Gute Entscheidung vor Beginn des NSU-Prozesses
13. April 2013Vom obersten Gericht Deutschlands, dem Bundesverfassungsgericht, wurde nun entschieden, was auch die Richter am Oberlandesgericht München zuvor schon hätten entscheiden können: Ausländische Medien sollen am NSU-Prozess teilnehmen dürfen - in angemessener Zahl, so das Urteil.
Mit der Entscheidung stoppte das Bundesverfassungsgericht die weitere Zuspitzung im Streit um die Berichterstattung zu einem der größten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und das ist gut so. Denn das Tauziehen um die Frage, ob überhaupt, und wie viele Journalisten aus der Türkei und anderen Ländern zugelassen werden, hatte Deutschland in internationalen Medien, vor allem in der Türkei, in ein schlechtes Licht gerückt.
Politisches Fingerspitzengefühl
Die obersten Richter entschieden nicht aus politischen Gründen, sondern sie begründeten ihren Beschluss damit, dass das Recht auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb verletzt worden sei. Die Entscheidung zeigt politisches Fingerspitzengefühl, denn das Gericht löst nun - in allerletzter Minute - einen Streit, der einen großen Schatten auf den NSU-Prozess geworfen hätte. Immerhin wird sich die deutsche und die internationale Öffentlichkeit mindestens zwei Jahre lang mit dem Prozess beschäftigen.
Auch politisch ist diese Entscheidung richtig: Gerichte entscheiden in Deutschland unabhängig über das "wie" der Zulassung von Medien. Andererseits ist es zentral für das deutsche Rechtswesen, dass Prozesse öffentlich verhandelt werden. Dafür gibt es ein Gesetz, das nicht misszuverstehen ist: "Die Verhandlung … einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich." Diese Öffentlichkeit und Transparenz ist ein hohes Gut. Sie unterscheidet den Rechtsstaat vom Unrechtsstaat.
Unter Beobachtung
Es gibt in Deutschland keine Schau- und keine Scheinprozesse wie in anderen Weltregionen. Juristische Aufklärung in Deutschland ist nachvollziehbar, sie hat nichts zu verstecken. Und sie gilt für alle gleich. Es sind die Medien, die diese Informationen übermitteln. Und sie sorgen für jene Öffentlichkeit und Transparenz, die den Rechtsstaat festigt, ihn glaubwürdig macht.
Das gilt für den als "historisch" zu bewertenden NSU-Prozess in besonderer Weise. Einem Prozess, bei dem es um rechten Terror in Deutschland geht. Zehn Morde haben die rechtsextremistischen Kommandos begangen: darunter ein Gemüsehändler oder der Besitzer eines Internetcafés - Bürger, die ermordet wurden, weil sie türkisch- oder griechischstämmig waren. Natürlich wird der juristische Umgang mit diesem Thema nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland genauestens wahrgenommen. In den vergangenen 25 Jahren wurden 150 Menschen in Deutschland Opfer rechter Gewalt. In ausländischen Medien wird gefragt: Wie groß ist die rechtsextreme Gefahr in Deutschland?
NSU-Prozess ist weltweit unter Beobachtung
Dieser Prozess ist keine rein-deutsche Angelegenheit. Deshalb sind natürlich die Ohren und Augen weltweit auf diesen Prozess gerichtet. Und wir sollten alles daran setzen, dass sie hinschauen und hinhören können. Nur so kann dem in ausländischen Medien geäußerten Eindruck entgegen getreten werden, es werde mit unterschiedlichem Maß gemessen, nicht entschlossen gehandelt oder nur halbherzig aufgeklärt.
Es geht beim NSU-Prozess um die juristische Aufarbeitung der Morde - es geht aus Sicht der in- und ausländischen Öffentlichkeit jedoch auch um mehr: um die Ermittlungsfehler rund um die rechte Gewalt. Wie kam es, dass Behörden wegschauten, dass Akten vernichtet wurden, Verfassungsschutzbehörden nicht miteinander kooperierten? Bei der Aufklärung der rechten Gewalt hat der Rechtsstaat an vielen Stellen versagt - und die Öffentlichkeit im In- und Ausland will wissen, wie in Deutschland damit juristisch umgegangen wird. Dass der Prozess nun öffentlicher wird, zeigt auch: Es gibt nichts zu verbergen, wir klären das auf!
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