Ein wahrer Riese: Gazprom
6. Februar 2022Gazprom geht es gut, sehr gut sogar. Der langjährige Chef des russischen Energiekonzerns, Alexej Miller, erklärte Anfang Januar für Gazprom sei 2021 ein Rekordjahr gewesen - sowohl bei der Förderung von Energie als auch beim Gewinn.
Steigende Nachfrage und explodierende Preise für Gas und Öl bedeuten für das Unternehmen: Der Rubel rollt. Die Aktionäre von Gazprom können sich freuen.
Der russische Staat kontrolliert die Mehrheit der Aktien und bestimmt den Kurs des Unternehmens. Gazprom-Aktien halten aber auch deutsche Unternehmen, wie der deutsche Energieversorger E.ON und viele Kleinanleger.
Die Verbindung des Konzerns zum Kreml ist äußerst eng. Gazprom-Vorstandsvorsitzender Alexej Miller ist ein alter Freund von Russlands Staatschef Wladimir Putin, so dass Putin quasi immer mit am Tisch des Aufsichtsrates und des Vorstands von Gazprom sitzt. Das Unternehmen ist der größte Erdgas-Förderer der Welt, hat fast 500.000 Mitarbeiter und sitzt nach eigenen Angaben weltweit auch auf den größten Gasvorkommen in Russland.
Gazprom beherrscht den Export
Die Marktmacht von Gazprom in Europa ergibt sich aus einem Monopol. Nur Gazprom darf laut russischer Gesetzgebung Pipelines für den Export betreiben. Dadurch ist die Firma seit Jahrzehnten der größte Lieferant in der EU.
Rund 43 Prozent des Erdgases, das in der EU verbraucht wird, strömt aus Russland herbei. Der Rest kommt aus Norwegen, aus Flüssiggaslieferungen aus dem Nahen Osten und den USA, sowie aus Algerien und Libyen, berichtet die EU-Statistikbehörde Eurostat.
Dabei ist der Marktanteil von russischem Gas in den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich. Als Faustregel gilt: Je weiter östlich, desto abhängiger sind die Staaten. Deutschland, der größte Konsument in der EU, bezieht rund 55 Prozent seines Gases vom russischen Energieriesen.
EU will gemeinsamen Markt schaffen
"Gazprom nutzt die Marktmacht, indem es mit der Menge des Gases, die es an Europa liefert, die Preise beeinflusst", meint der Energiemarktexperte Georg Zachmann von der wirtschaftspolitischen Denkfabrik "Bruegel" in Brüssel.
In den vergangenen zehn Jahren hat die EU über Regulierungen versucht, einen relativ einheitlichen Gasmarkt in Europa zu etablieren. Danach liefert Gazprom bis an die Übergabepunkte an den Außengrenzen der EU, und dann soll das Gas innerhalb der Mitgliedsstaaten gehandelt werden.
So kann zum Beispiel Deutschland Gas in Russland einkaufen und nach Polen oder auch in die Ukraine weiterleiten. Das Interesse Gazproms ist es dagegen, möglichst direkte Verträge mit den Empfängern zu schließen, um so die Abhängigkeit hoch zu halten.
"Das ist eine Art Wettrennen zwischen der europäischen Regulierung, die versucht, einen gemeinsamen Markt mit einheitlichen Preisen zu schaffen, und der Gazprom, die versucht, unterschiedliche Preise in unterschiedlichen Ländern durchzusetzen", sagte der Energiemarktexperte Georg Zachmann der DW.
Zweifel an der Zuverlässigkeit
Während Gazprom darauf besteht, auch in diesem Winter alle langfristigen Lieferverträge eingehalten zu haben, beobachtet Georg Zachmann, dass Gazprom weniger Gas auf den Markt mit kurzfristigen Verträgen wirft.
"Gazprom erfüllt seine Verträge, das ist richtig, aber immer nur am untersten Rand der Zusagen", erklärte kürzlich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Andere Gasanbieter hätten angesichts der rasant anziehenden Nachfrage und Rekordpreise ihre Lieferungen deutlich erhöht.
