Podemos-Protest in Madrid
1. Februar 2015Angel Lopez ist mit einer Gruppe von Freunden unterwegs in den Seitenstraßen von Madrid. Ihr Ziel ist der zentrale Platz der Puerta del Sol. Wie zehntausende andere an diesem Samstag nimmt die Gruppe um Lopez an dem „Marsch für einen Wechsel“ teil - der Demonstration, die Podemos organisiert hat. Die aufstrebende Partei, die sich aus der Protestbewegung der "Empörten" gebildet hat, konnte die politische Szene im vergangenen Jahr im Sturm erobern.
Noch nie hat Podemos so viele Menschen auf die Straße gebracht und Lopez glaubt, das könne der Anfang vom Ende dessen sein, was er die spanische "Pseudo-Demokratie" nennt.
"Podemos ist unsere letzte Hoffnung", sagt der 61-jährige Beamte. "Die Menschen meiner Generation denken, dass dies der einzige Weg ist, das korrupte System zu überwinden. Durch eine neue politische Kraft, die die Unterstützung der Basis hat."
Wenige Minuten später trifft Lopez an der Puerta del Sol ein. An die 100.000 Menschen werden den Platz und die anliegenden Straßen füllen, wie die Polizei später erklärt. Viele der Demonstranten schwenken die violette Fahnen von Podemos, die zum Erkennungszeichen der Bewegung geworden sind. Andere rufen: "Ja, wir schaffen es."
Wachsende Unterstützung
Eine Gruppe von Akademikern hat Podemos vor gerade einem Jahr gegründet. Im Mai vergangenen Jahres erreichte die Bewegung mehr als eine Million Stimmen bei der Europawahl, was der Bewegung fünf Sitze im Europäischen Parlament sicherte. Seitdem ist der Zulauf zu der linksgerichteten Plattform, die den Sparkurs der Regierung ablehnt, stetig gewachsen. Meinungsumfragen zufolge könnte Podemos die stärkste Kraft werden und die jahrelange Patt-Situation der spanischen Politik auflösen. Seit mehr als drei Jahrzehnten halten die Sozialisten und die regierende Volkspartei das Land im Griff.
Dass Podemos diesen Erfolg hat, dürfte auch an ihrem Vorsitzenden liegen: Pablo Iglesias, 36 Jahre alt, ein Politikwissenschaftler mit Pferdeschwanz und einem ausgesprochen rhetorischen Talent. In Jeans und Windjacke gekleidet, erntet er auf der Kundgebung tosenden Beifall. "Heute sind wir nicht gekommen, um zu protestieren", ruft Iglesias in die Menge. "Wir sind hier, um zu sagen, dass die Zeit gekommen ist." Der Sparkurs der Regierung habe das Land gespalten: in die Sieger und in diejenigen, denen es deutlich schlechter geht als zuvor.
Verbündet mit Syriza
Die neue spanische Kraft hat sich bereits mit der frisch gebackenen griechischen Regierungspartei Syriza verbündet. Die Kontakte zu Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sind noch intensiver geworden. Mitte Januar hatte Iglesias Athen einen Besuch abgestattet. Er wollte damit die Wahlkampagne von Syriza unterstützen. Und so strebt Podemos ebenso wie Syriza einen neuen Umgang mit den Staatsschulden an.
"Wer sagt denn, dass die Regierung die Dinge nicht ändern kann?" In seiner Rede in Madrid lobt Iglesias das griechische Vorbild: "In Griechenland haben sie in sechs Tagen mehr verändert als andere Regierungen in Jahren." Der Sieg von Syriza hat der Bewegung in Spanien offenkundig Rückenwind verschafft. Griechische Fahnen sind in der Menge zu sehen. Ein Demonstrant hält ein Plakat mit der Aufschrift hoch: "Griechenland 10, Angela Merkel 0."
Spaniens Volkswirtschaft mag mehr als fünf Mal so groß sein wie die in Griechenland. Aber die beiden Staaten leiden an ähnlichen Problemen. Die Finanzkrise in der Eurozone hat sowohl in Griechenland als auch in Spanien ihre Spuren hinterlassen, mit drastischen Folgen für das Sozialsystem. Die Arbeitslosigkeitsrate in Spanien liegt bei 24 Prozent, in Griechenland bei 26 Prozent.
"Ich habe keine Ahnung, ob es den Griechen künftig besser geht. Aber ich weiß, dass es hier so nicht mehr weitergehen kann", sagt Miguel Ruiz, der mit seiner Familie zur Demonstration in Madrid gekommen ist. Und seine Frau Gemma ergänzt: "Wir brauchen eine grundlegenden Wandel. Einen Wandel in unserer Gesellschaft, einen kulturellen Wandel."
Die spanische Wirtschaft erlebt inzwischen eine gewisse Erholung. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt voraus, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um zwei Prozent zulegen wird. Ministerpräsident Mariano Rajoy wird nicht müde zu betonen, dass es wieder aufwärts gehe. Aber viele Spanier sind des Sparkurses müde, auch angesichts der hohen Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen Missmanagement in der Krise und viele Skandale, die das politische System Spaniens in Misskredit gebracht haben – das gilt für die traditionellen politischen Parteien, die Regierung, das Bankensystem und sogar die königliche Familie.
"Man kann denen nicht mehr trauen"
"Wir haben es satt. Unser politisches System ist korrupt, man kann denen nicht mehr trauen", schimpft Javier Gonzales, ein 37-ähriger Ingenieur auf der Demonstration. "Es wäre großartig, wenn diese Kundgebung hier Podemos weiteren Schwung gibt und für die etablierten Parteien als Weckruf wirkt.“
Doch auch die neue Kraft hat schon mit Schwierigkeiten zu kämpfen. In den vergangenen Tagen hat die Kritik am Finanzgebahren von Podemos zugenommen. Es geht vor allem um die stattliche Summe von 425.000 Euro, die der Co-Gründer der Bewegung, Juan Carlos Monedero, von den Regierungen in Venezuela, Bolivien, Ecuador und Nicaragua angenommen hat – als Beraterhonorar. Die spanischen Fianzbehörden prüfen derzeit, ob mit den Zahlungen alles seine Richtigkeit hat.
Jahr des Umbruchs
Und so könnte es ein Jahr des Umbruchs werden in Spanien. Kommunal- und Regionalwahlen sind für Mai angesetzt. Im November dürfte es dann Neuwahlen des Parlaments geben. An diesem Tag in Madrid gehen die meisten Menschen auf den Straßen davon aus, dass Podemos dabei eine gewichtige Rolle spielen wird.