Rechtsrock auf Schulhöfen
21. März 2006Mit der Verteilung von Rechtsrock-CDs wollen Neonazi-Kreise ihre Ideologie an Schülerinnen und Schüler in Deutschland weitergeben. Das "Projekt Schulhof" ist nicht die erste gezielte Aktivität der rechten Szene an Schulen in Deutschland - es ist aber erstmalig, dass Neonazis systematisch die Attraktivität von Musik betonen. Gefährlich daran ist vor allem, dass eine kostenlose CD bei Jugendlichen ankommt. So kann die Musik mit ihren
rassistischen Texten für Jugendliche zur "Einstiegsdroge" in die rechte Szene werden, meint der Verfassungsschutz.
Das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen reagierte auf die Kampagne und unterstützt in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz Maßnahmen, die Lehrer, Schüler und Eltern Informationen und Anweisungen im Umgang mit rechtsextremistischer Propaganda bieten.
Zeichen müssen erkannt werden
"Ein Problem ist, dass die Lehrer gar nicht gut informiert sind, was die aktuellen Symbole und Zeichen von der rechten Szene angeht", berichtet Jörg Krones von der Jakob-Muth-Förderschule in Bochum. "Zum Beispiel gab es eine junge Frau bei uns, die mit schwarz-weiß-roten Haarbändern ihre rechte Gesinnung gezeigt hat. Den Schülern ist das aufgefallen, und die haben das dann den Lehrern gesagt, aber den Lehrern wäre das so nicht aufgefallen."
Krones hat an einem Workshop des Kultusministeriums teilgenommen, um Erfahrungen mit anderen Lehrern auszutauschen und Tipps zu bekommen, wie er als Lehrer mit dem Problem umgehen kann. Er kennt das Phänomen Rechtsextremismus aus der eigenen Schule, wo ihm nicht nur rechtsextreme Schüler bekannt sind, sondern auch der alltägliche versteckte Rassismus: "Ich habe in meiner Klasse zwei Schüler, die extreme rechte Gedanken haben und mit ihrer Kleidung darauf aufmerksam machen. Aber ein großes Problem ist, dass viele Schüler mit Parolen wie 'Ausländer raus', 'Die Ausländer nehmen nur die Arbeitsplätze weg', 'Die Ausländer machen einem immer Ärger' latent rechtsextreme Gedanken unterstützen, die zwar nicht strafbar sind, aber eine große Rolle spielen und thematisiert werden müssen."
Einstiegsdroge Musik
Bei den Workshops des Kultusministeriums geht es vor allem darum, Lehrer und dadurch auch Schüler für das Problem zu sensibilisieren und die oft versteckte Ideologie sichtbar zu machen. Zum Beispiel bei den Texten, die in populärer Rockmusik verpackt sind und die Jugendlichen beeinflussen sollen - ohne Worte wie Rassismus oder Ausländer direkt zu gebrauchen.
Unter Rechtsextremismus versteht der Verfassungsschutz Bestrebungen, die sich gegen die wesentlichen Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wenden. Neonazis stehen in der Tradition des historischen Nationalsozialismus mit seinem Elite- und Führerprinzip. Rechtsextremistische Skinheadmusik mit häufig volksverhetzenden, rassistischen und gewaltverherrlichenden Texten findet auch bei Jugendlichen, die selbst nicht zur Szene gehören, immer mehr Zuhörer.
Schüler ab zehn
So kann die aggressive Musikhetze für anfällige Jugendliche zur Einstiegsdroge in die rechte Szene werden. In der Szene ist der Hang zur Gewalt besonders ausgeprägt. Rechtsextremistisch geprägte Skinheads propagieren diffuse Feindbilder gegen Minderheiten wie Ausländer, Asylbewerber, Linke, Homosexuelle oder Obdachlose. Angeheizt durch Alkoholexzesse kommt es bereits bei jungen Schülern immer wieder zu spontanen Übergriffen.
"Das geht schon mit zehn, elf, zwölf Jahren los," berichtet der Schulpsychologe Sascha Bade: "Es läuft so, dass Schüler aus der elften Klasse kleinere aus der fünften oder sechsten Klasse mit reinziehen und dass die sich zu Gruppen zwischen 15 und 20 Personen zusammenschließen und dann gezielt ausländische Schüler fertig machen - verbal oder auch handgreiflich."
Was können die Erziehungsberechtigten und verantwortlichen Politiker gegen Rechtsextremismus auf dem Schulhof tun? Seit Juli 2001 hat das Land Nord-Rheinwestfalen eine zentrale Anlauf- und Informationsstelle "Rechtsextremismus" eingerichtet und eine Hotline geschaltet. Denjenigen, die aus der Szene aussteigen wollen - egal ob Mitläufer, Aktivisten oder sogar Führungspersonen - bietet das Land Nordrhein-Westfalen persönliche Hilfe an, berichtet Heinz-Werner Poelchau vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule und Weiterbildung. "Wir beraten, wenn junge Leute oder diesen jungen Leuten zugewandte Eltern, Lehrer oder Nachbarn fragen, wie jemand aus dieser Szene wieder in die bürgerliche Gesellschaft zurückgeführt werden kann."