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Probleme mit der Fleischeslust

Sabine Kinkartz9. Januar 2014

Weltweit wird immer mehr billiges Fleisch gegessen. Die Massentierhaltung hat aber fatale Folgen für Mensch und Natur. Vor allem der Futtermittelanbau führt zu einem ruinösen Wettbewerb zwischen Trog, Tank und Teller.

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Ein Holzkohlegrill mit Fleisch und Würstchen (Foto: Patrick Pleul)
Bild: picture alliance/ZB

Der Widerstand war enorm. Zehn Jahre lang wehrten sich die Bürger im brandenburgischen Haßleben gegen den Bau einer neuen Mastanlage für Schweine. 87.000 Tiere wollte ein aus den Niederlanden stammender Investor unterbringen. Nun hat das Landesumweltamt die Genehmigung für die Mästung von rund 36.000 Schweinen erteilt. Die Gegner, darunter viele Tierschützer, sind entsetzt. Sie verurteilen die Haltung in den auf maximale Effizienz getrimmten Riesenställen, in denen die Schweine Medikamente bekommen und eng eingepfercht sind, damit sie sich möglichst wenig bewegen. Das Ziel: In nur 180 Tagen sollen sie ihr Schlachtgewicht von 90 Kilogramm erreichen.

Trotz wachsender Proteste in der Bevölkerung wird die Massentierhaltung in Deutschland weiter ausgebaut. Nirgendwo in Europa werden so viele Schweine geschlachtet, bei den Rindern belegt Deutschland europaweit den zweiten Platz, bei Geflügel den fünften.

Insgesamt werden auf bundesdeutschen Schlachthöfen pro Jahr 735 Millionen Tiere verarbeitet. Das liegt aber weniger an der Nachfrage in Deutschland.2012 lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei rund 60 Kilogramm Fleisch. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Minus von 2,5 Kilogramm.

Exportschlager Fleisch

Tatsächlich wird in der Bundesrepublik mit 120 Prozent des heimischen Bedarfs deutlich mehr Fleisch produziert als verbraucht. Bei Geflügelfleisch sind es sogar 129 Prozent. Der Überschuss wird ins Ausland verkauft. "Deutschland hat sich zum Exportland für Billigfleisch entwickelt", stellt Bernhard Hörning fest, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Er ist Mitautor des Kritischen Agrarberichts, den 25 Umwelt-, Landbau- und Tierschutzorganisationen herausgegeben haben.

Schweine in Massentierhaltung
Immer mehr, immer schneller, immer effizienter: Schweinemast in GroßbetriebenBild: picture alliance/WILDLIFE

Deutsche Fleischerzeuger folgen damit dem Trend einer globalisierten Industrie, die die wachsende Nachfrage nach Fleisch in der Welt bedient. Vor allem in Asien essen immer mehr Menschen immer mehr tierische Produkte. Sie gehören zur sogenannten Mittelschicht. Mit der Änderung des Lebensstandards ändern sich auch die Ernährungsgewohnheiten. Während der Fleischkonsum in Europa und den USA, den traditionellen Fleischproduzenten des 20. Jahrhunderts, nur noch langsam steigt oder stagniert, nimmt er in den asiatischen Boomländern schnell zu.

Fleischatlas will aufklären

Bis 2022 werden 80 Prozent des Wachstums im Fleischsektor auf Asien entfallen. Ein für die Fleischindustrie durchaus lukrativer Markt, dem andere aufstrebende Wirtschaftsnationen folgen werden. Bis Mitte dieses Jahrhunderts soll die weltweite Fleischproduktion auf fast 470 Millionen Tonnen steigen, das sind 150 Millionen Tonnen mehr als heute. Damit geht ein drastisch wachsender Flächenverbrauch für Futtermittel einher: Allein der Bedarf an Sojafuttermitteln zur Mästung der Schlachttiere würde bei der angenommenen Steigerung der Fleischproduktion von derzeit 260 Millionen auf über 500 Millionen Tonnen pro Jahr steigen.

Die Daten stammen aus dem aktuellen Fleischatlas, herausgegeben von der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung und dem Bund für Umwelt und Naturschutz BUND. In Texten und Grafiken will der Fleischatlas die globalen Zusammenhänge der Fleischerzeugung und ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit aufzeigen.

