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Ein Diktatorensohn wird Präsident

David Hutt
11. Mai 2022

Ferdinand Marcos Jr. ist der Sohn von Ferdinand Marcos, der die Philippinen jahrzehntelang brutal als Diktator regierte. Das schwierige Verhältnis zur EU zu verbessern wird eine Herausforderung für den neuen Präsidenten.

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Präsidentschaftswahl auf den Philippinen
Marcos Jr. trat kaum persönlich im Wahlkampf aufBild: Willy Kurniawan/REUTERS

Ferdinand Marcos Jr., der Namensvetter und Sohn des verstorbenen Diktators der Philippinen, hat bei den Präsidentschaftswahlen am Montag einen Erdrutschsieg errungen.

Nach Auszählung von etwa 98 Prozent der zugelassenen Stimmen erhielt Marcos Jr. fast 31 Millionen Stimmen, doppelt so viele wie seine größte Herausforderin, die derzeitige Vizepräsidentin Leni Robredo. Ein offizielles Ergebnis wird gegen Ende des Monats erwartet.

Nun stellt sich die Frage, ob eine Präsidentschaft von Marcos Jr. die unter dem scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte zerrütteten Beziehungen zwischen der EU und den Philippinen wieder verbessern wird.

2017 bezeichnete Duterte EU-Beamte als "dumme EU-Typen" und drohte damit, jegliche europäische Hilfe abzulehnen, obwohl die EU einer der größten Geber von Entwicklungshilfe auf den Philippinen ist.

Tausende Tote im Anti-Drogen-Krieg

Am umstrittensten war Dutertes Anti-Drogen Krieg, in dem laut Human Rights Watch mehr als 12.000 Menschen starben, etwa ein Fünftel davon durch außergerichtliche Tötungen durch die Behörden. Brüssel hat eine klare Haltung gegen den Drogenkrieg eingenommen, die Gespräche über Handelspakte und bilaterale Arbeitsgruppen gerieten 2017 ins Stocken.

Im vergangenen Jahr gab es jedoch Anzeichen für eine Annäherung. In einer Rede im Februar 2021 sagte Duterte, dass "die Philippinen und die EU einen tiefen Respekt für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit teilen". So fanden auch die ersten bilateralen Treffen zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit und guter Regierungsführung statt, die eigentlich schon für 2018 - nach Inkrafttreten des Rahmenabkommens über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und den Philippinen - geplant waren. Am 26. April nahmen beide Seiten an einem gemeinsamen Ausschusstreffen zur Überprüfung der Umsetzung des Abkommens in Manila teil.

Ein Neuanfang?

Shada Islam, eine unabhängige EU-Analystin und -Expertin, glaubt, dass das Wahlergebnis keines sei, das sich EU-Politiker gewünscht haben. Die meisten dürften wahrscheinlich auf einen Sieg von Robredo, einer Verfechterin der Menschenrechte, gehofft haben. "Aber die Beziehungen zu den Philippinen sind ein wichtiger Teil der Hoffnungen der EU auf ein stärkeres Engagement im indo-pazifischen Raum, und Brüssel wird sein Bestes tun, um sie unter dem neuen Präsidenten zu verbessern", so Islam. Dennoch erwarte niemand sofortige Verbesserungen, da die EU die Auswirkungen des Sieges von Marcos Jr. erst in vollem Umfang abschätzen müsse.

Ferdinand Marcos, der Vater des neu gewählten Präsidenten, regierte das Land jahrzehntelang brutal als autoritärer Diktator. Es wird angenommen, dass Marcos Sr. zusammen mit seiner Frau Imelda und ihrem Gefolge rund 9,4 Milliarden Euro (9,9 Milliarden Dollar) veruntreuten, bevor er 1986 durch einen Volksaufstand gestürzt wurde.

Marcos Jr. sprach während seiner Kampagne nur selten mit den Medien und gab wenig über seine politischen Absichten preis. Der 64-Jährige sagte, er werde hart gegen Kriminalität vorgehen, aber die meisten Kommentatoren erwarten, dass er die Brutalität von Dutertes Drogenkrieg mäßigen wird, nicht zuletzt, weil nun die Möglichkeit besteht, dass der Internationale Strafgerichtshof die Beteiligten strafrechtlich verfolgt.

"Ich sehe keine signifikanten Veränderungen in der Wahrnehmung der philippinischen Führung", sagte Joshua Bernard Espeña, Experte für philippinische Außenpolitik und leitender Analyst für globale Sicherheit bei der in Kalifornien ansässigen Organisation Analyzing War.

Ferdinand Marcos, Imelda Marcos und andere auf dem Balkon des Malacanang Palasts 1986.
Präsident Ferdinand Marcos (links). Seine Frau Imelda soll 3000 Paar Schuhe besessen haben.Bild: AP

Menschenrechte und Handel

Die EU priorisiert in ihrer Partnerschaft mit den Philippinen Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte. Marcos Jr. und Sara Duterte, die Tochter des scheidenden Präsidenten, die die Vizepräsidentschaft anstrebt, werden das historische und politische "Vermächtnis" von Duterte erben, so Espeña.

"Es heißt zwar, dass die Sünden des Vaters nicht auf den Sohn abgewälzt werden sollten, aber der Geschichtsrevisionismus epischen Ausmaßes, der während der Wahl von Marcos betrieben wurde, sollte nicht über die noch immer bestehenden Menschenrechtsprobleme hinwegtäuschen", sagte Phil Robertson, stellvertretender Direktor der Asienabteilung von Human Rights Watch. Der Vater des neuen Präsidenten sei während seiner Diktatur für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gewesen und nie zur Rechenschaft gezogen worden. "Manila muss bis 2024 einen glaubwürdigen Aktionsplan zur robusten und effektiven Umsetzung von über 30 internationalen Konventionen zu Menschen- und Arbeitsrechten, guter Regierungsführung und Umwelt mit klaren Fristen vorlegen", so Heidi Hautala, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, gegenüber der DW. 

Marcos J. mit ausgestreckten Armen bei einer Rede
Ferdinand Marcos Jr., Spitzname "Bongbong", bei einem seiner seltenen Wahlkampfauftritte am 7. MaiBild: Aaron Favila/AP/picture alliance

Die EU ist der viertgrößte Handelspartner der Philippinen und der größte ausländische Investor in dem südostasiatischen Land, mit ausländischen Direktinvestitionen im Wert von rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2020, wie aus EU-Daten hervorgeht. Der bilaterale Warenhandel belief sich 2020 auf 12,2 Milliarden Euro. Die Verhandlungen über ein Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den Philippinen wurden im Dezember 2015 aufgenommen, kamen aber nach dem Amtsantritt von Duterte ins Stocken. Analysten sind der Meinung, dass diese Gespräche nun wieder aufgenommen werden könnten, da Duterte aus dem Amt scheidet und die EU im vergangenen Jahr die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Thailand, einem anderen südostasiatischen Staat mit einer fragwürdigen Menschenrechtsbilanz, wieder aufgenommen hat.

Gute Kommunikation wird nötig sein. Die Philippinen haben im vergangenen Jahr die Rolle des ASEAN-Koordinators für den Dialog mit der EU übernommen, die sie bis 2024 innehaben werden, was bedeutet, dass Manila die erste Anlaufstelle für Brüssel in seinen Beziehungen mit dem südostasiatischen Block ist. "Es ist an der EU zu entscheiden, ob die Philippinen ein dringend benötigter Partner in einer Welt sind, in der wir uns aktuell voneinander entfernen", so Espeña. "Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass die EU eine Vereinbarung mit Manila finden kann, die den gegenseitigen Interessen entspricht."