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Politik

Presse(un)freiheit in Ungarn und Polen

Aureliusz Marek Pedziwol
1. Oktober 2019

Zwei Journalisten - ein Ungar und ein Pole - haben in Deutschland und Österreich berichtet, wie unfrei die Medien in ihren Ländern inzwischen sind. Ihre Reise begann in Berlin und endete im Wiener Albert-Schweitzer-Haus.

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Wien | Diskussion „Pressefreiheit unter Druck – Zur Lage der unabhängigen Medien in Polen und Ungarn“
Bild: DW/A. M. Pędziwol

"Die Deutschen hörten von uns unsere Horrorgeschichten, die Österreicher hörten Horrorgeschichten über sich selbst", fasst Márton Gergely, die Nummer zwei in der Redaktion des ungarischen Wochenmagazins HVG, seine Erlebnisse einer aussergewöhnlichen Rundreise gegenüber der Deutschen Welle zusammen. "In Deutschland haben wir Zuhörer gefunden, die interessiert waren, wie skurril unsere beide Länder sind. Die Österreicher haben dagegen versucht herauszufinden, was möglicherweise auf sie zukommt". Nicht grundlos, glaubt Bartosz Wieliński, Leiter des Außenpolitik-Ressorts bei der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", der mit Gergely beide Länder bereiste: "Die FPÖ, wenn sie könnte, würde auch dem polnischen oder ungarischen Weg folgen."

Ihre Reise führte von Berlin, über Frankfurt, München und Heidelberg, Bregenz, Innsbruck und Graz, bis nach Wien. Beide wurden durch die Redaktion der Wiener Wochenzeitung "Falter" eingeladen. "Weil wir den Bartosz und den Márton länger kennen. Und wir kennen auch die Geschichten aus Polen und Ungarn", sagt die "Falter"-Chefreporterin Nina Horaczek, die auch die Moderationen Debatten in Berlin und Wien geführt hat. "Wir haben uns gedacht, noch mehr Leute sollen das erfahren", erklärt sie.

Ungarn: Gleichgeschaltete Medienlandschaft

Diese Geschichten erzählen, wie die Rechtsparteien die Kontrolle über die Medien übernommen haben. Zunächst brachten sie sich die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunksender unter ihre Kontrolle, die zu Propaganda-Maschinen umfunktioniert wurden. Das geschah in beiden Ländern.

In Ungarn folgten Übernahmen von privaten TV- und Radiostationen, sowie Zeitungen. Der Höhepunkt war die Schließung des regierungskritischen, linksliberalen Blatts "Népszabadság" am 8. Oktober 2016 - der größten Tageszeitung des Landes, deren stellvertretender Chefredakteur Gergely war.

Wien | Diskussion „Pressefreiheit unter Druck – Zur Lage der unabhängigen Medien in Polen und Ungarn“
Márton Gergely: "....die Österreicher hörten Horrorgeschichten über sich selbst". Bild: DW/A. M. Pędziwol

Das Blatt, das dem schweizerischen Medienhaus Ringier gehört hatte, wurde 2014 an die Gesellschaft Mediaworks Hungary verkauft, die zu dieser Zeit über die Wiener Firma Vienna Capital Partners dem Österreicher Heinrich Pecina gehörte. Binnen weniger Wochen nach der Schließung von "Népszabadság" verkaufte Pecina Mediaworks mit zwölf regionalen Blättern und einer Sportzeitung an den zweitreichsten Ungarn Lörinc Mészáros, einem Vertrauten Viktor Orbáns.

Pecina kam dann im berühmten Ibiza-Video vor, mit dem damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in der Hauptrolle. Strache kostete das alle seine Ämter, brachte die Regierung des Kanzlers Kurz zum Sturz und führte zu vorgezogenen Parlamentswahlen am letzten Sonntag, die mit einem Debakel für die FPÖ endeten.

Polen: Die Regierenden haben ein Problem

"Die Erzählung von Márton, wie seine Zeitung einfach dichtgemacht wurde, ist schrecklich", sagt Wieliński, der zugleich betont, dass sein Land "Gott sei Dank", noch nicht so weit wie Ungarn ist. Die öffentlich-rechtlichen Medien wurden zwar schon von der Regierung als "Nationalmedien" unterordnet, aber die Privaten konnten ihre Positionen verteidigen. "Die Medienlandschaft in Polen ist nicht so einfach zu übernehmen", glaubt Wieliński. "Weil die ausländischen Konzerne nicht aufgeben wollen. Weil diese Geschäfte Gewinne bringen. Aber auch, weil es wichtige Spieler gibt, die sich nicht einschüchtern lassen, wie 'Wyborcza' zum Beispiel", so Wieliński.

Spätestens seit der Machtübernahme der PiS vor vier Jahren kündigen die Regierenden eine "Repolonisierung" der Privatmedien mit ausländischen Besitzern an, also ihre Rückkehr in polnische Hände. "Aber bis heute haben sie noch  keinen Entwurf eines solchen Gesetzes vorgestellt", erklärt der polnische Journalist, was seiner Meinung nach bedeutet, dass dieser Versuch misslungen ist.

