Real Madrid bezwingt Atlético
24. Mai 2014Wechselbad der Gefühle im Finale der Champions League: Real Madrid dreht das Spiel gegen den Stadtrivalen Atlético und gewinnt zum zehnten Mal die Königsklasse des europäischen Vereinsfußballs. "La Décima", der zehnte Titel, das lang ersehnte Ziel ist erreicht. Real gewinnt, obwohl es über weite Strecken das schlechtere Team ist. Nach langem Rückstand und erst in der Verlängerung setzen sich die "Königlichen" mit 4:1 (1:1, 1:0) durch und triumphieren zum ersten Mal nach 2002 wieder in der Champions League.
Im ausverkauften Estadio da Luz von Lissabon sahen 60.000 Zuschauer zunächst keine hochklassige Partie. Erste denkwürdige Aktion des Finales war eine Auswechslung: Atléticos Stürmerstar Diego Costa, der angeschlagen ins Spiel gegangen war und sich vor der Partie von einer serbischen Wunderheilerin mit Extrakten aus Pferdeplazenta hatte fit machen lassen, musste nach nur neun Minuten vom Platz, für ihn kam Adrian. Ansonsten gab es viele Zweikämpfe, die besonders von den Atlético-Spielern mit hartem körperlichem Einsatz geführt wurden, aber kaum Chancen. Die beste vergab Reals Gareth Bale in der 32. Minute. Atlético ging früh drauf und ließ die schnellen und dribbelstarken Angreifer Reals nicht zur Entfaltung kommen. Real-Superstar Cristiano Ronaldo fand nicht statt. Auf der Sechserposition im defensiven Mittelfeld von Real spielte Sami Khedira von Anfang an für den gelbgesperrten Xabi Alonso.
Casillas patzt
Und Khedira war auch am ersten Treffer des Spiels beteiligt. Nach einem Eckstoß für Atlético wurde der Ball zunächst geklärt, kam aber postwendend im hohen Bogen wieder in den Strafraum zurück. Khedira verlor das Kopfballduell gegen Diego Godin. Von dessen Stirn sprang der Ball über den orientierungslos herauslaufenden Real-Keeper Iker Casillas in Richtung Tor. Als Casillas seinen Fehler erkannte, war es zu spät: Zwar erwischte der zurückeilende Torwart den Ball noch, doch erst deutlich hinter der Linie. Es stand 1:0 für Atlético (36.). Wenig später hätte Adrian nach einer weiteren Ecke fast auf 2:0 erhöht, doch sein Kopfball strich knapp über die Querlatte.
Nach dem Seitenwechsel blieb das Bild zunächst das gleiche: Atlético störte das Real-Spiel, die "Königlichen" hatten keine Ideen. Erst ein Freistoß von Ronaldo in der 54. Minute brachte Gefahr. Der Schuss des Portugiesen wurde von der Mauer abgefälscht, Atlético-Keeper Thibaut Courtois lenkte den Ball über die Latte. Nach 57 Minuten musste Khedira dann vom Feld: Real-Coach Carlo Ancelotti wechselte Isco für ihn ein und brachte außerdem Marcelo für Fabio Coentrao.
25 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit erhöhte Real Madrid den Druck, hatte aber nach wie vor Mühe, sich große Chancen zu erarbeiten. Immer wieder wurden weite Flanken in den Strafraum geschlagen, statt die schnellen Ronaldo und Bale mit Steilpässen in die Tiefe zu schicken. Dazu fehlten die Räume. Erst in der 77. Minute nutzte Bale einen Fehler in der Atlético-Defensive, setzte auf dem rechten Flügel zum Konter an und drang in den Strafraum ein. Sein Schuss ging aber knapp neben den rechten Pfosten. In der Schlussphase erhöhte Real den Druck weiter, doch Daniel Carvajal und Marcelo vergaben ihre Tormöglichkeiten. Erst in der Nachspielzeit wurde Real für sein Anrennen belohnt. Nach einem Eckball wuchtete Sergio Ramos einen Kopfball zum 1:1-Ausgleich ins Tor (90.+3) und rettete den Favoriten in die Verlängerung.
Bale mit der Entscheidung
Dort hielt der Widerstand Atléticos weitere 20 Minuten, bis sich Angel di Maria auf dem linken Flügel gegen mehrere Abwehrspieler durchsetzte, in die Mitte zog und zum Schuss kam. Courtois konnte den Ball nur abwehren, Bale staubte per Kopf zum 2:1 ab (109.). Das war die Entscheidung, Atléticos Spieler ergaben sich danach ihrem Schicksal. Die Angreifer machten nur noch selten den Weg zurück in die eigene Hälfte, die Verteidiger griffen kaum noch an. Entsprechend mühelos konnte Marcelo in der 118. Minute zum 3:1 abschließen, drei Minuten später erhöhte Ronaldo per Foulelfmeter zum 4:1-Endstand (120.+1).
Danach wurde es noch einmal kurz hektisch: Nach einem Foul an einem seiner Spieler stürmte Atlético-Trainer Diego Simeone wutentbrannt auf den Platz. Erst nach einiger Zeit beruhigte sich die Lage wieder, dann kam der Schlusspfiff und beendete kein gutes, aber ein intensives Finale. "Ich kann es noch gar nicht realisieren. Das ist ein unglaubliches Gefühl. Wir waren schon tot, Sergio Ramos hat uns wieder einmal gerettet", sagte ein erleichterter Sami Khedira im ZDF.
Krönung der Saison
Nach der verpassten spanischen Meisterschaft, die Real hinter Atlético und dem FC Barcelona als Dritter beendete, und dem Sieg im spanischen Pokal, setzt sich Real Madrid auch noch die europäische Fußballkrone auf und veredelt damit die Saison. Coach Ancelotti ist nun der erste Trainer, der dreimal die Champions League gewinnen konnte.
Auch Atlético kann stolz sein: Zum ersten Mal seit 1996 gewannen die "Colchoneros" die Meisterschaft. Bitter ist allerdings, dass sie 40 Jahre nach dem verlorenen Finale im Europapokal der Landesmeister gegen den FC Bayern München erneut den Sieg im bedeutendsten europäischen Vereinswettwerb verpassten. "Ab dem 1:1 hat Real dominiert und am Ende verdient gewonnen", sagte Atlético-Kapitän Gabi nach der Partie in Lissabon. "Wir haben bis zuletzt alles gegeben. Wir sind seit einem Jahr in sämtlichen Wettbewerben unterwegs, irgendwann ist die Kraft am Ende. Glückwunsch an Real."