Irans Nukleardeal in Gefahr
5. August 2017Wenn es einen Ort gibt, an dem die unterschiedlichen Ansätze der Europäer und der USA im Umgang mit dem Iran sichtbar werden, dann ist das Teheran an diesem Samstag. Da legt der mit überwältigender Mehrheit wieder gewählte Präsident Hassan Rohani den Amtseid für seine zweite Amtszeit ab. Als Gäste dabei: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian. Deutschland wird von einem Vizeaußenminister vertreten.
Der Auftritt der Europäer steht in scharfem Gegensatz zur Haltung Washingtons. Zur Erinnerung: Auf der ersten Station seiner ersten Auslandsreise hat US-Präsident Donald Trump erst im Mai alle "Staaten mit einem Gewissen" dazu aufgefordert, den Iran zu isolieren. In großer Gefahr ist auch die Frucht eines harten, an Stellen zermürbenden, zwölf Jahre dauernden Verhandlungsprozesses: Das vor zwei Jahren abgeschlossene Nuklearabkommen mit Iran. Dieses Joint Comprehensive Plan of Action, kurz: JCPOA, genannte Abkommen zur Eindämmung des iranischen Atomprogramms, bildet die Basis für die Rückkehr des Irans auf die internationale Bühne und für die beginnende wirtschaftliche Integration des Landes nach Jahren harter Sanktionen.
Der Kern des Atom-Deals: Für eine begrenzte Zeit wird das iranische Atomprogramm zurück gebaut und kontrolliert. Im Gegenzug werden die nuklearbezogenen Sanktionen erst außer Kraft gesetzt und dann ganz aufgehoben. Bislang funktioniert das. In mittlerweile sechs Berichten hat die mit der Überwachung des Abkommens beauftragte Internationale Atomenergie Organisation (IAEA) festgestellt: Der Iran hält sich an seinen Teil der Abmachung. Für die EU ist der Nuklear-Deal deshalb ein großer Fortschritt in Richtung Sicherheit und Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen.
"Mehrheit will Atomabkommen zu Fall bringen"
Ganz anders das Bild in den USA. Sascha Lohmann von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sagt der Deutschen Welle, sowohl Präsident Trump als auch der Kongress seien sehr skeptisch gegenüber dem Atomabkommen. "Damit ist eine breite Mehrheit dafür, das Abkommen entweder zu Fall zu bringen oder mehr herauszuschlagen. Das heißt: Die Gefahr ist sehr konkret, dass sich in naher Zukunft von US-Seite aus etwas ändert", so Lohmann.
Die nächste Gelegenheit für eine solche Änderung bietet sich im Oktober. Hintergrund: Alle 90 Tage muss der Präsident dem Kongress mitteilen, ob der Iran weiterhin die Bedingungen erfüllt, um die Erleichterung der Sanktionen fortzuschreiben. Zweimal schon hat Trump das getan, mit erkennbarem Widerwillen - und im Streit mit dem US-Außenministerium. Inzwischen wurde im Weißen Haus eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die für Trump herausfinden soll, wie erneut nuklearbezogene Sanktionen verhängt werden können.
Für Ali Vaez ist das Nuklear-Abkommen deshalb extrem bedroht. Sorgen bereiten dem Iran-Experten der International Crisis Group nicht allein Medienberichte, denen zufolge der US-Präsident bereits angekündigt hat, die erforderliche Zertifizierung im Oktober zu verweigern. "Regierungsbeamte sprechen offen von der Förderung eines Regimewechsels im Iran", sagt Vaez der Deutschen Welle. Dazu passt ein Bericht des Wall Street Journals, demzufolge CIA-Chef Mike Pompeo eine spezielles Iran-Zentrum eingerichtet hat."Wenn sie uns nicht hereinlassen: Boom"
In diesem Zentrum, zitiert das Blatt anonyme US-Beamte, spiegele sich die Entscheidung der Regierung Trump, den Iran zu einem priorisierten Ziel von US-Agenten zu machen. Pompeo gilt als langjähriger Iran-Falke und hat das Atom-Abkommen in der Vergangenheit mehrfach heftig kritisiert.
