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Outsourcing: Erfolgsrezept oder Jobkiller?

Oliver Samson9. März 2004

Freier Welthandel: Dafür kämpfen die USA normalerweise. Im derzeitigen Wahlkampf jedoch erlebt der Protektionismus - der Schutz der eigenen Wirtschaft vor internationaler Konkurrenz - ein Comeback.

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Call Center in Indien: ein Segen für die US-Wirtschaft?Bild: AP

Gregory Mankiw, Star-Ökonom der Bush-Regierung, konnte nicht ahnen, was er mit einem an sich harmlosen Satz bewirken würde: Bei der Präsentation des "Jahreswirtschaftsberichts des Präsidenten" Ende Februar 2004 erklärte er, dass sich die Verlagerung von Arbeitsplätzen von den USA in Billiglohnländer langfristig positiv auf die einheimische Wirtschaft auswirken würde.

Sturm im Wasserglas?

Normalerweise wird dieses Konzept des "Outsourcing" und "Offshoring" nicht in Frage gestellt - Mankiw löste jedoch einen Sturm der Entrüstung aus. Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry nutzte die Debatte, um sich mit populären protektionistischen Parolen als Retter der einheimischen Arbeitsplätze zu profilieren. Bereits 2,4 Millionen Arbeitsplätze seien seit dem Amtsantritt von George W. Bush verloren gegangen, rechnen die Demokraten den Wählern vor.

Bush versuchte schließlich selbst, den politischen Schaden zu begrenzen, den Mankiw angerichtet hatte. "Wir müssen zusehen, dass mehr Arbeitsplätze im Land bleiben", so der Präsident. 20 amerikanische Bundesstaaten haben bereits Gesetze erlassen, wonach Staatsaufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die im Lande bleiben.

Der leidige Arbeitsmarkt

Die amerikanische Wirtschaft wächst derzeit so schnell wie seit 20 Jahren nicht mehr - aber die Angst vor "Jobless Recovery", einem Aufschwung ohne Arbeitsplätze, geht um. Was seit Clintons Zeiten als Erfolgsrezept für den amerikanischen Wirtschaftsboom propagiert wurde, gilt inzwischen quer durch alle politische Lager als Jobkiller: der Freihandel.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Senator John Kerry in New York US-Wahlen
Hand auf der Wirtschaft: John KerryBild: AP

Der globale Freihandel ermöglicht Unternehmen den Zugang zu allen Märkten der Welt. Gerne nutzen die Unternehmen dies zur Kostenreduzierung und lagern Arbeitsplätze nach Indien, China, Russland oder andere Billiglohnländer aus - Business Process Outsourcing (BPO) heißt das im Fachjargon. Der aktuelle Wert des BPO-Marktes wird auf 140 Milliarden Dollar beziffert. Nach Angaben der Unternehmensberatung DTZ Research wird er bis 2005 voraussichtlich auf 230 Milliarden US-Dollar wachsen.

Ab ins Ausland?


Bekanntestes Beispiel von Oursourcing sind die Call Center. Aber zunehmend sind auch Hochqualifizierte wie Finanzanalysten, Ärzte und Software-Spezialisten betroffen. Ein Viertel der Amerikaner mit einem Jahreseinkommen von mehr als 75.000 Dollar fürchtet um den Job. "Viele Geschäftsbereiche sind durch neue Technologien mobiler geworden. Die Globalisierung tut ein übriges", erklärt Joe Valente, Geschäftsführer von DTZ Research & Development in London. 3,3 Millionen Arbeitsplätze sollen Schätzungen zufolge in den nächsten zehn Jahren aus den USA ins Ausland verlagert werden. BPO als versteckte Rationalisierungswelle?

Wer hat Angst vor'm bösen Wolf?

Führende Ökonomen der USA sind wenig begeistert über die Vorbehalte gegen BPO. Notenbankchef Alan Greenspan erklärte, dass auch Handelsschranken keine Arbeitsplätze schaffen. "Eine Beziehung zwischen der Arbeitsplatzabwanderung und der allgemeinen Beschäftigungslage vorzugeben, grenzt an Demagogie", meint auch Berkeley-Ökonom Brad De Long. "Outsourcing" sei ein "Win-Win-Game", bei dem keine Seite verliert, behauptet eine Studie des Thinktanks McKinsey Global Institute: Für jeden ausgelagerten Dollar Arbeitskosten werde ein Gegenwert von 1,12 bis 1,14 Dollar geschaffen. "Offshoring bringt den US-Unternehmen, Konsumenten und deshalb den gesamten USA Wohlstand", so das Fazit der im August 2003 erschienenen Studie.

Je nachdem, woher der Wind weht

"Das stimmt alles, stimmt aber auch nicht", meint Oscar Erich Kunze vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München. Momentan seien sich die Ökonomen über die vermeintlich segensreiche Wirkung von Outsourcing und Offshoring einig, "doch der Zeitgeist der Ökonomen ist wie das Blatt im Winde". Wenn heute Outsourcing en vogue sei, könne morgen der Schutz einheimischer Arbeitsplätze als das Gebot der Stunde verkündet werden. "Falls die Arbeitslosigkeit bestehen bleibt, gibt es gar keine andere Wahl, als Handelssperren zu errichten", so Kunze.

So hat bereits der demokratische Gouverneur von Indiana, Joseph Kernan, ausgelagerte Arbeitsplätze zurückgeholt: Er kündigte einen Auftrag für ein indische Firma, die ausgerechnet die Arbeitslosenanträge des Bundesstaates bearbeiten sollte. Indiana zahlt für die Dienstleistung jetzt 53 Prozent mehr als zuvor - doch dafür wird sie garantiert von amerikanischen Angestellten erledigt.