Portugal kämpft mit Steuererhöhungen gegen Rekorddefizit
28. Mai 2005Schon der ehemalige Regierungschef Portugals, José Manuel Barroso, hatte seinen Landsleuten im Wahlkampf 2002 einen "Steuerschock" versprochen - im positiven Sinn. Eine deutliche Senkung der Körperschaftssteuer sollte die lahmende Wirtschaft neu beflügeln. Nun steht den Portugiesen ein neuer Steuerschock ins Haus, diesmal jedoch ein unerfreulicher: Wegen eines dramatischen Haushaltsdefizits hat der amtierende Regierungschef José Sócrates am Donnerstag (26.5.05) gleich mehrere Steuererhöhungen angekündigt.
Portugal erwartet in diesem Jahr ein Defizit in Rekordhöhe von 6,83 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ist damit der größte Defizitsünder der EU. "Die Lage ist viel schlimmer als wir dachten", sagte Sócrates, der erst seit März 2005 im Amt ist, dem Parlament. "Es gibt keine andere Möglichkeit als die Steuern zu erhöhen." Mit einer Erhöhung von Mehrwertsteuer, Tabak- und Mineralölsteuer will die Regierung das Defizit bis Jahresende auf 6,2 Prozent drücken. Im nächsten Jahr soll dann ein höherer Einkommensteuersatz für Besserverdienende hinzukommen. Außerdem will Sócrates das Pensionsalter im öffentlichen Dienst von 60 auf 65 Jahre anheben.
Niedriglohnland war gestern
"Portugal hat in den letzten Jahren real an Wettbewerbsfähigkeit verloren", erklärt Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Wirtschaft das portugiesische Problem. "Das Land leidet ganz besonders unter der Osterweiterung der EU." Denn Portugal galt in der EU der 15 Anfangs noch als Niedriglohnland und genoss daher einen Wettbewerbsvorteil. "Portugals Lohnentwicklung war in den letzten Jahren jedoch überdurchschnittlich", sagt der Wirtschaftsexperte. Nun machen nicht nur die neu hinzu gekommenen osteuropäischen EU-Mitglieder in Punkto Lohnkosten den Portugiesen den Rang streitig. Auch die Konkurrenz aus dem asiatischen und nordafrikanischen Raum macht der Wirtschaft seit längerem zu schaffen.
Strukturprobleme
Bereits die konservativ-liberale Regierung unter Barroso hatte mit großen Wirtschaftsproblemen zu kämpfen und war dabei wenig erfolgreich. Unter ihrer Herrschaft (2002 bis 2005) stieg die Arbeitslosigkeit auf über sieben Prozent, während das BIP je Einwohner auf 68 Prozent des EU-Mittelwerts sank, obwohl die Regierung mit dem Versprechen eines Wirtschaftswunders angetreten war. Das jährliche Wirtschaftswachstum, das bis 2000 noch bei 3,5 Prozent über EU-Durchschnitt lag, brach 2003 auf -1,3 Prozent ein.
An der bis heute währenden Misere sind aber auch die Sozialisten schuld. Unter dem sozialistischen Regierungschef Antonio Guterres floss in den Jahren 1995 bis 2002 zu viel Geld in den Ausbau des Staates, nötige Strukturreformen blieben liegen. So leidet Portugal heute unter einem Ausgabeproblem. Fast die Hälfte der zehn Millionen Portugiesen lebt derzeit vom Staat: entweder indirekt über soziale Transferleistungen oder direkt als Staatsdiener.
Wirtschaftsfachmann Gern glaubt angesichts der prekären Lage nicht, dass das Defizit mit kurzfristigen Maßnahmen nennenswert gesenkt werden kann. "Bei solchen Problemen benötigt man schon ein paar Jahre. Wenn aber die Richtung stimmt, kann das die Wirtschaft beflügeln und so für wirtschaftlichen Rückenwind sorgen", sagt Gern.
Strafverfahren kommen und gehen
Selbst wenn die portugiesische Regierung bis zum Ende des Jahres die Neuverschuldung wie angepeilt um ein paar Kommastellen drücken könnte, wird die EU-Kommission wohl im Juni ein Defizitstrafverfahren gegen Portugal auf den Weg bringen. Ob das allerdings Folgen haben wird, ist eher fraglich. Schließlich wurde gegen das Land schon einmal ein solches Verfahren eingeleitet, ohne dass es zu Sanktionen kam.
Portugal war 2002 das erste EU-Mitglied überhaupt, gegen das ein solches Verfahren eröffnet wurde. Schon damals hatte Lissabon eher auf kurzfristige Einnahmeerhöhungen gesetzt, die Mehrwertsteuer angehoben und etwas Tafelsilber - in Form von Privatisierungen - verhökert, statt die Ausgaben in den Griff zu bekommen. In Brüssel hatten sie damit Erfolg. Nach zwei Jahren wurde das Verfahren wieder eingestellt - wegen "guter Führung".
"Das ist die eigentliche Schwachstelle des Stabilitätspakts", sagt Klaus-Jürgen Gern. "So wie der Pakt derzeit formuliert ist, kann man zwei Jahre übermäßige Defizite im Haushalt haben. Wenn man dann mit einem Kraftakt kurzfristig wieder unter die Drei-Prozent-Grenze kommt, wie Portugal das 2004 geschafft hat, wird das Verfahren prompt wieder eingestellt."