"Moon muss den ehrlichen Makler spielen"
20. September 2018DW: Moon Jae In hat erklärt, er und Kim seien übereingekommen, die koreanische Halbinsel "in ein Land des Friedens, frei von Atomwaffen und atomarer Bedrohung" zu verwandeln. Gleichzeitig hat Nordkorea die dazu nötigen Schritte noch nicht getan. Kann man Moon Naivität vorwerfen?
Hilpert: Ich würde Präsident Moon keine Naivität unterstellen. Er ist ja schon sehr lange im Nordkorea-Geschäft und kennt sein Gegenüber sehr gut. Aber es gehört halt auch dazu, ein bisschen blumige Semantik zu verbreiten und damit den politischen Impetus in Richtung Frieden und Aussöhnung zu verstärken. Denn das ist es, was Moon im Kern propagiert: Dialog, Aussöhnung, Verzicht auf Gewalt und Krieg.
Ein Teil der Vereinbarungen zwischen Kim und Moon Jae In betrifft die Wiederaufnahme der unterbrochenen Wirtschaftsbeziehungen. Der Industriepark Kaesong auf der nördlichen Seite der Grenze soll wieder den Betrieb aufnehmen, ebenso wie die Touristenfahrten zum Kumgang-Gebirge. Ist die Kritik, die von verschiedenen Seiten aus den USA (nicht von Trump) daran geübt wird, berechtigt?
Ja, die ist durchaus berechtigt. Denn zumindest dem Geist der Sanktionsbeschlüsse würden solche Schritte entgegenlaufen. Die Sanktionen sollten Nordkorea unter anderem von Deviseneinnahmen abschneiden. Durch die Wiederaufnahme dieser Wirtschaftskontakte würde Nordkorea natürlich wieder Devisen verdienen können, damit wäre der wirtschaftliche Druck auf das Regime gemindert.
Hat für Moon die Aussöhnung mit dem Norden eine höhere Priorität als die Lösung der nordkoreanischen Atomfrage?
Ich denke, das sind für Moon zwei Seiten einer Medaille. Es wird keine innerkoreanischen Annäherung und Aussöhnung geben, solange nicht auch die Atomfrage zumindest teilweise entschärft ist, und deshalb glaube ich nicht, dass das aus dem Blick geraten ist. Aber es ist nun mal so, dass sich die Blockaden im innerkoreanischen Verhältnis relativ einfach beseitigen lassen. Mit der Nuklearfrage ist dagegen für das Kim-Regime die Macht- und Überlebensfrage gestellt, deswegen wird eine Lösung dieser Frage sehr viel schwieriger sein.
Besteht aus internationaler Perspektive dann nicht die Gefahr, dass die genannten Blockaden durch Moons Initiativen gelöst werden und die Atom-Abrüstung Nordkoreas dabei aus dem Fokus gerät?
Ja, absolut. Pjöngjang verfolgt recht geschickt die Strategie, die bis Anfang 2018 doch relativ klar vorhandene Front der Nachbarstaaten aufzubrechen. Das ist Kim Jong Un in Bezug auf China und Russland schon ganz gut gelungen, und in Bezug auf Südkorea arbeitet er nun daran. Und wenn diese Front aufgebrochen ist, dann haben die USA natürlich schlechte Karten, um eine De-Nuklearisierung so durchzusetzen, wie sie sich das vorstellen, nämlich verifizierbar und unumkehrbar.
Es ist jetzt die Frage, inwieweit Moon der ehrliche Makler zwischen den USA und Nordkorea sein kann. Dafür muss er auf der einen Seite die Sicherheitsinteressen der USA im Blick behalten, die auch für das Sicherheitsinteresse Südkoreas gegenüber Nordkorea ganz entscheidend sind. Auf der anderen Seite muss er das Überlebensinteresse des nordkoreanischen Regimes im Blick behalten und zwischen beidem einen Ausgleich schaffen. Dieses Vorgehen entspricht dem existenziellen Interesse der Südkoreaner: Sie wollen im Prinzip weiterhin die Sicherheitsgarantie der USA haben und gleichzeitig keinen Krieg auf der koreanischen Halbinsel.
Wie steht Japan da angesichts der momentanen Aufbruchsstimmung auf der koreanischen Halbinsel ?
Shinzo Abe ist der einzige Regierungschef der Anrainerstaaten, der sich bisher noch nicht mit Kim Jong Un getroffen hat. Japan steht also etwas im Abseits. Gleichzeitig war Japan bei all den Drohungen, die Nordkorea in der Vergangenheit ausgestoßen hat, immer an vorderster Stelle genannt. Jetzt hat es keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, höchstens indirekt über Moon oder oder Trump. Aber die beiden vertreten in erster Linie nationale Interessen und nicht die Japans, insofern ist Japan natürlich in einer schwierigen Position.
Wie bewerten Sie die Zusagen Nordkoreas, verschiedene nukleare Einrichtungen abzubauen, so eine Testanlage für Raketenantriebe sowie eine Raketenabschussbasis?
Symbolisch hat es seinen Wert, aber als Abrüstungsschritt ist es ziemlich bedeutungslos, denn diese freiwilligen Maßnahmen können zurückgenommen werden. Es liegt im Prinzip in der Hand Nordkoreas, wie es weiterläuft. Es werden zwar internationale Beobachter eingeladen, aber nicht die, die entscheidend wären, nämlich von der IAEA. Zumindest ist davon keine Rede, sondern es sind wohl Leute, die Nordkorea selbst aussucht.
Außerdem wäre eine Voraussetzung, um sinnvollerweise mit einer Abrüstung zu beginnen, die, dass Nordkorea – wie von den USA gefordert - eine Inventarliste seiner nuklearen Anlagen, Materialien und ballistischen Fähigkeiten vorlegt. Auch das ist bislang nicht passiert.
Hanns Günther Hilpert ist Forschungsgruppenleiter Asien bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).