsfläche und bewegst die Platte hin und her. Versuch das erstmal relativ regelmäßig - hin und her, hin und her -, so dass du einen eigenen Beat erzeugst. Wenn du da Sicherheit hast, spielst du das andere Stück ein und versuchst dann, den Beat darüber zu legen. Du brauchst gar keinen Schwung geben, einfach nach vorne in der Vorwärtsbewegung los lassen."
Jeder kann sich ausprobieren. Der 14jährige Bastian ist voll bei der Sache: "Dadurch, dass ich selber auflege, ist es schon interessant, wenn man mal von jemand Erfahrenerem ein bisschen was Neues erfährt und ein paar Tipps bekommt." Peer Wiechmann beantwortet alle Fragen, zeigt Tricks. Er kennt sich aus, doch er ist kein DJ.
Jugendkulturen haben einen toleranten Ansatz
Peer Wiechmann kommt aus Weimar von der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus. Er hat das Team von Culture On The Road aus Berlin nach Blankenhain geholt. "Es gibt hier eine relativ starke Kameradschaft und da haben wir vom Bündnis gegen Rechtsextremismus in Weimar den Auftrag gekriegt, hier mal so eine Veranstaltung zu machen. Wir holen die Jugendlichen da ab, wo sie drauf stehen, nämlich auf Musik und Tanz. Jugendkulturen haben eigentlich grundsätzlich einen toleranten, vielfältigen und internationalen Ausdruck. Den vermitteln wir und das finden am Ende auch immer alle toll."
Culture On The Road ist ein buntes Team von 15 jungen Leuten. Einige von ihnen haben Politikwissenschaft studiert und sind speziell im Umgang mit rechtsextremem Gedankengut geschult. Andere kommen aus verschiedenen Jugendszenen - Hip Hop, Techno oder Metal. Auch eine Amerikanerin ist dabei, die jahrelang in einer Punkband spielte. Sie bieten einen Tag lang Workshops zu Musik- und Stilrichtungen an, zur Geschichte und den Hintergründen der vielen Jugendkulturen. Die Schüler können sich aussuchen, welchen Workshop sie besuchen wollen.
Im Osten gilt Ausländerfeindlichkeit als normal
Silke Baer ist die pädagogische Leiterin dieses Projektes. Sie will mit dem Projekt junge Leute vor allem in den ländlichen Regionen der Neuen Bundesländer erreichen, dort "wo es so etwas gibt wie das, was wir eben in einem Kurs erlebt haben: dass ausländerfeindliche Ressentiments als absolut normal gelten. Wir fahren in diese Regionen und führen die Jugendlichen über das Thema 'Jugendkultur' zu politischen Diskussionen. So versuchen wir, die Jugendlichen ins Boot einer demokratisch interessierten Gesellschaft zu bringen."Dass die meisten Jugendszenen aus dem Ausland kommen, ist da nur ein Punkt. Ein anderer die Geschichte. So wusste beispielsweise keiner der Schüler, dass die Punkbewegung unter anderem durch die hohe Jugendarbeitslosigkeit im Großbritannien der 70-er Jahre ausgelöst wurde. Eine Situation, die sie nur zu gut kennen.
Highlights setzen und daran anknüpfen
Für die Soziologin Michaela Glaser vom Deutschen Jugendinstitut in Halle ist diese Art der Jugendarbeit unverzichtbar. "Das Wichtige ist, dass man erstmal einen Zugang zu den Jugendlichen bekommt, sonst kann man mit ihnen gar nicht inhaltlich arbeiten. Gerade solche Projekte, die auch im Alltag mal ein Highlight setzen und aus dem Alltag herausfallen, können nach unseren Erfahrungen dazu beitragen, dass Jugendliche sich für solche Themen öffnen und für die weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung eher bereit sind."
Wichtig ist, an diese Highlights anzuknüpfen, so Michaela Glaser. Wenn nach einem solchen Projekttag nichts mehr geschehe, dann sei die Arbeit umsonst gewesen. Eine Gefahr, die in vielen Kommunen besteht. Häufig wird in Zeiten leerer Kassen der Rotstift bei der Jugendarbeit angesetzt. Doch die Blankenhainer Lehrer wollen am Ball bleiben, so Direktorin Corinna Hundshagen. "Ich habe gerade mit Peer Wiechmann gesprochen und ihn gebeten, auf alle Fälle mit uns in Kontakt zu bleiben. Denn die ganze Geschichte kommt super an. Wir wollen das eine oder andere Projekt in diesem Zusammenhang mit unserem hiesigen Jugendclub gemeinsam weiter machen. Der Anfang ist gemacht und jetzt werden wir gucken, wie wir das weiter gestalten können."