EU-Minister: Lasst Nawalny-Anhänger frei
25. Januar 2021Tausende Unterstützer des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny sind am Wochenende in zahlreichen russischen Städten auf die Straße gegangen. Die Sicherheitskräfte griffen hart durch. In Moskau und St. Petersburg prügelten Uniformierte auf Demonstranten ein. Nach Angaben von Bürgerrechtlern wurden mehr als 3500 Menschen festgenommen.
Grundlegende Menschenrechte würden von den russischen Behörden nicht nur ignoriert, sondern mit Füßen getreten, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell spricht von "besorgniserregenden Ereignissen in Russland".
Vor dem Treffen der EU-Außenminister
Deutschlands Außenminister Heiko Maas hat die sofortige Freilassung der Nawalny-Anhänger gefordert: "Auch nach der russischen Verfassung hat in Russland jeder das Recht, seine Meinung zu äußern und zu demonstrieren", sagte Maas vor Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel. Das Land habe sich zur Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet. Deshalb erwarte man, dass diejenigen, die friedlich protestiert hätten, unverzüglich wieder freigelassen würden.
Zu möglichen Reaktionen der Europäischen Union auf das Vorgehen der russischen Behörden gegen Nawalny und dessen Anhänger sagte Maas zunächst nichts. Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegen Russland werben vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Estland, Litauen und Lettland. Andere sind allerdings zurückhaltender und wollen erst einmal abwarten, ob Nawalny länger in Haft gehalten wird.
Der Kremlkritiker war nach seiner Behandlung in Deutschland wegen einer Nowitschok-Vergiftung bei seiner Rückkehr nach Moskau vor acht Tagen noch am Flughafen festgenommen worden. Das nächste Gerichtsverfahren gegen Nawalny ist für den 2. Februar angesetzt.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte dazu: "Ein freier Nawalny wäre der Start und auch die Gelegenheit für eine neue, für eine bessere Beziehung zwischen der Europäischen Union und Russland." Dies würde Russland, Europa und der ganzen Welt guttun. "Wir würden heute und morgen über Kooperation mit Russland reden anstatt über Sanktionen", sagte Asselborn.
Neue EU-Sanktionsinstrumente in der Diskussion
Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis schlug vor, ein neues, im vergangenen Jahr geschaffenes EU-Sanktionsinstrument zu nutzen, um den Druck auf die Führung in Moskau zu erhöhen. "Ich denke, dass es eine klare und entschiedene Botschaft braucht", sagte er. Die EU müsse klarmachen, dass sie Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert - egal ob sie in Minsk, Hongkong oder Moskau verübt werden.
Das neue EU-Sanktionsinstrument ermöglicht es, Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem können gegen Personen auch Einreiseverbote verhängt werden. Bislang konnten Menschenrechtsverletzungen nur im Zusammenhang mit Strafmaßnahmen gegen Staaten oder im Rahmen von speziellen Sanktionsregimen geahndet werden, die die EU zum Beispiel im Kampf gegen Cyberangriffe und den Einsatz von Chemiewaffen geschaffen hat.
Das hat eine Reaktion der EU auf Menschenrechtsverletzungen bislang kompliziert oder unmöglich gemacht - so zum Beispiel im Fall der grausamen Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul.
Verstoß gegen Meldeauflagen als Haftgrund
Alexej Nawalny war vergangenen Woche zunächst zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er in Russland gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben soll. Wegen des Nowitschok-Anschlags auf ihn im August hatte die EU bereits im vergangenen Jahr auf Grundlage des Chemiewaffen-Sanktionsregimes Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin verhängt.
In Brüssel wird davon ausgegangen, dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen. Nawalny selbst sieht ein "Killerkommando" des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB unter Putins Befehl hinter dem Attentat vom 20. August. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück. Russland verbittet sich eine Einmischung in innere Angelegenheiten und hat auf die EU-Sanktionen mit Einreisesperren gegen Vertreter des deutschen Regierungsapparats geantwortet.
AR/ww (dpa, afp)