Fleisch ist ein "big business"

Barbara Unmüßig, Vorstand der Böll-Stiftung, widerspricht der Annahme, es handle sich um eine politisch einseitig motivierte Publikation. Daten und Fakten gingen unter anderem auf offiziell verfügbare Statistiken der Welternährungsorganisation FAO, der OECD oder des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München zurück. "Wir wollen mit dem Fleischatlas erreichen, dass politische Entscheidungsträger endlich kapieren, dass wir eine globale Trendumkehr in unserer industriellen Agrarpolitik brauchen." Auch der Verbraucher müsse umdenken. Zwei Portionen Fleisch pro Woche, also 300 bis maximal 600 Gramm, seien genug.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll Stiftung (Foto: DW)
Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-StiftungBild: DW

Doch genau danach sieht es nicht aus. Vor allem die Produktion von Schweinen und Geflügel wächst. Beide Tierarten verwerten das Futter gut und können auf engem Raum gehalten werden. Bis 2022 wird fast die Hälfte des zusätzlich konsumierten Fleischs Geflügel sein. Produziert wird das Fleisch in immer größeren, multinationalen Konzernen. Der größte ist derzeit das brasilianische Unternehmen JBS. Jeden Tag werden im Konzern 85.000 Rinder, 70.000 Schweine sowie 12 Millionen Hühner und Puten geschlachtet und verarbeitet. 2012 setzte das Unternehmen 38,7 Milliarden Dollar um. Was die einen "big business" nennen, bezeichnet Böll-Vorstand Unmüßig als absurd und irrwitzig. "Dahinter kann kein gesundes Agrarsystem stehen."

Teller oder Trog?

Die Massentierhaltung habe immer gravierendere Folgen für Mensch und Umwelt. Abgesehen vom steigenden Einsatz von Wachstumshormonen und Antibiotika ist es vor allem der expandierende Futtermittelanbau, der sich negativ auswirkt. 70 Prozent aller Agrarflächen auf der Erde werden bereits für den Anbau von Futtermitteln oder die Tierfütterung verwendet. "Wertvolle Regenwälder gehen verloren, Böden und Gewässer werden mit Pestiziden belastet und die Preise für Grundnahrungsmittel steigen aufgrund knapper werdender Agrarflächen", resümiert BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning.

Schon heute wandere allein für die europäische Fleischproduktion Soja von umgerechnet 16 Millionen Hektar Land in die Tröge. Die Steigerung der Fleischproduktion werde Land- und Nahrungsmittelpreise explodieren lassen. "Die Zeche für den globalen Fleischhunger zahlen die Armen, die von ihrem Land verdrängt werden und sich wegen der hohen Preise weniger Nahrung leisten können", prophezeit Unmüßig.

Kühe auf einer Weide in Mecklenburg-Vorpommern (Foto: Bernd Wüstneck)
Um im Wettbewerb zu bestehen, können sich Viehwirte eine artgerechte Haltung kaum noch leistenBild: picture-alliance/dpa

Als aktuelles Beispiel führt sie den Anbau von Soja in Südamerika an. Vor fünf Jahren habe sie sich nicht vorstellen können, dass das Getreide auch in Regenwaldgebieten angebaut würde, wo Soja aus klimatischen Gründen nicht so gut gedeihe. "Inzwischen sind die Preise für Soja auf dem Weltmarkt so gestiegen, dass sich der Anbau überall lohnt." Dabei handele es sich durchweg um gentechnisch veränderte Pflanzen, bei denen großräumig das Herbizid Glyphosat eingesetzt werde. Bei der Bevölkerung führe dies zu Gesundheitsschäden, unter anderem sei die Zahl der Missbildungen bei Neugeborenen gestiegen.

Gefahren durch Freihandel?

BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung warnen in diesem Zusammenhang auch vor der Umsetzung des geplanten Freihandelsabkommens zwischen Europa und den USA. "Beim Freihandel denkt man ja immer an die Senkung von Zöllen", sagt Agrarexpertin Benning. "In diesem Fall ist das nicht so. Zu 80 Prozent geht es in diesem Fall um die Abschaffung europäischer Standards und Kennzeichnungspflichten bei Lebensmitteln." Das Freihandelsabkommen würde die Einfuhr von Fleisch, das mit dem Einsatz von Wachstumshormonen erzeugt wurde, genauso erlauben wie die Einfuhr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln, oder auch Hühnerfleisch, das nach der Schlachtung mit Chlor behandelt wurde.