1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland-Konzerte von R. Kelly abgesagt

Courtney Tenz ka
26. Februar 2019

Der US-Sänger ist wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt. Kampagnen im Netz wollen den Künstler kaltstellen, nachdem ein US-Sender die Vorwürfe gegen R. Kelly ausstrahlte. Mehrere Konzerte wurden schon gecancelt.

https://p.dw.com/p/3E83C
USA | Sänger/Rapper R. Kelly wegen sexuellen Missbrauchs in zehn Fällen angeklagt
Bild: picture-alliance/dpa/abaca/Chicago Tribune/N. DiNuzzo

Drei Tage hat R. Kelly in einem Chicagoer Gefängnis verbracht, jetzt ist er gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Der R&B-Sänger musste sich vor Gericht wegen des mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs von vier zum Teil damals noch minderjährigen Frauen in zehn Fällen verantworten. Seit zwei Jahrzehnten werden ihm immer wieder ähnliche Vergehen vorgeworfen. Schon 2002 kam es zu einer Anklage, doch Kelly wurde freigesprochen.

Der Sänger seinerseits hat wiederholt jegliches sexuelles Fehlverhalten geleugnet und 2018 sogar einen 19-minütigen Song veröffentlicht, in dem er sich beklagt: "Ich werde zu Unrecht beschuldigt."

Bewegung kam in den Fall durch die sechsteilige Serie "Surviving R. Kelly" (R.Kelly überleben) des US-Senders Lifetime, die im Januar startete, und in der sich US-Künstlergrößen wie Sänger John Legend und Schauspielerin Wendy Williams zu den Missbrauchsvorwürfen äußerten. Seit der Ausstrahlung gibt es Aufrufe auf Twitter, den Künstler kaltzustellen: Unter #MuteRKelly schlagen User vor, seine Songs aus den Radioprogrammen und Musik-Apps zu entfernen.

Online-Petition gegen R.-Kelly-Konzerte

In Deutschland haben viele Twitter-Nutzer eine deutschsprachige Version der Hashtag-Kampagne - #RKellystummschalten - übernommen; bis zum 26. Februar kamen bei einer Online-Petition, die zur Absage von R Kellys zwei Konzerten in Deutschland aufruft, mehr als 240.000 Unterschriften zusammen.

R. Kelly
R. Kelly verlässt das Cook-County-Gefängnis in ChicagoBild: Reuters/K. Krzaczynski

"Ziel der Petition war sich mit den Betroffenen von sexualisierter Gewalt zu solidarisieren und ihnen zu zeigen, dass wir sie hören und ihnen glauben. Wir haben es geschafft, mehr als 200.000 Stimmen zu gewinnen, die sich uns angeschlossen haben und damit zeigen wir, dass wir Sexualverbrecher in diesem Land nicht heroisieren, honorieren und tolerieren", sagt die Initiatorin Salwa Houmsi. Wichtig sei gewesen, mit der Petition eine öffentliche Debatte anzustoßen und einen Grundstein zu legen für ähnliche Fälle. "R. Kelly war ein gutes aktuelles Fallbeispiel um auch in Deutschland ein starkes Zeichen gegen Sexualverbrecher zu setzen."

Um gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen zu werden, musste Kelly seinen Pass abgeben - was die geplante Europatournee im Frühjahr ohnehin unmöglich macht.

Konzertveranstalter sagen Auftritte ab 

Einer der beiden deutschen Konzerveranstalter, bei denen der Sänger im April gebucht war verkündete am Dienstag, dass der Auftritt abgesagt worden sei. "Im Hinblick auf die neuen und objektiven Fakten haben wir entschieden, uns von dem (...) Veranstaltungsvertrag zu lösen", schrieben die Betreiber der Arena in Neu-Ulm auf Facebook. Das in Süddeutschland geplante Konzert sollte überhaupt erst dort stattfinden, nachdem die Spielorte in Ludwigsburg und Sindelfingen die Show wegen breiter Proteste bereits abgesagt hatten.

Die Hallenbetreiber in Hamburg teilten der Presseagentur AP mit, dass sie mit dem Veranstalter Gespräche führten, um das Konzert auch dort abzusagen. "Es liegt auf der Hand, dass R. Kelly nicht in der Lage sein wird, sein Konzert in Hamburg oder anderswo außerhalb der USA abzuhalten", fügte der Hamburger Arena-Betreiber hinzu.

In Philadelphia unerwünscht

In mehreren Städten in den USA war dem Sänger bereits mitgeteilt worden, dass er nicht willkommen sei. Der Stadtrat in Philadelphia ging sogar so weit, eine unverbindliche Resolution zu verabschieden, um den Sänger fernzuhalten. "Wir wollen klarmachen, dass wir keine Zukunft akzeptieren werden, in der Vergewaltigung akzeptiert wird", sagte Stadtratsmitglied Helen Gym der Tageszeitung "Philadelphia Inquirer". "Wir werden die Augen nicht vor dem Leid verschließen und nicht zulassen, dass schwarze Frauen zugunsten mächtiger Männer zum Schweigen gebracht werden." 

