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Lithium-Krieg in Portugal

Jochen Faget Lissabon
1. September 2021

In Portugals Nordprovinz Trás-os-Montes soll Lithium im Tagebau abgebaut werden. Doch die Bevölkerung der lange vernachlässigten, dünn besiedelten und wenig entwickelten Region wehrt sich dagegen.

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Portugal | Lithium-Bergwerk in Nordportugal
Überall hängen Protestplakate: "Nein zum Bergwerk, ja zum Leben"Bild: Jochen Faget/DW

Die Vögel zwitschern, der Mais steht hoch und kann bald geerntet werden. Eine Kuh grast am Straßenrand und ein Schäfer treibt seine Schafe auf die Weide. Ruhig und gemächlich, denn die Sonne brennt bei 30 Grad gnadenlos vom tiefblauen Himmel. Kein Wölkchen ist zu sehen, nur endlose Wälder auf sanften Mittelgebirgsketten und ein in die Ginsterbüsche gemähter, kilometerweit sichtbarer Hilferuf auf Englisch: "Help".

Denn die paradiesische Landschaft bei dem Dörfchen Covas do Barroso ist in Gefahr, sie soll einem Lithiumbergwerk weichen - ausgerechnet im Namen des Umweltschutzes. Das Bergwerk würde den Rohstoff für Elektro-Auto-Batterien produzieren, die wiederum den CO2-Ausstoß weltweit verringern und Europas Abhängigkeit von Lithiumimporten verringern sollen. Und weil Portugals Regierung beschlossen hat, in Sachen Lithium ein "big player" sein zu wollen. Zehn Prozent der europäischen Lithiumvorräte  - so wird geschätzt - lagern in Portugal. Nur leider meistens in Paradiesen wie dem von Covas do Barroso. Da sind Konflikte vorprogrammiert.

Portugal | Lithium-Bergwerk in Nordportugal
Help - der in die Weidegründe eingeackerte Hilferuf der Bevölkerung von Covas do BarrosoBild: Jochen Faget/DW

Schwere Umweltschäden befürchtet

"Auf 72 Hektar Land soll hier an zunächst vier Orten im Tagebau Lithium gefördert werden. Riesige Abbaulöcher und Abraumhalden werden entstehen, Wasserläufe umgeleitet. Die ganze Landschaft und ihr ökologisches Gleichgewicht wird zerstört werden und dagegen wehren wir uns", fasst Nelson Gomes zusammen. Er ist der Vorsitzende einer Bürgerinitiative, die seit mehr als drei Jahren gegen das Projekt kämpft. Ihr Wahlspruch "Ja zum Leben, nein zum Bergwerk" prangt inzwischen auf immer mehr Häuserwänden und sogar Verkehrsschildern. "Seit Jahrhunderten betreiben wir hier nachhaltige Landwirtschaft", erklärt der Bauer Nelson Gomes. "Mit kleinen, ökologischen Familienbetrieben, ohne große staatliche Hilfen. Das werden wir uns nicht nehmen lassen. Wir werden bis zum Ende gegen das Bergwerk kämpfen!"

Portugal | Lithium-Bergwerk in Nordportugal
Nelson Gomes, der Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen das Bergwerk, verspricht: "Wir werden bis zum letzten dagegen kämpfen!"Bild: Jochen Faget/DW

Wegen der ursprünglichen und umweltfreundlichen Nutzungsart hat die Welternährungsorganisation FAO die Region sogar zum "landwirtschaftlichen Weltwerbe" erklärt. Eine Auszeichnung, die wegen des geplanten Lithiumabbaus natürlich auch in Gefahr sei, meint Gomes. Portugals Regierung dagegen geht es um Großes: Sie hat dem Land vor drei Jahren eine milliardenschwere "Nationale Lithiumstrategie" verordnet: Sie träumt von einer Raffinerie zur Lithiumerzverarbeitung, sogar von einer Batterienfabrik. Von gewinnbringenden Zukunftstechnologien und höchstqualifizierten Arbeitsplätzen für das arme Land. Vor allem aber will sie - Stichwort Europäischer Grüner Deal - mit Lithium viel Kohle machen. Der Umweltminister João Pedro Matos Fernandes formuliert das so: "Wir wollen unsere Lithiumreserven nutzen, um an der Mehrwertschöpfung teilzuhaben, die durch die damit verbundene Entkarbonisierung stattfindet."

