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NSU-Prozess: Klage gegen Platzvergabe erfolgreich

Stephanie Höppner 13. April 2013

Wochenlang hatte der Streit um die Vergabe der Sitzplätze beim NSU-Prozess angedauert. Nun hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren einer türkischen Tageszeitung Recht gegeben.

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Der Präsident des Oberlandesgericht, Karl Huber, spricht am 15.03.2013 im Oberlandesgericht München im Sitzungssaal 101 ( Foto: Peter Kneffel/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Da macht die Bundesrepublik als Rechtsstaat großen Eindruck, wenn man sieht: Es gibt hier ein Problem und der Rechtsstaat reagiert darauf", sagt Tilman Mayer, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn. "Aber natürlich ist es ein Problem, dass es so lange dauerte, bis es zu dieser Entscheidung kam."

Nach wochenlangem Gerangel zwischen Justiz und Medien hat ein beispielloser Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland nun ein Ende. Am Freitagabend (12.04.2013) entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren, dass bei dem NSU-Prozess am Oberlandesgericht München "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen" auch an türkische und griechische Journalisten vergeben werden muss. Andernfalls könnte das Recht auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb verletzt sein. Spitzenpolitiker nahezu aller Parteien reagierten mit großer Erleichterung auf das Urteil.

50 Plätze für Journalisten reichen nicht aus

Allen interessierten türkischen und griechischen Journalisten war zuvor die Teilnahme als Prozessbeobachter verwehrt worden, weil sie sich nicht schnell genug angemeldet hatten. Die türkische Tageszeitung "Sabah" hatte daraufhin geklagt. Das Interesse der türkischen Medien an dem Verfahren ist groß, weil acht der zehn Opfer des NSU türkischer Herkunft waren. Doch das Oberlandesgericht München, vor dem das Verfahren gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten voraussichtlich am 17. April eröffnet wird, hatte sich bislang unnachgiebig gezeigt. Zschäpe wird vorgeworfen, an den Morden der rechtsextremistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) beteiligt gewesen zu sein.

Das Foto zeigt Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess. (Photo by Federal Criminal Office via Getty Images)
Hauptangeklagte im NSU-Prozess: Beate ZschäpeBild: Getty Images

Das Gericht hatte 50 der 100 Sitzplätze im Gerichtssaal an Medienvertreter vergeben und zwar in der Reihenfolge ihrer Anträge. Die schnellsten 50 Journalisten bekamen also einen Platz zugesichert, die anderen gingen leer aus. Unter den erfolgreichen Anmeldern befanden sich aber fast ausschließlich deutsche Medien, darunter alleine sechs öffentlich-rechtliche Rundfunksender.

"Gleiche Startbedingungen waren anscheinend nicht gegeben"

"Die Vergabe der Plätze vor Gericht wurde so entschieden, dass man das 'Windhund-Prinzip' angewandt hat, das heißt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst und darf da rein", erklärt Mayer. Dies sei durchaus übliche Praxis bei deutschen Gerichten. "Aber es hat die Voraussetzung, dass man natürlich auch wirklich gleiche Startbedingungen hat und die waren hier anscheinend nicht gegeben."

Das Bild zeigt Karl Huber, Präsident des Münchner Oberlandesgerichts (Foto: REUTERS/Michael Dalder)
Erntete heftige Kritik: Karl Huber, Präsident des Münchner OberlandesgerichtsBild: Reuters

Wie konnten die türkischen Medien die Anmeldung verpassen und bei diesem "Windhund-Prinzip" den Kürzeren ziehen? Die Journalisten hatten sich wohl mehrfach bei der Pressestelle erkundigt, wann die Anmeldungen freigeschaltet werden, sagt Mayer. Dabei habe man sie vertröstet und ihnen mitgeteilt, es wäre noch nicht so weit. Als die Anmeldungen schließlich doch freigeschaltet wurden, sei dies nicht allen Redaktionen bekannt gewesen.

Angst vor Anfechtungen

Trotz verspäteter Anmeldung: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts können türkische Medien nun den Prozess aus nächster Nähe mitverfolgen. Befürchtungen, dass der Prozess aufgrund der geänderten Sitzplatzvergabe anfechtbar ist, teilt Mayer nicht. "Es ist gerade umgekehrt, dass jetzt die Grundlage gelegt wird, dass eine Anfechtungsklage nicht mehr erfolgreich sein würde", sagt er. "Jetzt ist vollkommen offengelegt, dass hier ein faires Verfahren stattfindet." Das Bundesverfassungsgericht sei seiner "Wächterfunktion" nachgekommen.

"Dahinter steckt natürlich auch eine Prestige-Frage. Dass man sagt: Deutschland ist hier vor dem Ausland in einer schlechten Position, wenn es nicht diese Fairness gewährleistet. Insofern war das Bundesverfassungsgericht auch politisch gefragt und sollte hier die letzte Instanz sein, die über so etwas entscheiden kann."

Losverfahren? Oder wieder Windhundprinzip?

Ob tatsächlich am kommenden Mittwoch der Prozess gegen Zschäpe startet, ist unklar. Das hängt wohl auch davon ab, wie die restlichen Plätze vergeben werden, sagt Mayer. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom Freitag keine genauen Vorgaben gemacht. Möglich ist zum Beispiel, drei zusätzliche Plätze für ausländische Journalisten zu vergeben. Wie genau sie aufgeteilt werden sollen, ist jedoch Sache des Oberlandesgerichts München. Denkbar wäre es, die zusätzlichen Plätze per Losverfahren zu verteilen oder eben wieder per "Windhundprinzip".

Die Schlagzeile "Türkische Presse nicht erwünscht" ist am 27.03.2013 in Düsseldorf vor einem Kiosk auf der türkischen Tageszeitung Hürriyet vom 26.03.2013 zu sehen (Foto: Daniel Naupold/dpa)
Die türkische Presse fühlte sich ausgeschlossenBild: picture-alliance/dpa

"Wenn nur drei zusätzliche Sitze technisch neu eingebaut werden, dürfte da wohl kein Problem entstehen. Wenn aber alle Plätze neu ausgeschrieben und vergeben werden müssen, hätte ich dann doch Zweifel, ob das innerhalb der kurzen Zeit möglich ist", sagt Mayer. Denn dann könnten auch andere Journalisten wieder Beschwerde einlegen.