In den vergangenen Jahren sei der kurzfristige Markt immer wichtiger geworden, erläutert Zachmann, weil man sich ja gerade aus der langfristigen Abhängigkeit von Gazprom ein wenig lösen wollte.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nennt das Geschäftsgebaren der Firma "sonderbar", da trotz der hohen Nachfrage nicht mehr Gas geliefert werde. Die Firma, die dem russischen Staat gehört, schürt so selbst Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit", sagte von der Leyen der Zeitung "Handelsblatt".
Mit vielen Firmen vernetzt
Gazprom ist nicht nur wichtigster Lieferant auf dem europäischen Gasmarkt, sondern spielt auch bei der Bevorratung und Verteilung, die für die Versorgungssicherheit wichtig sind, eine Rolle. In fast allen EU-Ländern ist Gazprom an lokalen und regionalen Versorgern beteiligt.
In Deutschland besitzt zum Beispiel die Gazprom-Tochterfirma Astora im niedersächsischen Rehden den größten unterirdischen Gasspeicher Westeuropas, der als Puffer bei Nachfrage- und Lieferschwankungen gilt.
Die Füllstände der Gasspeicher sind historisch niedrig. Sollte Gazprom im Zuge einer politischen Krise aus dem Kreml die Weisung bekommen, kein Gas mehr zu liefern, könnte es eng werden mit der Versorgung in Europa.
Kommissionspräsidentin von der Leyen geht nicht davon aus, dass das passiert. Schließlich sei die eindimensional auf Energieexporte ausgerichtete Wirtschaft Russlands auch auf den größten Kunden und Investor Europa angewiesen.
Dennoch bemühe sich die EU zusammen mit den USA um mehr Lieferungen von Flüssiggas (LNG) aus Katar oder den USA, sagte von der Leyen dem "Handelsblatt". An diesem Montag wird darüber in Washington zwischen EU und amerikanischer Regierung wieder verhandelt.
Strategische Fehler?
Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vermutet, dass Deutschland sich mit der neuen Gaspipeline Nordstream 2, die ebenfalls von Gazprom befüllt wird, noch abhängiger von direkten Lieferungen aus Russland machen würde.
"Europa hat eine Strategie der Diversifikation der Gasbezüge, nur Deutschland hat den konträren Weg gewählt und die Abhängigkeit noch erhöht. Das rächt sich jetzt", sagte Kemfert der DW.
Ihrer Ansicht nach hätte man dem Verkauf der Gasspeicher nicht zustimmen dürfen, oder aber diesen zumindest regulieren müssen. Genau wie beim Öl brauche man eine strategische Reserve für Gas.
Die EU überlegt jetzt, solche Reserven anzulegen und mehr als bisher, gemeinsam als Käuferin von Gas aufzutreten. Gazprom versucht diese Strategie zu unterlaufen, und einige EU-Staaten beißen an. Ungarn hat gerade einen exklusiven Vertrag mit Gazprom abgeschlossen und erhält dafür günstige Preise.
Energiemarkt-Experte Georg Zachmann vom "Bruegel"-Institut ist nicht sehr optimistisch, dass die EU etwas gegen die Macht von Gazprom ausrichten kann: "Man kann mit demjenigen, der alle Hebel in der Hand hält, so viel verhandeln wie man möchte. Wenn der Gashahn von Moskau aus zugemacht werden kann, sind wir einfach in einer schlechteren Verhandlungsposition."
Kunden nicht nur in Europa
Für Alexej Miller, den Chef von Gazprom, ist das Geschäft mit Europa nur ein Teil des Erfolges. Gazprom will nach eigenen Angaben zum führenden Energiekonzern der Welt aufsteigen. Schließlich handelt das Unternehmen nicht nur mit Gas, sondern auch mit Erdöl und produziert Strom.
Gerade hat Präsident Putin beim Auftakt der Olympischen Winterspiele in Peking ein großes Gasliefergeschäft mit der chinesischen Führung eingefädelt. Und auch die USA gehören zu den Kunden von Gazprom. Die Amerikaner bezogen 2020 immerhin acht Prozent ihrer Öl-Importe aus Russland. Das ist mehr als der Verbündete Saudi-Arabien in die USA geliefert hat.