Libyen - Vorhof der IS-Miliz in Nordafrika
13. Juli 2015Libyen versinkt immer mehr in Chaos und Gewalt. Eine Vielzahl von Milizen verschiedener Städte und Stämme geht unvermindert gegeneinander vor. Wie gespalten das Land ist, zeigt sich auch daran, dass es zwei rivalisierende Parlamente gibt. Islamistische Aufständische regieren seit August 2014 in Tripolis, während das international anerkannte Parlament dazu gezwungen wurde, seinen Sitz ins östliche Tobruk zu verlegen.
Auch wenn politische Spitzenvertreter aus Libyen sich unter Vermittlung der Vereinten Nationen auf eine neue Version einer Friedensvereinbarung geeinigt und damit weiteren Druck auf die rivalisierende islamistische Regierung in Tripolis ausgeübt haben: Der Mangel an einer zentralen politischen Führung hat in Libyen zu einem weiteren Aufkommen von Extremismus geführt.
"Diese Situation hat dem so genannten Islamischen Staat (IS), Chancen geboten, sich auszubreiten", sagt Günter Meyer, Professor für Wirtschaftsgeographie und Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz (ZEFAW). Daher wollen die USA ihren Kampf gegen den IS jetzt auch auf Libyen ausweiten - mit Drohnen.
Zulauf von anderen Terrorgruppen
Der Siegeszug der Terroristen des IS in Libyen begann im Oktober 2014 in der nordöstlichen Provinz Darna, "bereits unter dem damaligen Diktator Muammar al-Gaddafi eine Hochburg der Islamisten", sagt Nahost-Experte Meyer. Aber auch Sirte, Gaddafis Heimatstadt, und Sabrata, unweit der tunesischen Grenze, wurden vom IS erobert.
Seither gehen mehrere Anschläge in Libyen auf das Konto des IS und die Enthauptung von 21 Christen. Ein Großteil der IS-Anhänger in Libyen hatte selbst in Syrien oder im Irak gekämpft. Sie seien zurück gekommen und bildeten jetzt das Rückgrat der Terroristen in Libyen, so Meyer.
Viele von denen, die in Libyen unter der Flagge des IS kämpfen, entstammen der Extremistengruppe "Ansar al Scharia". "Vom Underdog zum Topdog - Der Zulauf zum IS hält weiter an", sagt Günter Meyer. Denn Libyen ist der nordafrikanische Vorhof für die Terroristen des IS und gefährdet somit den gesamten Maghreb. Er hat bestehende Ausbildungslager der schon unter Gaddafi florierenden islamistischen Szene im Osten des Landes übernommen, aber auch Neue errichtet. "Sowohl Rekrutierung, Ausbildung, aber auch der Waffenschmuggel laufen über Libyen", sagt Günter Meyer.
Denn die Grenzen zu den Nachbarländern sind durchlässig und offen. Daher hat der tunesische Ministerpräsident Habib Essid nach dem Terroranschlag von Sousse verkündet, man wolle einen 168 Kilometer langen Schutzwall an der libyschen Grenze bauen, um sich vor Extremisten aus dem Land zu schützen.
Der Wall soll allerdings auch den IS-Sympathisanten aus dem eigenen Land, die Ausreise nach Libyen erschweren. Die Tunesier machen den größten Anteil ausländischer Kämpfer beim IS aus. Auch der Attentäter von Sousse hatte sich dem IS angeschlossen und war in einem Camp in Libyen ausgebildet worden. Er kam zurück und ermordete Ende Juni 39 Touristen.
Immer mehr Bekenner
Trotz der vielen Kämpfer aus Tunesien hat der "Islamische Staat" in deren Heimat noch keine nennenswerte Basis. Das soll sich nach dem Willen der IS-Führung ändern. Und es scheint der Terrororganisation zu gelingen, im Konkurrenzkampf mit anderen islamistischen Gruppen, immer mehr Kämpfer aus den Nachbarländern für sich zu gewinnen. So haben sich die algerischen Islamisten der Gruppe "Dschund al Chalifa" von der Terrorgruppe Al-Kaida abgespalten und IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi die Treue geschworen.
"Auch in Marokko besteht die Gefahr, dass der IS Fuß fasst", sagt Günter Meyer. Denn mittlerweile ist Marokko eine Art Durchgangsland für IS-Terroristen auf dem Weg nach Syrien. Wer es nicht nach Libyen schafft, um von dort weiterzureisen, der fliegt nach Marokko.
Ausweitung des Kampfes gegen den IS?
Um den Expansionskurs des "Islamischen Staates" im Maghreb aufzuhalten, planen die USA eine Drohnen-Basis an der Grenze zu Libyen zu errichten, berichtet jetzt das Wall Street Journal unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter. Die USA wollten sich mit den Drohnen insbesondere ein Bild der IS-Aktivitäten in Libyen machen und damit einen "blinden Fleck" in der Anti-Terror-Strategie der USA beseitigen.
Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Drohnen für Angriffe genutzt würden, hieß es in dem Bericht. Damit würden die USA ihre Offensive gegen den IS ausweiten. Bislang geht die Anti-IS-Koalition mit Luftschlägen gegen die Terrorgruppe in Syrien und im Irak vor.
Mit welchem nordafrikanischen Land bereits verhandelt wird, um eine Drohnen-Basis an der Grenze zu Libyen zu errichten, ist bisher nicht bekannt. Möglich ist, dass die USA die Nutzung eines bestehenden Stützpunktes anstreben. Libyen grenzt an Tunesien, Algerien, Ägypten, Niger, den Tschad und an den Sudan.