Diversity in Hollywood: Wie bunt werden die Oscars?
26. Februar 2017Die Fragen werden nicht nur für die Kulturinstitutionen der USA immer drängender: Wer sitzt in den Gremien, die Preise an darstellende Künstler verleihen? Und: Repräsentieren die Jurys die Gesellschaft? Die Forderung nach Diversität ist nicht neu, aber an den Oscars vergangenes Jahr wurde sie für die amerikanische Filmbranche unüberhörbar: Die Vielfalt in der Gesellschaft solle sich auch in ihrer filmischen Darstellung spiegeln.
Protest afroamerikanischer Filmschaffender 2016
Es begann alles mit einer Videobotschaft auf einer Facebookseite. Am Martin Luther King Day, dem 18. Januar 2016, postete Jada Pinkett Smith einen eindringlichen Appell: "Um Anerkennung zu betteln oder einfach nur darum zu bitten, nimmt Würde und Kraft. Wir haben Würde und wir haben Kraft und das dürfen wir nicht vergessen." Mit dem "Wir" sind die afroamerikanischen Künstler Hollywoods gemeint.
Der Grund für Pinketts Aufruf: Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences hatte bei den Nominierungen für die Oscars keinen einzigen schwarzen Schauspieler berücksichtigt (auch nicht Pinketts Ehemann Will Smith). Sie werde aus Protest nicht an den Oscars teilnehmen, ließ Pinkett wissen. Dem Boykott schloss sich kurz darauf Kult-Regisseur Spike Lee an und auch andere Hollywoodgrößen äußerten Kritik an zu wenig Vielfalt im Hollywood-Filmbusiness. Unter dem Hashtag #oscarssowhite tobte das Netz.
Ein Club weißer, alter Männer
Die Academy: Das waren zu dem Zeitpunkt etwa 6000 Mitglieder aus verschiedenen Bereichen der Filmbranche - Produzenten, Regisseure, Maskenbildner, Tontechniker, Stylisten und Schauspieler. Mitglied konnte nur werden, wer einmal für einen Oscar nominiert und von zwei Mitgliedern seines Bereichs vorgeschlagen wurde. Wer drin war, blieb es auf Lebenszeit - mit dem Effekt, dass weiße, alte Männer deutlich überrepräsentiert waren. Über 90 Prozent der Academy-Mitglieder waren weiß, über drei Viertel Männer.
Die Präsidentin Cheryl Boone Isaacs, selbst afroamerikanischer Herkunft, hatte schon seit dem Beginn ihrer Amtszeit 2013 versucht, die Academy vielfältiger zu besetzen. Der Aufschrei 2016 gab den Anlass für einen radikalen Umbau: Die Academy-Mitgliedschaft ist nun auf zehn Jahre begrenzt. Wer in dieser Zeit an keinem neuen Film beteiligt ist, verliert sein Recht, über die Oscargewinner abzustimmen.
Außerdem wurde die Zahl der Wahlberechtigten massiv erhöht, 638 neue Mitglieder wurden im Laufe des vergangenen Jahres berufen. Dabei wurde explizit auf Diversität geachtet: Sowohl schwarze junge Männer wie Schauspieler Idris Elba ("Beasts of No Nation") oder John Boyega ("Star Wars: Das Erwachen der Macht") sowie junge Frauen wie Emma Watson ("Harry Potter") und Greta Gerwig ("Frances Ha") finden sich unter den neuen Mitgliedern.
Nach Kritik an den Oscars auch Kritik bei den Grammys
Auch bei der diesjährigen Grammy-Verleihung kocht der Vorwurf der mangelnden Diversität wieder hoch. Die "New York Times" brachte es so auf den Punkt: "Die Grammys haben ein Problem - genauso wie Amerika - und das heißt: Inklusion. Oder genauer: Exklusion." Dass Adele fünf Kategorien für sich entschieden habe, während Beyoncé mit ihrem Album "Lemonade" mit zwei Auszeichnungen (bei neun Nominierungen) klar unter den Erwartungen blieb, ließ so manchen Kritiker ratlos zurück und das Netz unter dem Hashtag #grammyssowhite schimpfen.
Typisch, wurde da im Netz kritisiert, "Lemonade" sei ja an ein schwarzes, weibliches Publikum gerichtet. Selbst Adele schien vom eigenen Sieg in der Kategorie "Bestes Album des Jahres" irritiert und lobpreiste stattdessen ihre Kollegin Beyoncé: "Was du mit mir und meinen Freunden machst und wie meine schwarzen Freunde sich durch dich fühlen - das ist echtes Empowerment! Du bewirkst, dass sie für sich einstehen!" Auch die Grammys werden von einem Gremium vergeben, in dem Weiße überrepräsentiert sind.
2017 sind die Oscars vielfältiger - mit Luft nach oben
2017 sind die Oscarnominierungen deutlich vielfältiger. Denzel Washington ("Fences") und Ruth Negga ("Loving") gehen als beste Hauptdarsteller ins Rennen um einen Oscar. Bei den Nebenrollen stehen mit Dev Patel ("Lion"), Mahershala Ali ("Moonlight"), Octavia Spencer ("Hidden Figures"), Viola Davis ("Fences") und Naomie Harris ("Moonlight") fünf Darsteller, die nicht weiß sind, auf der Liste. Viola Davies ist die erste afroamerikanische Schauspielerin, die zum dritten Mal für einen Oscar nominiert wurde, "Moonlight"-Drehbuchautor und Regisseur Barry Jenkins ist der erste Afroamerikaner, der gleichzeitig für Film, Regie und Drehbuch nominiert ist. Außerdem wurden auch afroamerikanische Filmschaffende erstmals im Bereich Kamera und Schnitt nominiert. Also alles gut? Nun ja: Kein einziger Schauspieler lateinamerikanischen Ursprungs ist für einen Oscar vorgeschlagen.
Von den Golden Globes zu den Oscars: Preisverleihungen mit viel Politik
Nach dem "Muslim Ban" zeigten viele US-amerikanische Schauspieler Flagge gegen jegliche Diskriminierung - am eindrücklichsten Mahershala Ali bei den SAG Awards:
"Was ich bei der Arbeit für 'Moonlight' gelernt habe, ist, zu sehen, was passiert, wenn Menschen verfolgt werden: Sie sinken in sich zusammen." Es folgte ein eindringlicher, sehr persönlicher Appell: "Wir können uns in den Petitessen verlieren, die uns unterscheiden, und wegen ihnen in den Krieg ziehen oder wir können sie als Qualitäten sehen" Ali unterstrich seinen Appell mit Einblicken in seine Lebensgeschichte: "Meine Mutter ist christliche Pastorin. Ich bin Muslim. Natürlich hat sie keine Freudensprünge gemacht, als ich vor 17 Jahren konvertiert bin. Aber das haben wir alles bewältigt. Wir lieben uns. Und alles andere sind Petitessen und einfach nicht so wichtig."
In einem Jahr, in dem der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten Fragen zu seiner Haltung zu Rassismus, Antisemitismus und Abschottung lapidar abbügelt, zeigen sich Kulturschaffende und Kulturinstitutionen bemüht, für die Vielfalt Flagge zu zeigen. In der Oscarnacht könnte hierfür 2017 ein weiteres Zeichen gesetzt werden. In schwarz UND weiß.