Nordirland und der "Würstchenkrieg"
9. Juni 2021Es hakt schon wieder zwischen Brüssel und London. Und einmal mehr geht es um die Brexit-Regeln für Nordirland. Beide Seiten machen sich gegenseitig Vorwürfe, weil die Umsetzung der im Brexit-Vertrag vereinbarten Sonderregeln für die britische Provinz nicht klappt.
Die Europäische Union wirft Großbritannien vor, vertragliche Vereinbarungen nicht einzuhalten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, sie habe in einem Telefonat mit Premier Boris Johnson ihre "tiefe Sorge" über die Umsetzung der Brexit-Verträge ausgedrückt. Darüber werde sie mit Johnson auch am Rande des G7-Gipfels am Wochenende sprechen.
Bereits an diesem Mittwoch wird sich der britische Brexit-Minister David Frost in London mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, treffen. Es ist ein weiterer Versuch, die Differenzen über das Nordirland-Protokoll beizulegen, nachdem monatelange Gespräche der Unterhändler wenig ausgerichtet haben.
London will keine Zollgrenze zu Nordirland
Das Protokoll soll eine "harte" Grenze zum EU-Mitglied Irland vermeiden, um nicht neue Spannungen in der ehemaligen Bürgerkriegsregion zu provozieren. Allerdings ist dadurch de facto eine Zollgrenze zwischen der Provinz Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs entstanden. Lieferprobleme und leere Regale in Nordirland waren die Folge.
Die Regierung in London schließt weitere einseitige Aktionen nicht aus. So steht im Raum, dass Großbritannien eine am 30. Juni endende Übergangsphase verlängert, in der Kontrollen von Fleischprodukten wie Würstchen und Hühnerschlegeln aus Großbritannien ausgesetzt sind. Britische Medien warnen bereits vor einem "Würstchenkrieg".
"Haben es nicht so erwartet"
Sefcovic hat klargestellt, dass die EU "schnell, energisch und entschlossen" handeln werde, falls Großbritannien seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Frost rief die Europäische Union zu "Pragmatismus und gesundem Menschenverstand" auf. Drohungen der EU machten das Leben der Nordiren schwieriger, sagte der Brexit-Minister.
Großbritannien hatte das Brexit-Protokoll ausgehandelt und unterzeichnet. Es sei ein "Kompromiss" gewesen, sagt nun ein britischer Regierungssprecher: "Wir haben nicht erwartet, dass die EU bei der Umsetzung einen puristischen Ansatz verfolgt."
rb/wa (dpa, Reuters)