Nuklear-Krise mit Ansage: Washington und der Iran-Deal
12. September 2017Einen Monat - bis zum 15. Oktober - hat US-Präsident Donald Trump Zeit, um dem Kongress zu bestätigen, dass der Iran sich an die Bestimmungen des Iran-Deals hält. Alle 90 Tage muss er das tun, so will es das sogenannte Corker-Cardin-Gesetz, mit dem sich ein überwiegend Iran-skeptischer Kongress 2015 ein dauerhaftes Mitspracherecht im Umgang mit dem Iran erstritten hat. Bleibt die Zertifizierung aus, hat der Kongress 60 Tage Zeit, um die Wiedereinführung von Sanktionen zu beschließen. Das würde de-facto einem Ausstieg der USA aus dem Iran-Abkommen gleichkommen. Mögliche Folge: Ein nukleares Wettrüsten im Mittleren Osten.
Bislang hat Präsident Trump schon zweimal die erforderliche Bestätigung erteilt – widerwillig. Die Hinweise mehren sich, dass er das Mitte Oktober nicht mehr tun wird. Nicht nur hat Trump selbst in einem Interview mit dem Wall Street Journal schon am 25. Juli im Vorgriff auf seine Oktober-Entscheidung erklärt, "er erwarte nicht, dass der Iran vertragstreu sei". Trump fügte auch gleich hinzu, er werde sich notfalls auch über die Empfehlungen seiner Mitarbeiter hinwegsetzen, selbst aus dem Außenministerium. Mittlerweile hat Trump eine eigene Arbeitsgruppe im Weißen Haus eingesetzt, die ihm Gründe liefern soll, Iran keine Vertragstreue zu bescheinigen.
Nikki Haley läuft Sturm gegen Iran-Deal
Dass die Regierung Trump den Iran-Deal zu Fall bringen will, wurde noch einmal vergangene Woche beim American Enterprise Institute, AEI, deutlich. Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley hatte sich einen konservativen Washingtoner Think Tank, der schon bei der publizistischen Vorbereitung des Irak-Krieges 2003 eine wichtige Rolle gespielt hatte, am5. September als Bühne für eine Rede zum Iran und dem Atom-Deal ausgesucht.Haley machte deutlich, dass sie den Iran-Deal grundsätzlich für schlecht hält und den Iran für einen nicht vertrauenswürdigen Vertragspartner. Sie behauptete unter anderem fälschlich, "der Iran sei in den letzten eineinhalb Jahren vielfach bei Vertragsverletzungen ertappt worden".
Tatsächlich: Es hat zwei Mal geringfügige Überschreitungen der zulässigen Mengen an schwerem Wasser gegeben. Das wird zur Moderation in manchen Reaktortypen verwendet. Nach Diskussionen mit den Vertragspartnern hat Iran umgehend überschüssiges Schwerwasser exportiert. Die mit der Überprüfung des Joint Comprehensive Plan of Action, kurz JCPOA, beauftragte Internationale Atomenergie Agentur IAEA hat deshalb in ihren Berichten Teheran stets die Einhaltung seiner Verpflichtungen aus dem Atomabkommen bescheinigt - zuletzt am 31. August, fünf Tage vor Haleys Rede. Haley hatte selbst Ende August die IAEA in Wien besucht und auf robustere Inspektion gedrängt, inklusive von militärischen Anlagen.
Iran weltweit am strengsten kontrollierter Nichtatomwaffenstaat
Die von Haley "jederzeit und überall" geforderten Inspektionen sieht der JCPOA aber nicht vor. Abgesehen von den definierten Überprüfungsstandorten kann die IAEA aber "wo nötig, wenn nötig" inspizieren, wenn ihr Hinweise auf Vertragsverletzungen vorliegen. Bislang hat Iran noch keinen Inspektionswunsch abgelehnt. Der Iran, stellt die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP, im Juli in einer Studie fest, sei der "am intensivsten kontrollierte Nichtatomwaffenstaat". IAEA-Direktor Yukiya Amano konnte deshalb in Slowenien letzte Woche zur Verteidigung des Atom-Deals erklären: "Iran steht unter dem strengsten Verifizierungs-Regime der Welt. Unsere Inspektoren sind rund um die Uhr vor Ort. Wir überwachen Nuklear-Anlagen, nutzen dauerhaft installierte Kameras und anderes Equipment".
Haleys Rede vor dem AEI verwischt bewusst die Verpflichtungen des JCPOA mit dem Verhalten des Irans in anderen Fragen: Raketentests, Regionalkonflikte, Menschenrechte. Aber der Iran-Deal war nie dafür gemacht, Irans Wohlverhalten in allen Politikfeldern zu garantieren. Er sollte Iran zur Aufgabe seiner Atomrüstung bewegen – was funktioniert hat. Darüber hinaus konnte er bestenfalls eine Tür zur Rückkehr in die Weltgemeinschaft öffnen – was in Teilen funktioniert. So hat der Iran seine strategische Position zum Verdruss der USA und einiger Verbündeter während der letzten zwei Jahre deutlich verbessern können.
EinPapier des privaten Sicherheits- und Nachrichtendienstleisters Soufan-Group kommt am 6. September aber zu dem überraschenden Schluss: Die Sanktionserleichterungen des JCPOA spielten keine Rolle. Irans regionale Stärke liege vor allem an strategischen Fehlern von Irans Gegnern. Insbesondere Saudi-Arabiens Krieg im Jemen werden da genannt und der von Riad entfesselte Konflikt mit Katar.
Fälschliche Berufung auf deutschen Verfassungsschutz
Das hält Gegner des Iran nicht davon ab, den Atom-Deal auch mit Hilfe von Berichten des deutschen Verfassungsschutzes anzugreifen. Anfang Juli warf die Washingtoner Stiftung zur Verteidigung der Demokratie unter Berufung auf den Hamburger Landesverfassungsschutz dem Iran vor, in Deutschland Nuklearmaterial kaufen zu wollen. Ein Bericht, der schnell von anderen US-Medien übernommen wurde. Der Haken: Die angeprangerten Versuche fanden 2009 statt – lange vor Abschluss des Iran-Deals.
Die deutschen Behörden hätten zwar versucht, den Zeitpunkt der Ankaufversuche gegenüber den USA klarzustellen, erklärt Mark Fitzpatrick gegenüber der DW. Der Direktor des Washingtoner Instituts für Strategische Studien, IISS, fordert die deutschen Behörden auf, "den Kontext noch deutlicher zu erläutern". Trotz der Haltung der Regierung Trump und eines Großteils des Kongresses hat Fitzpatrick Hoffnung für den Fortbestand des JCPOA: Weil der Iran erklärt habe, er werde selbst dann nicht aus dem Iran-Deal aussteigen, wenn die USA das täten - vorausgesetzt die anderen Vertragsparteien blieben dabei. Das sind die Europäische Union, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland. Damit komme den Europäern eine bedeutende Rolle zu: "Wenn die zusammenhalten, können sie die Vorteile des Deals erhalte, bis die USA wieder zu Sinnen kommen" so Fitzpatrick.
An europäischen Bekenntnissen zum Atomabkommen mangelt es nicht. Einen Tag nach der Haley-Rede zeigte sich der französische Außenminister Jean-Yves Le-Drian besorgt darüber, dass Präsident Trump den Atom-Deal in Frage stelle. Und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wird nicht müde zu betonen: "Das Atomabkommen gehört nicht einem einzigen Land. Es gehört der internationalen Gemeinschaft."