Dabei funktioniert der Iran-Deal sogar für den republikanischen Senator Bob Corker. Weswegen sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats auch dafür ausspricht, das Atomabkommen nicht platzen zu lassen - vorerst. In einemInterview mit der Washington Post Interview mit der Washington Post wurde deutlich: Das hat vor allem kosmetische Gründe. "Wir wollen, das das Atomabkommen wegen des Irans platzt und nicht wegen der USA", so Corker. Schließlich wolle man die Verbündeten mit an Bord haben. Corker regte an, das Abkommen "radikal durchzusetzen". Zum Beispiel, indem man Zugang zu "verschiedenen Anlagen im Iran" verlangt. "Wenn sie uns nicht hineinlassen: Boom", sagte Corker.
Schwerttanz und Twitter-Botschaften
Die europäischen Verbündeten lassen wenig Neigung erkennen, dem US-Kurs zu folgen. Beim Thema Iran sind Brüssel und Washington auf Kollisionskurs – wie sich bei der Amtseinführung Rohanis in Teheran zeigt. Rolf Mützenich ist Vorsitzender der Deutsch-Iranischen Parlamentariergruppe. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete, die Teilnahme europäischer Außenpolitiker an der Amtseinführung Rohanis sei eine klare Botschaft, dass Europa "an einer Vertrags-basierten Verständigung mit dem Iran festhalten will". Zugleich sei sie auch eine Botschaft, dass "wir weiter mit Präsident Rohani an einer vertrauensvollen Kooperation arbeiten wollen". Weil Rohani nach Ansicht Mützenichs ein Garant für die Öffnung des Landes ist – "im Gegensatz zu anderen Akteuren im Iran".
Auch die EU-Außenbeauftragte Mogherini wird nicht müde, für das Atom-Abkommen zu werben: Während Donald Trump am 20. Mai in Saudi-Arabien den Schwerttanz tanzte, gratulierte Mogherini als eine der ersten ausländischen Politiker Rohani auf Twitter zur Wiederwahl – und betonte zugleich die Bereitschaft der Europäer, weiter an der Umsetzung des Nukleardeals zu arbeiten. Bei der Verleihung des Hessischen Friedenspreises am 20. Juli pries die EU-Diplomatin den Nukleardeal sogar alsMusterbeispiel erfolgreicher Diplomatie.
"EU-Unternehmen werden nicht in Brüssel reguliert sondern in Washington"
Sollten die USA tatsächlich aus dem Atomabkommen ausscheren, hätte das weitreichende Konsequenzen – selbst wenn die anderen Vertragspartner am JCPAO festhalten - neben der EU sind das Deutschland, Frankreich, England, China und Russland. Der gerade erst wieder angekurbelte Wirtschaftsaustausch mit dem Iran würde massiv behindert. Denn sogenannte Sekundär-Sanktionen können auch europäische Unternehmen treffen, die mit dem Iran Geschäfte machen. SWP-Experte Lohmann redet im Interview mit der DW Klartext: "Wir haben die Problematik, dass EU-Unternehmen faktisch nicht in Brüssel reguliert werden, sondern effektiv in Washington. Deshalb erklären große Unternehmen ganz öffentlich: Für uns sind die US-Sanktionen das Ausschlaggebende. Selbst wenn wir rechtlich von europäischer Seite aus keine negativen Konsequenzen zu befürchten haben, gehen wir trotzdem nicht in den Iran. Denn wir haben Angst, uns der Verletzung von US-Sanktionen schuldig zu machen."
Wenn aber für die Iraner die wirtschaftliche Dividende des Atom-Abkommens ausbleibt, stärkt das allein die Falken und die konservativen Kräfte. Denen war die Annäherung an den Westen ohnehin immer ein Dorn im Auge.