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Musik

Nura: "Sexismus und Rassismus studiert"

Matthias Beckonert
31. August 2020

Nura Habib Omer ist eine der bekanntesten Rapperinnen Deutschlands. Im DW-Interview spricht sie über ihr Leben, soziales Engagement und ihren Traumberuf.

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Die Rapperin Nura 2019 beim Lollapalooza-Festival in Berlin
Nura auf der Bühne beim RappenBild: Imago Images/M. Müller

Viele ihrer Fans sind jung, weiblich und sehen in Nura so etwas wie ihre große Schwester. Auch, weil die 31-jährige Rapperin sich nicht nur als Vorbild für ihre Fans sieht, sondern engen Austausch und das Gespräch mit ihnen sucht. Das geht so weit, dass bei Auftritten von ihr ein Bett zum Kuscheln mit Fans aufgestellt wird. Bekannt wurde sie gemeinsam mit der Rapperin Juju als "SXTN" und polarisierenden Liedern wie "Fotzen im Club" oder "Deine Mutter". Ihr erstes Solo-Album "Habibi" erschien 2019, soeben veröffentlichte sie ihre Autobiografie "Weißt du, was ich meine?". 

DW: Nura, Sie haben im August Ihre Autobiografie "Weißt du, was ich meine?" veröffentlicht - mit gerade einmal 31 Jahren. Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?

Nura: Das Hauptziel war einfach, Leute zu motivieren, die vielleicht dasselbe Schicksal hatten wie ich, die vielleicht sogar auch im Heim leben. Denen zu zeigen: "Es ist machbar, du kannst es schaffen." Das hätte ich zum Beispiel damals gebraucht. Ich wollte einfach nur wissen, ob es für mich irgendwie weitergeht. Man wird als Heimkind schnell abgestempelt, und die Leute verstehen deinen Struggle nicht.

Die Szenen, die Sie beschreiben, sind sehr persönlich. Was hat das Aufschreiben in Ihnen ausgelöst?

Ich hatte so Herzklopfen vor dem Release, weil ich wusste: Danach kennen alle meine Geschichte, alle wissen, dass ich 'ne Zeitlang depressiv war oder ich mich als Jugendliche geritzt habe. Aber es war auch eine Befreiung und hat mich stärker gemacht. Für jede einzelne Situation im Buch gab es Leute, die mir geschrieben haben, dass es ihnen gerade genauso geht und dass sie aus meiner Geschichte Kraft ziehen. Genau dafür hat es sich gelohnt. Und für mich selber ist es auch ein schönes Gefühl zu wissen, dass ich normal bin. 

Rassismus und Sexismus bis heute Alltag

Sie schreiben, dass Sie sich als Geflüchtete wie ein "Mensch zweiter Klasse" fühlten - bis heute haben Sie keinen deutschen Pass, sondern sind nur geduldet. Was macht das mit einem Menschen, wenn man sich immer wieder für seine Existenz rechtfertigen muss?

Ich komme mir dabei ziemlich blöde vor, wenn ich den höchsten Steuersatz zahle, aber ich hier nicht mal wählen darf. Mein Geld ist gut genug, alles andere wollt Ihr nicht von mir haben.

Im Buch erzählen sie von weiteren Hindernissen: die Ausländerbehörde, der Streit mit Ihrer Mutter, Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus. Was hat das für Ihr Aufwachsen bedeutet?

Es kommt mir vor, als würde ich seit 31 Jahren Rassismus und Sexismus studieren. Es ist normal gewesen, diese Sachen mit mir rumzuschleppen, es ist immer noch normal. Und ich hoffe, dass sich das bis zu meinem Tod verändert hat. Wirklich.

Sie engagieren sich gegen Sexismus, für Feminismus und die LGBTQ-Community [Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer]. Gleichzeitig wird der Rap-Szene immer wieder Sexismus, Homophobie oder Antisemitismus vorgeworfen. Wie passt das zusammen?

Vieles von dem, was aktuell in den Charts ist und als Rap gilt, zählt für mich eher als Pop-Musik. Deutsch-Rap, so wie ich ihn kennengelernt habe, war eigentlich die Musikrichtung, die auf Missstände hingewiesen hat, mit der man so was am besten ausdrücken konnte. Schlagermusik ist nicht so, Popmusik auch nicht. Das ist Mainstream und massentauglich. Rap ist eine super Sprache, um damit politisch zu sein.

Traumberuf Erzieherin

Würden Sie sich von Ihren Kollegen und Kolleginnen dann mehr Engagement wünschen?

Klar wünsche ich mir das. Aber ich will niemanden zwingen. Und wenn man Angst hat, damit Follower zu verlieren, dann ist das so, dann gibt es immer noch genug Leute, die das trotzdem mit mir durchziehen. Das soll man ja mit Herz machen. Nach dem Anschlag von Hanau hat man zum Beispiel gemerkt, dass plötzlich ein paar Leute dabei waren, die sonst nie ihre Fresse aufmachen. Das fand ich richtig gut. Aber nicht selten muss man warten, bis die auch selber betroffen sind.

Ihr erstes Solo-Album 'Habibi' erschien 2019 und war deutlich harmonischer, braver. Gerade arbeiten Sie an Ihrem zweiten Album. Wird man Sie danach überhaupt noch als Rapperin bezeichnen können?

Ich habe mich oft geschämt zu sagen, dass ich Rapperin bin, weil Rap - so wie man in heutzutage versteht - zu vielem nicht passt, wofür ich stehe. Aber sorry, mein neues Album ist halt Rap. Ich rappe da, das ist Sprechgesang. Auf jeden Fall mehr Rap als das, was gerade in den Charts ist. 

Ursprünglich hatten Sie ganz andere Pläne: Sie haben eine Ausbildung zur Sozialassistentin angefangen, die Sie aber wegen der beginnenden Musikkarriere wieder abgebrochen haben.

Mein Traumberuf war es schon immer, Erzieherin zu sein, und das wird es auch immer bleiben. Ich liebe Kinder, ich liebe Jugendliche. Da ist noch so viel Hoffnung, da ist noch nicht so viel kaputt wie bei Erwachsenen.

Das Gespräch führte Matthias Beckonert.