Nordkorea: Die Wurzeln des Hasses
11. August 2017In Nordkorea fehlt vieles. Aber eines hat das Land: Eine effektive Propagandamaschinerie. Schon im Kindergarten und in Schulbüchern wird der Hass auf die USA genährt, verbunden mit der Furcht vor dem "imperialen Aggressor" aus Washington. Es hilft der Propaganda, dass sie auf der kollektiven Erfahrung des Korea-Krieges aufbauen kann. Dieser Krieg prägt die Lebens- und Erfahrungswelt der Menschen in Nordkorea noch heute - auch, weil er noch gar nicht beendet ist. Es gibt keinen Friedensvertrag. Seit mehr als sechs Jahrzehnten herrscht am 38. Breitengrad nur ein Waffenstillstand.
Dieser Krieg - um es klar zu sagen - war vom Norden selbst vom Zaun gebrochen worden. Nordkoreanische Truppen hatten am 25. Juni 1950 den 38. Breitengrad überschritten. Pjöngjang wollte mit dem Waffengang die Wiedervereinigung der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geteilten Halbinsel erzwingen.
Dennoch: Wenn US-Präsident Donald Trump jetzt mit Feuer, Zorn und ungezügelter Macht droht und dann damit nachlegt, Nordkorea würden "Dinge zustoßen, die sie niemals für möglich gehalten haben", dann passt das sowohl ins Narrativ Pjöngjangs als auch zur historischen Erfahrung. Wenn Verteidigungsminister James Mattis die nordkoreanische Führung vor der "Vernichtung des eigenen Volkes" warnt, dann wird propagandistisch das gepflegte nationale Trauma wieder belebt. Denn Vernichtung haben die Nordkoreaner bereits erlebt - zwischen 1950 und 1953.
Drei Jahre Flächenbombardement
Damals wurde Nordkorea drei Jahre lang von US-Kampfflugzeugen mit Flächenbombardements überzogen. Ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, wie der US-Historiker Bruce Cumings schreibt. Cumings wertet das Vorgehen als Kriegsverbrechen.
In dieser Zeit wurden mehr Bomben und mehr Napalm über Nordkorea abgeworfen als im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen Japan im Pazifikraum. Dabei kamen in Nordkorea geschätzt 20 Prozent der Bevölkerung um. Das ist jedenfalls die Einschätzung von General Curtis LeMay, der im Korea-Krieg das Strategische Luftwaffenkommando befehligte. In LeMays eigenen Worten in einem Interview von 1984: "Wir haben jede Stadt niedergebrannt, auf die ein oder andere Weise. Auch einige in Südkorea. Wir haben sogar (das südkoreanische) Pusan zerstört - ein Versehen".
Der ehemalige US-Außenminister Dean Rusk – zur Zeit des Koreakrieges im Außenministerium für Ostasien zuständig - erklärte, "zwischen dem 38. Breitengrad und der chinesischen Grenze haben wir jeden Ziegel bombardiert, der auf einem anderen stand, alles, was sich bewegte. Wir hatten völlige Luftüberlegenheit und haben Nordkorea in Grund und Boden gebombt".
MacArthur wollte Atombomben abwerfen
Auch Drohungen mit Atomwaffen haben die Nordkoreaner schon gehört, von US- General Douglas MacArthur. Der Oberkommandierende der Alliierten Streitkräfte äußerte sich in einem ausführlichen Interview 1954 enttäuscht, dass er seinen Plan zur Beendigung des Krieges innerhalb von zehn Tagen nicht umsetzen durfte. Dieser Plan sah den Einsatz von "zwischen 30 und 50 Atombomben" vor. Zusätzlich wollte MacArthur die Grenze Nordkoreas zu China für lange Zeit unpassierbar machen. Indem in einem Gürtel von fünf Kilometern am Grenzfluss Yalu radioaktives Kobalt verteilt würde. Das sollte China von einer weiteren Unterstützung Nordkoreas abhalten. Das US-Außenministerium und auch die Vereinten Nationen brachten den Plan zu Fall.
Zu den unangenehmen historischen Wahrheiten, die im Westen vergessen sind, deren Erinnerung in Nordkorea aber wach gehalten wird, gehören auch Massaker. Solche wie das von US-Soldaten selbst begangene Massaker von No Gun Ri. Unter einer Brücke wurden Hunderte flüchtende Zivilisten erschossen, wie 1999 bekannt wurde.
Schlimmer noch waren die antikommunistischen Säuberungen der südkoreanischen Streitkräfte. Unmittelbar nach Kriegsbeginn waren im Süden echte oder auch nur vermeintliche Kommunisten und Sympathisanten des Nordens hingerichtet worden - mit Wissen und unter den Augen von US-Offizieren. Berichte und Fotos von diesen Verbrechen blieben jahrzehntelang unter Verschluss und wurden erst 2008 öffentlich. Eine in der Amtszeit des früheren Präsidenten Roh Moo-Hyun - er war zuvor Menschenrechtsaktivist - eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission schätzte die Zahl der Todesopfer auf rund 100.000 - nach eigenen Angaben eine konservative Schätzung. Etliche dieser Massaker wurden den Nordkoreanern in die Schuhe geschoben - die allerdings ebenfalls blutige Säuberungen durchführten.