Mehrwert bleibt nicht im Land

Doch dass es dazu kommt, ist höchst ungewiss: Zwar sei das Interesse internationaler Unternehmen groß, in Portugal Lithium abzubauen, berichtet Nuno Forner von der Umweltschutzorganisation Zero. Doch gehe es denen nur um den umweltschädlichen Abbau, nicht um die gewinnbringende Weiterverarbeitung: "Es gibt keinerlei konkreten Zusagen irgendwelcher Unternehmen, in Portugal eine Lithiumraffinerie zu bauen oder gar eine Batterienfabrik. Alles deutet darauf hin, dass die wirkliche Wertschöpfung beim Lithium im europäischen Ausland geschehen wird."

Trotzdem drückt die Regierung zumindest beim Abbau heftig auf die Tube: Sie hat bereits zwei Abbaulizenzen vergeben und stolze neun Regionen für die Suche nach dem von ihr so genannten 'weißen Gold' ausgewiesen. Fast alle im Norden Portugals und viele in oder neben Naturschutzgebieten, die zum Teil sogar zum europäischen Natura-2000-Netzwerk gehören. Die meisten Prospektionsgebiete liegen in der nördlichen Region Trás-os-Montes, die auf Deutsch 'Hinter den Bergen' heißt. Und ausgerechnet in dieser dünn bevölkerten, unterentwickelten Grenzregion zu Spanien ist der Widerstand am größten.

Portugal | Lithium-Bergwerk in Nordportugal
Fernando Queiroga, der Landrat, will keinen Lithium-Tagebau in seinem LandkreisBild: Jochen Faget/DW

Mehr Schaden als Nutzen

"Würde das Barroso-Bergwerk wirklich genehmigt, würde das nicht weniger als die Zerstörung unserer Region bedeuten", erklärt Fernando Queiroga, der zuständige Landrat. Trotz aller Schwierigkeiten und praktisch ohne Hilfe aus der Hauptstadt Lissabon sei es den Menschen in der Region gelungen, neue Märkte für ihre Landwirtschaftsprodukte mit geschützten Herkunftsbezeichnungen zu finden. Er fragt: "Wie sollen wir unser Rindfleisch noch verkaufen, wenn es mit Lithiumabbau identifiziert wird? Oder unseren hochwertigen Honig, wenn der Staub die Bienen tötet?"

Die dafür angebotenen Ausgleichszahlungen von rund 500.000 Euro jährlich seien lächerlich, bestätigt auch Albano Alvares, der Leiter der örtlichen Landwirtschaftsgenossenschaft: "Die Schäden, die nur für die Forstwirte in dem betroffenen Gebiet entstehen würden, liegen bei rund 70 Millionen Euro." Über das Argument, das Bergwerk schaffe Arbeitsplätze, kann er nur lachen: "Allein unsere Genossenschaft hat zehn Arbeitsplätze für Hochschulabgänger geschaffen. Im Bergwerk wird es nur unqualifizierte Jobs geben, die niemand hier will." Obendrein wären die zu schaffenden Arbeitsplätze nur für einen begrenzten Zeitraum. Voraussichtlich nach rund zehn Jahren wären die Lithiumvorräte bei Covas do Barroso erschöpft, würde die Mine wieder geschlossen. Die ökologischen Schäden jedoch blieben.

Portugal | Lithium-Bergwerk in Nordportugal
Albano Alvares hat mit seiner Landwirtschaftsgenossenschaft zehn Arbeitsplätze für Hochschulabgänger geschaffen und sagt: "Niemand will einen Hilfsarbeiterjob im Bergwerk"Bild: Jochen Faget/DW

So geht der Lithium-Krieg "hinter den Bergen" in die nächste Runde: Jetzt muss die portugiesische Umweltagentur über die Umweltverträglichkeitsstudie entscheiden, die die Betreiberfirma vorgelegt hat. Die sei stümperhaft, findet Bürgermeister Queiroga. Sie lasse die Auswirkungen auf viele gefährdete Tierarten von Süßwassermuscheln bis hin zum iberischen Wolf außer Acht, gibt auch Nuno Forner, der Umweltschützer von Zero zu bedenken: "Wir müssen uns genau überlegen, ob es wert ist, die Umwelt zu zerstören, selbst wenn es sich beim Abbau von Lithium eigentlich um einen guten Zweck handelt."

Widerstand bis zum Ende

Portugals Regierung scheint jedoch davon auszugehen, dass das Bergwerk schon im nächsten Jahr gebaut werden kann: Die Bodenschätze seien ein Gut der Allgemeinheit. Und zu deren Wohl müssten eben Opfer gebracht werden, heißt es aus dem zuständigen Umweltministerium. "Hinter den Bergen bestimmen die, die dort leben", hält Nelson Gomes von der Bürgerinitiative dagegen. Der Kampf gegen das Bergwerk gehe weiter. Bis zum letzten und notfalls auch mit allen Mitteln.