Putin kritisiert Nawalny-Film und Proteste
25. Januar 2021Er besitze keinen riesigen Privatpalast am Schwarzen Meer, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin. "Nichts von dem, was in dem Video als mein Eigentum gezeigt wird, gehört mir oder meinen engsten Verwandten - und gehörte auch nie. Niemals", sagte Putin bei einem Online-Gespräch mit Studenten. Ein junger Mann hatte dem Präsidenten eine Frage zu dem Youtube-Video mit dem Titel "Ein Palast für Putin" gestellt, das nach wenigen Tagen schon fast 87 Millionen Mal aufgerufen wurde.
Video war Auslöser der Proteste
Zuvor hatte bereits Putins Sprecher den Film als "Unsinn" bezeichnet. Der Kremlchef sagte, dass er sich den fast zweistündigen Streifen aus Zeitmangel nicht angesehen habe. Allerdings hätten ihm Mitarbeiter Auszüge der "Kompilation" vorgelegt.
Der Film und die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny waren am Samstag Auslöser beispielloser Proteste in mehr als 100 Städten mit vielen Verletzten und Tausenden Festnahmen. Putin meinte dazu, dass sich Bürger und Polizei an die Gesetze halten müssten. Die Organisatoren verglich er mit "Terroristen".
Neuer Protestaufruf
In Russland werden schon seit Monaten wegen der Corona-Pandemie keine Demonstrationen mehr erlaubt - Menschenrechtler beklagen deshalb einen Missbrauch der Situation um das Corona-Virus, um den Protest zu unterdrücken.
Nawalnys Team rief für den 31. Januar zu neuen landesweiten Protesten auf - für die Freilassung des Kremlgegners und gegen Putin. "Das ist durchaus risikoreich, wenn sich diese Proteste gegen die Verhaftung von Nawalny mit dem Unmut über die wirtschaftliche Entwicklung, über die Rentenreform, über die Teuerung der Lebensmittel, des täglichen Leben die Menschen in Russland verbindet. Diese Verbindung ist gefährlich für den Kreml", sagt der frühere Bundestagsabgeordnete Gernot Erler (SPD) im Gespräch mit der Deutschen Welle. Erler war von 2014 bis 2018 Russland-Beauftragter der Bundesregierung.
Wem gehört der Palast?
Der österreichische Politologe Gerhard Mangott geht noch einen Schritt weiter: "Diejenigen, die auf die Straße gegangen sind, sind sicherlich mehr als reine Nawalny-Anhänger", sagt er im Interview mit der Deutschen Welle. Nicht alle Demonstranten würden Nawalny beispielsweise bei einer Präsidentenwahl wählen, präzisierte der Osteuropa-Experte.
Die Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass Putin mit seinem Kommentar zu Nawalnys Film anerkenne, dass der "Volkszorn" gerechtfertigt sei. Allerdings stelle sich die Frage, ob die Menschen Putin glaubten. Ohne Antwort dazu, wem der Palast gehört, sei das "lächerlich".
Das Grundstück mit dem Palast am Schwarzen Meer ist dem Film Nawalnys zufolge fast 40 Mal so groß wie Monaco und soll mehr als 100 Milliarden Rubel (1,1 Milliarden Euro) verschlungen haben. Nawalny hält es für erwiesen, dass das milliardenschwere "Zarenreich" mit eigener Eishockey-Arena, Hubschrauber-Landeplatz, Casino und Aquadisco dem Präsidenten gehört, allerdings seien die Besitzverhältnisse verschleiert worden. Finanziert worden sein soll alles aus Schmiergeldern, die Oligarchen und Putins enge Vertraute in den Staatskonzernen gezahlt hätten. In dem Video werden erstmals Drohnenaufnahmen, Augenzeugen und Dokumente gezeigt.
nob/uh (dpa, afp, DW)