Wie man Briefkastenfirmen das Wasser abgräbt
4. Oktober 2021Es geht wieder um Briefkastenfirmen, um Offshore-Konten, um illegale Geschäfte in Milliardenhöhe. Diesmal wurden sie durch die sogenannten Pandora Papers aus dem Schatten ans Licht geholt.
Eine Briefkastenfirma zu nutzen, ist meist nicht illegal, wie Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erklärt. Misstrauen ist trotzdem angebracht, denn immerhin investieren Menschen hier viel Geld und Zeit, um ihre Besitztümer in solchen Briefkastenfirmen zu verstecken.
"Es gibt sehr wenig legale und noch viel weniger legitime Gründe, eine Briefkasten-Gesellschaft zu benutzen", meint Trautvetter. "Wir haben zum Beispiel den Geheimdienst aus Deutschland, der versucht in Syrien die Opposition zu unterstützen und dafür Briefkasten-Gesellschaften nutzt. Oder umgekehrt Oppositionelle, die den Widerstand aus Syrien oder aus Ländern organisieren, wo es nicht möglich ist, unter eigenem Namen solche Aktivitäten durchzuführen. Aber das sind sehr seltene Fälle", sagt Trautvetter. Eigentlich gehe es fast immer darum, zu verschleiern, anonym zu bleiben und meistens auch darum, Gesetze in irgendeiner Form zu umgehen.
Post-Panama-Papers Maßnahmen
Schon seit Jahren wird auf Politik-Ebene daran gearbeitet, illegale Finanzströme zu unterbinden oder zumindest aufzudecken. Einige Länder haben sogenannte Transparenzregister eingeführt, in denen die wahren Eigentümer von Firmen erfasst werden sollen. "Das gibt es seit 2017 EU-weit", so Trautvetter. In Deutschland könne man also für jede Firma, die hier ihren Sitz hat, und auch für jede Firma, die in Deutschland Immobilien kaufen will, im Transparenzregister den wirtschaftlich Berechtigten nachschlagen.
Außerdem haben mehr als 100 Länder den automatischen Informationsaustausch für Finanzkonten miteinander vereinbart. Damit müssen die Banken in diesen Ländern die wahren Eigentümer von Konten automatisch an deren Heimatland melden. Wenn also ein Deutscher über eine karibische Briefkasten-Gesellschaft in der Schweiz ein Konto besitzt, dann meldet die Schweizer Bank das an die deutschen Steuerbehörden automatisch weiter. Einige Länder haben Politikern sogar per Gesetz verboten, Offshore-Firmen zu kaufen.
Soweit hört sich das ja gut an.
Woran hapert es?
Irgendetwas scheint aber schief zu laufen, wenn bis heute Finanzströme in illegale Verwendungen fließen und nur punktuell durch Datenlecks aufgedeckt werden. Ein Problem ist: "Lange nicht alle Steueroasen änderten die Spielregeln in gleichem Maße und nicht alle Regeln wurden konsequent umgesetzt", beklagt Benedikt Strunz. Er ist einer der 600 Journalisten, die die Pandora Papers ausgewertet haben.
Auch Christoph Trautvetter meint, dass es vor allem bei der Umsetzung der Regeln hapert. Beim Transparenzregister gebe es beispielsweise eine 25-Prozent-Grenze. Das heißt, wenn jemand über mehrere Firmen seine Anteile aufsplittet und so nicht 25 Prozent bei einer Firma besitzt, kann er den Berichtspflichten im Transparenzregister entgehen.
Mit zweierlei Maß gemessen
Und dann ist da noch die Sache mit dem internationalen Informationsaustausch für Finanzkonten. Zum einen agiert die EU nicht sonderlich vorbildlich, wenn es um das Austrocknen von Steueroasen geht. Zwar hat sie schon 2017 eine Liste von Ländern erstellt, die missbräuchliche Steuerpraktiken fördern und Einnahmen der Mitgliedstaaten aus der Körperschaftsteuer untergraben. Damit will sie erreichen, dass EU-Länder gemeinsam Reformdruck ausüben können. Aber: EU-Steueroasen wie Malta, Irland oder Zypern kommen auf der Liste nicht vor.