Die Regierungspartei PiS hat tatsächlich ein Problem. Ihre größten Gegner sind das Fernsehen TVN und eben "Gazeta Wyborcza" - die erste unabhängige Tageszeitung im ehemaligen Ostblock, die unter der Leitung von Adam Michnik seit dem Frühling 1989 erscheint.

Medien Polen
Polens regierende PiS-Partei will die Medien "repolonisieren". Bild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

TVN befindet sich in ausländischen Händen, könnte deshalb theoretisch zurückgewonnen werden. Aber sein Eigentümer ist das US-amerikanische Medienhaus Discovery. Jeder Versuch daran zu rütteln, würde mit Sicherheit eine harte Antwort aus Washington nach sich ziehen. Da die PiS die USA als wichtigsten Verbündeten sieht. Die "Gazeta Wyborcza" gehört wiederum der Gesellschaft Agora, die ein polnisches Unternehmen ist und deshalb schwer "repolonisiert" werden kann. "Da muss die Regierung schon kreativ sein", meint Wieliński. Und sie ist es.

Sofort nach der Machübernahme hat die PiS alle Abonnements der Zeitung bei den Staatsinstitutionen gestrichen. Die staatseigenen Firmen inserieren bei "Wyborcza" auch nicht mehr. Aus den Tankstellenshops des staatlichen Ölkonzerns PKN Orlen wurde das Blatt verbannt.

Die Zeitung lässt sich jedoch nicht aushungern. Die zurückgehenden Verkaufszahlen im Print wurden im digitalen Bereich wettgemacht. Mit 200.000 Digital-Abos sei "Wyborcza" schon die Nummer 18 weltweit, dicht hinter der französischen „Le Monde".

Aber die Regierung in Warschau gibt nicht auf. "Im PiS-Wahlprogramm wird eine neue Behörde angekündigt, die sich umfassend mit den Fragen der Ethik und Ausbildung von Journalisten beschäftigen soll. Es wurde ausdrücklich gesagt, dass der Beruf des Journalisten so geregelt werden soll, wie es im Fall von Ärzten und Anwälten geregelt ist", sagt Wieliński.

Das dürfte bedeuten, dass eine Pressekammer eingeführt könnte, "die dafür sorgen wird, dass sich ihre Mitglieder - die Journalisten - an das Gesetz halten. Die "Ungehorsamen" werden einfach aus ihrem Beruf entfernt", befürchtet der Pole.

Österreich: Sturz im Ranking

"Die Situation in Österreich ist mit Polen oder Ungarn nicht vergleichbar", versichert die "Falter"-Chefreporterin. Aber in den vergangenen eineinhalb Jahren konnte man eine Tendenz bemerken, "die der ungarischen oder polnischen ähnlich ist."

Horaczek erinnert an den Fall eines Sprechers des vorherigen Innenministers Herbert Kickl, der eine Mail an die Polizei-Pressestellen geschickt hatte, dass kritische Medien nur noch die absolut nötigsten vorgeschriebenen Informationen erhalten sollen, aber nichts darüber hinaus. "Das war auch ein klares Signal".

Wien | Diskussion „Pressefreiheit unter Druck – Zur Lage der unabhängigen Medien in Polen und Ungarn“
"Die Medienlandschaft in Polen ist nicht so einfach zu übernehmen", glaubt Bartosz Wieliński.Bild: DW/A. M. Pędziwol

Ein anderes Signal ist, dass Österreich im Ranking der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" in diesem Jahr um fünf Positionen, von Platz 11 auf 16, abgestürzt ist. Zum Vergleich: Ungarn rutschte seit der Machtübernahme durch Orbáns Fidesz-Partei seit 2010 von der 23. auf die 87. Stelle, Polen von der 18. Position 2015, auf momentan Rang 59.

Gergelys und Wielińskis Vortrags-Tournee begann in Deutschland. Gibt es auch dort solche Tendenzen?

"Ich kann nur sagen, was die Kolleginnen und Kollegen von der ‚Taz' ("Die Tageszeitung)" uns erzählen. Seitens der Regierung gibt es keine Einschränkungen, aber was es gibt, sind tätliche Übergriffe zum Beispiel bei Pegida-Aufmärschen. Da gab es schon Vorfälle, wo Journalisten bedroht und attackiert wurden", erinnert Horaczek.

Leute können daraus lernen, wenn sie wollen

Die Entwicklung in Ungarn und Polen soll jedoch im Westen "zumindest als Warnung" beobachtet werden. Horaczek würde sich auch wünschen, dass die neue Europäische Kommission "noch mal genauer darauf achtet, weil auch die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, die Grund- und Menschenrechte ganz zentral zum vereinten Europa gehören. Wenn die attackiert werden, ist die Aufgabe Europas aufzustehen und solidarisch zu sein."

"Wenn man über das ungarische Beispiel berichtet, dann können Leute daraus lernen, wenn sie es wollen", meint Gergely, der sich in der Rolle eines Zeugen sieht. "Ich bin Journalist, ich berichte, ich analysiere, ich erzähle Geschichten. Auf dieser Reise habe ich das Gleiche gemacht."

"Wir versuchen, Menschen empfindlich zu machen", fügt Wieliński hinzu. Was in Polen und Ungarn schon erprobt worden ist, könnte auch in anderen Ländern Praxis werden.

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