Polizei räumt Hambacher Forst
13. September 2018Dazu rückte die Polizei mit einem Großaufgebot in das 12.000 Jahre alte Waldgebiet aus, um die Räumung der gut 50 Baumhäuser durchzusetzen. Die Beamten waren auch mit speziellen Höhen-Interventionsteams zum Abbau der hoch gelegenen Holzbuden im Einsatz. Schwere Räumfahrzeuge und Wasserwerfer rundeten das Bild vor Ort ab. Wie lange die Aktion dauern werde, sei noch völlig offen, sagte eine Vertreterin des NRW-Innenministeriums.
Bei der Räumung kam es auch zu Gewaltaktionen. So wirft die Polizei den Baumschützern vor, mindestens einen Polizisten leicht verletzt zu haben. Beamte und Autos der Einsatzkräfte seien bei der begonnenen Räumung mit Steinen und Molotow-Cocktails beworfen worden. Zudem sollen die Beamten mit Zwillen beschossen worden sein.
Eilantrag abgelehnt
Die geplante Räumung beschäftigte auch die Justiz: Das Verwaltungsgericht Köln lehnte einen Eilantrag gegen die Räumung eines Baumhauses im Hambacher Forst ab. Mehrere Privatpersonen hatten sich an das Gericht gewandt, um den Räumungsbeschluss der Stadt Kerpen zu kippen. Nach Aussage einer Gerichtssprecherin sei davon auszugehen, dass bei den noch ausstehenden Eilanträgen ähnlich entschieden wird. Das Einschreiten zur Gefahrenabwehr für den Bewohner selbst und wegen Waldbrandgefahr sei gerechtfertigt, teilte das Gericht mit. Die kurze Räumungsfrist sei "insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Gefahrintensivierung wegen einer zu befürchtenden weiteren Eskalation der Situation nicht zu beanstanden", heißt es in der Mitteilung. Gegen den Beschluss ist eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster möglich.
Treffen mit RWE ohne Ergebnis
Am Montag war ein Treffen zwischen Umweltverbänden und dem Energiekonzern RWE ohne eine Einigung geblieben. Der Energiekonzern RWE will am Rand des Braunkohletagebaus Hambach ab Mitte Oktober hundert Hektar Wald roden, um den Tagebau zu vergrößern - dies sei "kurzfristig zwingend erforderlich", um die Kohleförderung aus dem Tagebau Hambach sicherzustellen, argumentiert der Konzern.
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach und Innenminister Herbert Reul begründeten die Räumung mit einem "massiven Verstoß gegen Brandschutzvorschriften". Bei als Wohnungen genutzten Baumhäusern handele es sich um "bauliche Anlagen" im juristischen Sinne, die dauerhaft bewohnt würden und etwa über Küchen und Heizungen verfügten. Damit müssten sie nach dem Bauordnungsrecht genehmigt werden. Dies sei aber nicht geschehen. Breche ein Brand aus, sei die Lage für die Bewohner "schlicht lebensgefährlich", schrieben die beiden CDU-Politiker in einer Erklärung an die zuständigen Landtagsausschüsse.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die begonnene Räumung gegen Kritik verteidigt. "Ich finde es nicht in Ordnung, wenn Sie eine unternehmerische Entscheidung, die durch Gerichte bestätigt ist, die durch ein Parlament bestätigt ist, die durch demokratische Entscheidungen bestätigt ist, in dieser Art und Weise denunzieren", sagte Altmaier.
Kritik von Linken und Grünen
Scharfe Kritik an der Räumungsaktion übten Grüne und Linke. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Räumung "eine Provokation und völlig unverantwortliche Eskalation". "Das vorgeschobene Argument des Brandschutzes ist an den Haaren herbei gezogen", erklärte Hofreiter in Berlin. "Dass hier einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte NRWs geplant wird, sagt auch etwas über die Prioritätensetzung der Landesregierung aus."
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kritisierte, die "plötzliche Räumung der Baumhäuser mit der absurden Begründung - Brandschutz - eskaliert den Braunkohlekonflikt". "Und dies zu Gunsten einer ungebremsten Kohleverstromung anstatt eines Ringens um tragfähige und nachhaltige Lösungen für Umwelt und Beschäftigung."
Greenpeace, Deutscher Naturschutz Ring (DNR) und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderten RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz auf, die Rodungen auszusetzen, bis die derzeit in Berlin tagende Kohlekommission ihre Arbeit abgeschlossen hat. Sie soll einen verbindlichen Zeitplan für das Ende der Kohleverstromung festlegen. RWE hatte dabei nach ihren Angaben vor, erst ab dem letzten geplanten Sitzungstag der Kommission am 15. Dezember mit den Fäll-Arbeiten zu beginnen. Jedoch hätten die Verbände die Rodung des Waldes unmittelbar und öffentlich akzeptieren sollen. RWE hatte nach eigenen Angaben eine erneute Prüfung angeboten, ob ein Rodungsbeginn auf Mitte Dezember 2018 verlegt werden könnte. Dies sei der theoretisch spätest mögliche Termin. Nun will der Konzern aber ab Mitte Oktober mit den Rodungen beginnen.
Appell an Merkel
Greenpeace appellierte an Kanzlerin Angela Merkel, einzugreifen und weitere Räumungen zu verhindern, bis die Kommission ihre Arbeit abgeschlossen habe: "Merkel darf nicht zulassen, dass ein möglicher Kompromiss in der Kohlefrage durch eine weitere Eskalation verhindert wird." Der BUND erklärte, es liefen juristische Verfahren gegen eine Räumung. "Vor der Entscheidung im gerichtlichen Verfahren Fakten zu schaffen ist eine weitere Provokation von RWE."
cgn/hf (afp, dpa, rtr)