Zeitgleich äußern sich im Netz aber auch R. Kellys-Fans, die auch nach der Veröffentlichung der Dokumentarserie weiter zu dem Sänger halten. Sie weisen unter anderem auf eine Show des Künstlers in einem Nachtclub in Chicago hin, die ausverkauft gewesen sei - mit mehrheitlich weiblichen Fans im Publikum. 

Kann man Kunst vom Künstler trennen?

Offensichtlich kann man mit einer Performance von R. Kelly, einem der erfolgreichsten Musikkünstler aller Zeiten, also noch immer Geld verdienen - einem Musiker, der es nicht nur als Solokünstler weit gebracht hat, sondern der auch für Celine Dion, Michael Jackson oder Lady Gaga Songs geschrieben hat.

Aber es stellt sich die Frage: Wie umgehen mit der Kunst von Männern, die wegen sexueller Gewalt angeklagt sind? "Im Bewusstsein der Öffentlichkeit scheinen ein Mensch und seine Arbeit dasselbe zu sein", schrieb die Schriftstellerin Claire Dederer 2017 in der US-amerikanischen Literaturzeitschrift "The Paris Review" im Zuge der #MeToo-Debatte. "Sollten wir versuchen, die Kunst vom Künstler zu trennen, den Schöpfer vom Werk? Unterziehen wir uns einem absichtlichen Vergessen, wenn wir z.B. Wagners Ringzyklus hören wollen (Richard Wagner war Antisemit, Anm. d. Redaktion)? Oder glauben wir, dass das Genie eine spezielle Ausnahmebewilligung bekommt?"

#MeToo und die unterschiedlichen Folgen

Während die Liste der berühmten Männer, denen sexuelle Übergriffe oder Fehlverhalten vorgeworfen werden, weiter wächst, sind das Fragen, denen sich nicht nur das Individuum, sondern auch die Gesellschaft mit einem Moralkodex stellen müssen. Allerdings fielen die Konsequenzen für die diejenigen, deren sexuelles Fehlverhalten durch die #MeToo-Kampagne aufgedeckt oder erneut ins Bewusstsein gebracht wurde - darunter Straftaten, die von sexueller Belästigung über Vergewaltigung bis zur Pädophilie reichen - sehr unterschiedlich aus.

Kevin Spaceys Rolle des Frank Underwood wurde aus der Netflix-Serie "House of Cards" gestrichen, während die Klage gegen ihn noch lief. Woody Allen hingegen dreht trotz aller Missbrauchsvorwürfe gegen ihn weiterhin Filme. Und der Komiker Louis C.K. kehrte kürzlich auf die Bühne in New York zurück, um über die Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens zu scherzen, die zur Absage der Premiere seines Films "I Love You, Daddy" geführt hatten.

Woody Allen
Geht seiner Arbeit trotz massiver Missbrauchsvorwürfe weiter nach: Regisseur Woody AllenBild: picture-alliance/AP/E. Agostini

Gesellschaftlicher Druck 

Doch obwohl sowohl die rechtlichen Konsequenzen als auch die Auswirkungen auf Karriere und Ansehen sehr unterschiedlich ausfielen, gibt es einen gemeinsamen Nenner. So schrieb David Sims in der US-Zeitschrift "The Atlantic": "Eine umfassende Kultur der Freizügigkeit hat es einflussreichen Männern in der Unterhaltungsbranche ermöglicht, fast jeden Skandal zu überstehen und ihre Karrieren weiter auszubauen."

Ist die Petition noch wichtig, wo R. Kelly sein Pass nicht mehr hat und somit nicht nach Deutschland reisen und auftreten kann? Salwa Houmsi antwortet darauf entschieden: ja. "Bevor wir die Petition ins Leben gerufen haben, gab es kaum mediale Berichterstattung über die angekündigten Deutschlandshows R Kellys. Dadurch kam eine Debatte in Gang. Was Neu-Ulm betrifft, haben wir das jetzt schon erreichen können und freuen uns über den Erfolg. Das dieser durch die laufenden Gerichtsverhandlungen und nicht allein durch den öffentlichen Druck zu Stand kommt, spielt für uns keine Rolle. Es geht um die Sache: Sexualvebrechern keine Bühne geben."

Während jeder Einzelne seinem eigenem Gewissen folgen muss, wie mit der Kunst von Männern umzugehen ist, die wegen sexueller Gewalt angeklagt sind, gibt es auch eine gesellschaftliche Ächtung: Das belegen die Online-Petition gegen R. Kelly und die Absage seiner Konzerte. Indem sie "eine Zukunft nicht akzeptiert, in der Vergewaltigung akzeptiert wird", hat Philadelphia-Ratsmitglied Helen Gym eine klare Linie vorgegeben.