Pressefreiheit stört Annäherung in Korea
16. Oktober 2018Wieder einmal haben sich hochrangige Delegationen der zwei koreanischen Staaten zu Arbeitsgesprächen am Waffenstillstandsort Panmunjom getroffen. Die eigentlich brisante Eilmeldung wurde jedoch bereits eine Stunde vor dem Treffen auf den sozialen Netzwerken des Landes hitzig diskutiert: Südkoreas Vereinigungsministerium hat einen akkreditierten Reporter vom Pressezentrum in der entmilitarisierten Zone ausgeschlossen.
Es handelt es sich Kim Myeong Sung, der ursprünglich aus Nordkorea stammt. Wie mittlerweile über 31.000 Flüchtlinge hat Kim im Süden eine neue Heimat gefunden - und zudem eine Anstellung bei "Chosun Ilbo", der mit 1,2 Millionen verkauften Exemplaren größten Tageszeitung des Landes. Dort wird nicht nur seine Expertise aus erster Hand geschätzt. Auch dass er aufgrund seiner traumatisierenden Erfahrungen in Nordkorea einen aktivistischen Groll gegen das Regime hegt, passt in die rechtskonservative Blattlinie.
"Man will dem Norden keine Probleme bereiten"
Südkoreas Journalisten haben den beispiellosen Ausschluss ihres Kollegen unverzüglich in einer gemeinsamen Stellungnahme als "schwerwiegenden Verstoß gegen die Pressefreiheit” verdammt. In der Tat liegt der Verdacht nahe, dass die Regierung in Seoul die Pressefreiheit einschränkt, um das Regime in Pjöngjang im Zuge der jüngsten Annäherung nicht zu vergrämen. Dieses diffamiert schließlich seine Fahnenflüchtigen als "kriminelle Verräter” und sperrt zurückgelassene Familienangehörige oft für Jahre in Umerziehungslager. Ebenso kontrolliert es wie kein zweites Land die heimische Medienlandschaft, im Pressefreiheits-Index von Reporter ohne Grenzen steht Nordkorea auf dem letzten Platz.
Das Seouler Wiedervereinigungsministerium berief sich bei seiner Entscheidung auf "Sicherheitsgründe”, ohne diese jedoch näher auszuführen. Kim Myeong Sung sei "weithin für seine Aktivitäten bekannt”, sagt ein Ministeriumssprecher diffus. Und: Die Entscheidung sein allein aus eigenen Stücken getroffen worden, von nordkoreanischer Seite hätte es keinen Druck gegeben. Aus einem Hintergrundgespräch mit einem anderen Beamten des Wiedervereinigungsministerium lässt sich jedoch heraushören, dass Südkorea dem nördlichen Nachbarn sehr wohl "keine Probleme” verursachen möchte. Der betroffene Journalist selbst hat sich in einem ersten Interview mit der BBC zutiefst enttäuscht gezeigt: "Wir nordkoreanischen Flüchtlinge sind südkoreanische Staatsbürger. Ich fühle mich wehrlos und habe Angst, dass mich meine Regierung im Ernstfall nicht schützen würde".
Wandel der Presselandschaft in Südkorea
Im demokratischen Südkorea ist das Thema Pressefreiheit ein hochemotionales Thema. Jahrzehntelang haben Militärdiktatoren versucht, die Redaktionen des Landes mundtot zu machen. Seit den ersten freien Wahlen 1987 hat sich schließlich eine politisch polarisierte Presselandschaft entwickelt, deren Berichterstattung nicht selten an Aktivismus grenzt. Vor allem die zwei vorherigen konservativen Präsidenten, die beide auf Grund von Korruptionsfällen mittlerweile zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt wurden, übten massiv Druck auf den öffentlichen Rundfunk aus. Mehrere kritische Reporter wurden unter beliebigen Vorwänden gefeuert oder in politikferne Ressorts versetzt.
Unter dem linksgerichteten Moon Jae-in hat sich die Situation merklich verbessert: In nur einem Jahr ist das Land im Pressefreiheits-Index von Reporter ohne Grenzen vom 63. auf dem 43. Platz geklettert, damit liegt es praktisch gleichauf mit Taiwan und sogar zwei Plätze vor den USA. In seiner Begründung sagt die NGO über Südkoreas aktuellen Präsidenten, der während der Demokratiebewegung als Menschenrechtsanwalt gedient hat, dass er nach einem düsteren Jahrzehnt "frischen Wind" für die Medienlandschaft gebracht hat. Dieser ist auch für die ausländischen Korrespondenten deutlich zu spüren: Im Gegensatz zu seiner Vorgängerin, Ex-Präsidentin Park Geun Hye, stellt sich Moon in regelmäßigen Abständen den vorher nicht eingereichten Fragen der Presse.
Zweifel am neuen Kurs unter Moon
Doch ideal ist die Situation keinesfalls, wie sich auch am Wochenende wieder gezeigt hat: Anlässlich Moon Jae-ins derzeitigem Frankreich-Besuchs hat der 65-Jährige Präsidenten dem französischen "Le Figaro" nur unter der Bedingung ein Interview gegeben, wenn dieses schriftlich geführt wird.
Gerade im öffentlichen Rundfunk herrscht zudem die Angst, dass das politisch Pendel nun in die andere Richtung ausschlagen könne. Eine Kollegin vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender KBS, die nicht namentlich genannt werden möchte, sagt: "Seit dem politischen Wechsel sind scheinbar auf einmal alle Redakteure progressiv geworden. Nur wenige trauen sich, aus der Reihe zu tanzen".