Oscars: Die Vielfalt muss von oben kommen
"40 weiße Schauspieler in zwei Jahren und keine Abwechslung. Können wir etwa etwas nicht spielen!?", schrieb der Regisseur Spike Lee auf Instagram und fasste damit die Wut und die Frustration vieler nicht-weißer Filmschaffender zusammen. Lee kündigte ab, dass er den Oscars in diesem Jahr fern bleiben wird. Die Schauspielerin Jada Pinkett Smith kommt auch nicht und weitere werden ihnen folgen.
Die Empörung ist gerechtfertigt. Nimmt man alle Hauptkategorien zusammen, wurde nur ein nicht-weißer Filmschaffender für einen Oscar nominiert: der Mexikaner Alejandro González Iñárritu als bester Regisseur für "The Revenant" mit Leonardo DiCaprio. Herausragende Schauspielleistungen, wie die von Will Smith in "Concussion", Samuel L. Jackson in "The Hateful Eight" und Idris Elba in "Beast of No Nation" wurden ignoriert. Ebenso Spike Lees exzellenter Film "Chi-Raq", der das griechische Theaterstück " Lysistrata" als blutiges brutales Drama in der Chicagoer South Side inszeniert.
Als wäre das nicht schlimm genug: "Straight Outta Compton" und "Creed", zwei Filme von schwarzen Regisseuren mit überwiegend schwarzem Ensemble, wurden nominiert - allerdings nur ihre mitwirkenden Weißen: Sylvester Stallone als bester Nebendarsteller für "Creed" sowie die vier weißen Drehbuchautoren von "Straight Outta Compton".
Ein Akademie-Umbau ist nicht das Allheilmittel
Cheryl Boone Isaacs, Präsidentin der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" und selbst Afro-Amerikanerin, ist sehr enttäuscht und frustriert über den Mangel an Inklusion bei den diesjährigen Nominierten und ergänzte, es sei "Zeit für große Veränderungen" bei den Oscars. Boone Isaacs hat schon erste Anstrengungen unternommen, um die Besetzung der Oscar-Akademie aufzulockern und zu erweitern - derzeit ist das durchschnittliche Mitglied weiß, männlich und 63 Jahre alt - aber der Prozess zieht sich hin.
Außerdem würde eine Rundumerneuerung der Akademie, auch wenn diese eine willkommene Entwicklung wäre, nichts ändern an den Wurzeln des Problems. Das liegt nämlich bei den Leuten, die darüber entscheiden, ob und wie ein Film gemacht werden soll. So lange diese Verantwortlichen, "lilienweiß" bleiben, wie Lee sagt, wird sich kaum etwas tun.
Schluss mit dem Mythos: "Schwarze Filme verkaufen sich nicht"
96 Prozent der Hollywood Film- und TV-Bosse sind weiß, so die neuesten Untersuchungen des "Hollywood Diversity Report", der von der "University of California" in Los Angeles veröffentlicht wurde. Diese Männer - und es sind fast alles Männer -, sind Hollywoods Türsteher. Sie entscheiden darüber, welches Drehbuch produziert wird, welcher Schauspieler die Rolle bekommt und welche Filme am Ende so stark von den Studios beworben werden, dass alle Welt Sie kennenlernen wird.
Um bei dem #OscarsSoWhite-Protest auf den Kern der Sache einzugehen, muss Hollywood sich auch endlich mit einem der hartnäckigsten Gerüchte über das Filmbusiness konfrontieren lassen: nämlich, dass schwarze Filme sich nicht verkaufen. Ich habe dieses Argument immer wieder von Produzenten und Verleihern gehört - und das weltweit.
Die Ticketverkäufe außerhalb Nordamerikas machen bei einem typischen Hollywood-Blockbuster 60 bis 75 Prozent des gesamt Umsatzes aus. Das ausländische Publikum, so das Argument, sei es nicht gewohnt, schwarze Schauspieler auf der Leinwand zu sehen und würde ein gemischtrassiges Ensemble nicht schätzen.
Filmfans wollen Abwechslung, Hollywood wohl eher nicht
"Furious 7" hat diese Vorurteile bereits widerlegt. Der Action-Thriller mit multi-ethnischer Besetzung hat immerhin mehr als 1,5 Milliarden Dollar eingespielt. Und der schwarze Brite John Boyega hat den Umsatzsahlen des neuen "Star Wars"-Films alles andere als geschadet. Tatsache ist: Tolle Filme mit guten, nicht weißhäutigen Schauspielern können das Publikum genauso begeistern. Vorausgesetzt, sie werden entsprechend beworben.
"Straight Outta Compton" hat weltweit 200 Millionen Dollar eingespielt, "Creed" bisher 140 Millionen. Hollywood, dessen Gemeinde sich selbst für seine Liberalität und Öffenheit preist, ist längst nicht so vielseitig wie das Filmpublikum. Die Studie der "University of California" hat ergeben, dass über die Hälfte der regelmäßigen Kinobesucher in den USA Latinos und Afro-Amerikaner sind. Sie sind es, die an den Kinokassen das meiste Geld für Tickets ausgeben.
Es gibt einen Spruch: "Grün (wie der Dollar) ist in Hollywood die einzige Farbe, die zählt." Wenn die Studios weiterhin das nichtweiße Publikum ignorieren und farbigen Schauspielern und Regisseuren die Tür vor der Nase zuschlagen, verzichten sie auf ernstzunehmende Einnahmequellen.
Bei #OscarsSoWhite geht es nicht um die Förderung von Minderheiten oder Political Correctness. Es geht auch nicht um die Show. Es geht ganz einfach ums Geschäft. Es ist endlich an der Zeit, dass Hollywood das begreift - und entsprechend handelt.