Auch der andere große Player im Finanzmarkt, die USA, verhalten sich nicht tadellos. Dabei haben gerade sie 2013 den internationalen automatischen Informationsaustausch vor allem gegenüber Schweizer Banken vorangetrieben. Nach der Drohung aus den USA, Strafzinsen auf alle amerikanischen Geschäfte von Schweizer Banken einzubehalten, wenn diese nicht Kontoinformationen über den Atlantik leiten, gaben die Schweizer Banken nach.
Daraufhin konnte die OECD einen solchen automatischen Informationsaustausch auf globaler Ebene einrichten. "Allerdings haben die USA bis heute noch nicht die Gegenleistung erbracht", kritisiert Trautvetter. Das heißt, zwar melden jetzt alle Länder aus der Welt Informationen über US-Bürger und deren Konten in die Vereinigten Staaten, aber diese melden nur in ganz beschränkter Form die Informationen über ausländische Bürger in den USA und deren Konten und Firmeneigentum an andere Länder.
Kein Wunder, dass sich gerade in den USA, beispielsweise in South Dakota, ein beliebter Standort für Briefkastenfirmen etabliert hat. Eine Fluchtbewegung, die Trautvetter schon vermutet hatte, weil es sehr viel riskanter und problematischer geworden ist, in der Karibik Briefkasten-Gesellschaften zu betreiben.
Keine Geschäfte mit "Unbekannt"
Was den Kauf von Immobilien angeht, ist in Deutschland schon einiges passiert. So können seit 2021 in Deutschland Immobilien nicht mehr über Briefkastenfirmen gekauft werden, ohne dass der wahre Eigentümer dieser Briefkastenfirma in Deutschland eintragen wird. Das reicht aber nicht, denn Vermögende können immer noch über Briefkastenfirmen andere Firmen kaufen, die wiederum Immobilien besitzen.
Daher fordert Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende: "Wir sollten es Unternehmen, bei denen die wirklichen Eigentümer nicht bekannt sind, generell verbieten, in Deutschland Geschäfte zu machen." Außerdem sollte, wenn bei Immobilien der Eigentümer nicht nachvollziehbar ist, die Immobilie beschlagnahmt werden können.
Zudem müssten auch die Banken ins Visier und in die Pflicht genommen werden, denn sie wickeln die meisten Geschäfte ab. Eine Studie der Europäische Beobachtungsstelle zur Steuerpolitik hat 36 große Finanzinstitute untersucht und herausgefunden: Im Schnitt machen sie 20 Milliarden Euro Gewinn pro Jahr in Steueroasen. Das entspreche rund 14 Prozent ihrer gesamten Gewinne vor Steuern. Insgesamt blieb laut der Studie die Aktivität der Banken in Steueroasen zwischen 2014 und 2020 konstant. "Was die Geldwäsche-Bekämpfung betrifft, hat man in den letzten Jahren gemerkt, dass bei der Finanzaufsichtsbehörde da etwas mehr Schwung reinkommen sollte", sagt Schick.
Austausch von Finanzinformationen reicht nicht
Trautvetter plädiert außerdem dafür, dass nicht nur Informationen über Finanzkonten ausgetauscht werden, sondern auch Informationen über die Eigentümer von Immobilien und Yachten und anderen Wertgegenständen.
Vor allem sollten zudem Geschäfte, die schon getätigt wurden, nicht sicher sein. Schick hält es für sinnvoll, Vermögen aus illegalen Quellen viel häufiger zu beschlagnahmen.
Um überhaupt herauszufinden, wo Handlungsbedarf besteht, müsse Deutschland sehr viel mehr kontrollieren, sagt Trautvetter. Nötig seien spezialisierte Teams von Polizei, Steuerbehörden und Staatsanwaltschaften, die solchen komplexen internationalen Unternehmensstrukturen nachgehen, die echten Eigentümer ermitteln und dann die Dienstleister und Banken bestrafen, die nicht ordentlich gemeldet haben.
Vielleicht werden die Pandora Papers jetzt noch einmal einen Schub geben, um international strengere Regeln durchzusetzen. Dabei betont Schick: "Sehr wichtig ist - das muss man an so einem Tag wie heute auch mal sagen - ein guter, unabhängiger Journalismus, der international zusammenarbeitet. Er ist hilfreich, um Transparenz herzustellen. Ich bin extrem dankbar, dass es wieder mal gelungen ist, der Öffentlichkeit zu zeigen, was schiefläuft und damit auch einzelne Politiker, die solche Briefkastenfirmen nutzen, unter Druck zu setzen."