Lithium: Weißes Gold und rotes Tuch
25. Juli 2021Ein wichtiges Kapitel der europäischen Energiepolitik wird gerade in der Extremadura geschrieben. Diese Region, die bislang für blühende Kirschbäume, Edelschinken und sonst nur wenig mehr bekannt war, rückt in den Fokus der Batteriehersteller. Extremadura, das sind weite Landstriche im Westen Spaniens, viel Natur, dazwischen die Städte Mérida, Cáceres und Badajoz. Dort hinterließen schon die Römer ihre Spuren. Jetzt kommen Menschen wie Mario Celdrán.
Der Unternehmer steckt seine Energie und sein Geld in verschiedenste Projekte, darunter Immobilien oder auch einen Hersteller von Graphen, dem "Wundermaterial", dass wegen seiner Leichtigkeit und gleichzeitiger Leitfähigkeit bei Physikern Begeisterungsstürme auslöst.
Batterie-Technik im Mittelpunkt
Batterien haben es ihm aber besonders angetan. 2016 sorgte er mit der Firma Grabat Energy für Aufmerksamkeit in der Branche. Das kleine Unternehmen hatte nach eigenen Angaben eine Graphen-Batterie entwickelt, die schneller zu laden war und mehr Leistung bot, als Lithium-Ionen-Batterien. Nach der Ankündigung kam jedoch die Abschottung. Presseanfragen blockte das Unternehmen über Jahre ab, es entstand der Verdacht, dass alles nur ein großer Bluff gewesen sei.
Mario Celdrán verließ das Unternehmen zwei Jahre später, weil er "mit der Strategie nicht mehr einverstanden war", sagt er gegenüber der DW. Seitdem widmet er sich einem Projekt, das Spanien schlagartig in die Liga der Batteriehersteller heben soll.
Gemeinsam mit anderen Geschäftspartnern will er in der Region Extremadura eine komplette Wertschöpfungskette für Lithiumzellen aufbauen. Das Unternehmen heißt Phi4Tech und schürt die Hoffnung vieler Lokal- und Regionalpolitiker auf hunderte neue Jobs. Allein in die Batteriefabrik sollen 400 Millionen Euro investiert werden. Celdrán hat auch schon eine derzeit stillgelegte Kobalt-Mine an der Grenze zu Andalusien gekauft. Er will ein Gesamtpaket schnüren, komplette Zellen mit ihren Zutaten "Made in Spain".
Größte Lithium-Vorkommen Europas
Zahlen und Prognosen sprechen für sich: 2019 wurden weltweit 77.000 Tonnen Lithium gefördert. Der Bedarf nach dem Metall soll sich bis 2024 verdoppeln. Kein Wunder, denn immer mehr Autokonzerne sehen ihre nahe Zukunft in der Elektromobilität, dazu kommen Speicherlösungen für erneuerbare Energien aus Wind und Sonne.
Wegen der wachsenden Nachfrage stehen nicht mehr nur die Top-Förderländer Australien, Chile oder China im Fokus der Minengesellschaften, sondern jetzt auch Europa. Rückenwind bekommen sie von der Europäischen Kommission, die mit ihrem Green Deal auch die Elektromobilität und die Zellfertigung in der EU forciert.
In diesem Kontext sind vor allem Lagerstätten in der Grenzregion zwischen Spanien und Portugal interessant, sie gelten nach Experten-Schätzungen als größte Vorkommen des Kontinents. In Portugal hat die Regierung eine nationale Lithiumstrategie definiert, will vom Abbau bis zur Zellfertigung eine Wertschöpfungskette aufbauen. Doch auf beiden Seiten der Grenze gibt es eine gemeinsame Herausforderung: Den Protest der Bevölkerung.
