ISIS nicht zu stoppen
11. Juni 2014Die Kämpfer der sunnitischen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) rücken bei ihrer Blitzoffensive immer weiter auf die Hauptstadt Bagdad vor. Polizeiangaben zufolge lieferten sich die Aufständischen am nördlichen Zugang zu der Stadt Samarra schwere Gefechte mit irakischen Sicherheitskräften. Die Stadt ist nur noch 110 Kilometer von Bagdad entfernt.
Zuvor hatten die Islamisten nach der Millionenmetropole Mossul und weiteren Städten im Norden des Landes auch das zentralirakische Tikrit eingenommen. "Ganz Tikrit ist in den Händen der Kämpfer", sagte ein Polizeioberst in der Hauptstadt der Provinz Salaheddin. Auch hier hatten sich die Aufständischen nach Angaben der Provinzregierung schwere Gefechte mit den Sicherheitskräften geliefert.
Unklare Lage in Baidschi
Tikrit liegt 160 Kilometer nördlich von Bagdad und ist die Geburtsstadt des früheren irakischen Machthabers Saddam Hussein. Den Angaben zufolge war die Stadt nahezu aus allen Himmelrichtungen gleichzeitig angegriffen worden. Wie schon in Mossul befreiten die ISIS-Kämpfer zahlreiche Häftlinge aus den Gefängnissen.
In der vergangenen Nacht waren die ISIS-Extremisten auf die Stadt Baidschi vorgerückt. Die dortige Ölraffinerie versorgt die meisten Provinzen des Landes. Dort befindet sich auch ein für die Stromversorgung des Landes wichtiges Kraftwerk. Augenzeugen berichten, die Rebellen hätten die Raffinerie kampflos eingenommen, nachdem dem Sicherheitspersonal freier Abzuge versprochen worden sei. Das Staatsfernsehen berichtet dagegen, der Angriff sei von Sicherheitskräften zurückgeschlagen worden.
Hunderttausende auf der Flucht
Derweil mehren sich die Berichte über Gräueltaten der Rebellen. Allein aus Mossul seien 500.000 Menschen aus Angst vor Gewalttaten der ISIS-Kämpfer geflohen, berichtet die Internationale Organisation für Migration in Genf. Durch die Kämpfe habe es eine hohe Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung gegeben. Die großen Krankenhäuser der Stadt seien für Verletzte nicht mehr zugänglich.
Geiselnahme in Mossul
In Mossul stürmten die Rebellen das dortige türkische Konsulat und nahmen 48 Menschen als Geiseln, darunter auch Kinder. Der türkische Außenminister brach wegen der Geiselnahme seine USA-Reise ab. In der Hand der Rebellen befinden sich auch 30 türkische Lastwagenfahrer, die Städte im Norden des Iraks mit Dieselkraftstoff beliefern sollten. Die Regierung in Ankara drohte mit Vergeltung, sollte den Geiseln etwas passieren. Zudem will die Türkei die NATO einschalten.
Ziel ist ein Gottesstaat
Bei ihrem Vormarsch haben die Islamisten 15 Sicherheitskräfte exekutiert. Polizeiangaben zufolge wurden in Rijad sechs, in Raschad vier und am Kontrollposten Talkijah fünf Sicherheitskräfte getötet.
Die radikalen Islamisten der ISIS, die selbst vielen al-Kaida-Kämpfern zu extrem sind, hatten ihre Offensive am Montagabend begonnen. Ihr Ziel ist die Errichtung eines sunnitischen Gottesstaates im arabischen Raum, zwischen Mittelmeer und Euphrat. Die für ihr gnadenloses Vorgehen und zahlreiche Selbstmordattentate berüchtigte Dschihadistengruppe kontrolliert auch Teile des benachbarten Syrien und gehört dort zu den mächtigsten Gegnern von Präsident Baschar al-Assad.
USA sichern Bagdad Unterstützung zu
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki sprach sich unterdessen für die Verhängung des Notstands aus. Darüber soll das Parlament an diesem Donnerstag beraten. Außerdem will Maliki Bürgerwehren aufstellen lassen. Die Extremisten riefen ihrerseits alle Sunniten auf, sich dem Kampf der ISIS anzuschließen. Viele Sunniten fühlen sich von der schiitischen Regierung Malikis benachteiligt.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin sagte, die Einnahme einer ganzen Stadt wie Mossul durch Islamisten sei "eine neue Stufe der Eskalation", die auch in der Bundesregierung auf "allergrößte Sorge" stoße. Die politischen Akteure im Land müssten ihren Machtkampf beenden und gemeinsam gegen den "Terrorismus" vorgehen. Die USA sicherten der Regierung in Bagdad ihre Unterstützung im Kampf gegen die Dschihadistengruppe ISIS zu. Die Lage vor Ort sei sehr ernst. "Wir sind bereit, jede angemessene Unterstützung zur Verfügung zu stellen", sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki. Einzelheiten nannte sie nicht.
gmf/qu (afp, dpa, kna, rtr)