Angst vor Umweltschäden
Auf der spanischen Seite, in der Region Extremadura, hat es eine Bürgerinitiative schon geschafft, eine Mine nahe der Stadt Cáceres zu verhindern. Jetzt verlagert sich der Protest. Im 1000-Einwohner-Ort Cañaveral soll eine Mine das Lithium für die Batteriefabrik von Mario Celdran fördern. Die geplante Lithium-Mine soll unter dem Label "Green Mining" entstehen, also besonders umweltschonend sein.
Kritiker halten das für reines Marketing. "Sie zerstören wertvolle Natur und außerdem werden sie uns hier das Wasser rauben", fürchtet Julio Cesar Pintos Cubo von der Initiative gegen die Mine in Cañaveral. Bei einem Protestzug zum acht Kilometer entfernten Rathaus machten die Gegner ihrem Ärger Luft.
Diese und andere Bewegungen eint in der Extremadura die Überzeugung, dass die dünn besiedelte Region (25 Einwohner pro Quadratkilometer) zum Opfer der Ausbeutung von Rohstoffen werden könnte. Sie fürchten, dass die Mine weniger Impulse für den lokalen Arbeitsmarkt bringt als erwartet, die Versprechen also verpuffen - zumal sie den Unternehmern nicht trauen.
Mario Celdrán gibt sich dagegen optimistisch. "Man muss die Menschen mitnehmen, ihnen das Projekt erklären", sagt er. Doch genau das geschehe bislang nicht, klagen die Gegner.
Mit Arbeitsplätzen Landflucht stoppen
Während in Cáceres die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Mine war, stehen sich in Cañaveral Gegner und Unterstützer gegenüber. Im Rathaus ist man dafür, auch auf der Straße hört man von Anwohnern, dass die Mine und eine mögliche Kathodenfertigung das langsame Sterben des Städtchens aufhalten könnten. Die Extremadura leidet unter chronischer Landflucht. Zustimmung zur Mine in Cañaveral könnte so zum Griff nach dem rettenden Strohhalm werden.
Sollte das Minen-Projekt doch scheitern, wird die Batteriefabrik trotzdem gebaut, versichert Mario Celdrán gelassen. Dann wird der Rohstoff aus anderen Minen in Europa oder dem Rest der Welt kommen. Während die Wunderzellen von Grabat Energy nie auf den Markt gebracht wurden, scheint die Batteriefabrik in der Extremadura wahrscheinlicher zu sein. Denn eine erste Testanlage für die Zellen entsteht gerade südlich von Madrid. Dort hat Phi4Tech auch ein Entwicklungslabor. Ende des Jahres sollen im Ort Noblejas erste Speicherlösungen an die Kunden gehen. Diesmal war der Besuch als Journalist auch kein Problem.
Entscheidung über Lithium-Mine längst gefallen?
In Cañaveral wollen die Gegner weiter gegen die Mine kämpfen. Doch es wird kein leichtes Unterfangen. Im Gegensatz zur Mine in Cáceres, die nahe der Stadt geplant war, liegt zwischen Cañaveral und dem Standort ein Berg. Die meisten Einwohner würden so gut wie nichts vom Lithium-Abbau mitbekommen. Nur rund 80 Bewohner einer kleinen Siedlung fürchten sich vor Staub, Lärm und Wassermangel. Davon sind sie aber auch jetzt schon nicht verschont. Hinter ihren Häusern verläuft nicht weit entfernt die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke der Eisenbahn, bei deren Bau ein Grundwasserreservoir beschädigt wurde. Zwischen der Siedlung und der geplanten Mine verlaufen Hochspannungsleitungen und eine Autobahn.
Mit ihrem Protestmarsch wollten die Minen-Gegner für ihre Sache werben und die Lokalpolitiker zum Umdenken bewegen. Doch trotz aller Mühe: Kaum ein Medium aus der Region berichtete darüber. Vielleicht war es den Journalisten zu heiß, der Protestzug mit gut 100 Teilnehmern zu klein - oder in den Redaktionen ist längst klar, dass die Mine sowieso kommen wird.